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Gewerkschafter warnenDer Minijob wird auch in Rhein-Sieg zum Normalfall

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Auch in der Gastronomie sind Minijobs weit verbreitet.

Rhein-Sieg-Kreis – Auch auf dem Arbeitsmarkt in den Städten und Gemeinden des Rhein-Sieg-Kreises sind die sogenannten Minijobs weiter auf dem Vormarsch. Darauf weist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hin. Seinen Angaben zufolge waren Ende Juni 2021 im Kreisgebiet in kleinen Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten 45,6 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse Minijobs.

Der DGB beruft sich bei seinen Zahlen auf eine Sonderauswertung er Bundesagentur für Arbeit. „Die Daten zeigen: Minijobs – also Jobs mit einer Lohnobergrenze von 450 Euro monatlich – haben sich in Kleinbetrieben fast zu einer Art von Normalarbeitsverhältnis entwickelt“, sagt Jörg Mährle, Geschäftsführer der DGB-Region Köln-Bonn. „Sie sind damit kein Sprungbrett in reguläre Arbeitsverhältnisse.“

Beschäftigte im Handel, im Reinigungs- und Dienstleistungsgewerbe sowie in der Gastronomie seien besonders von diesem für Arbeitgeber kostensparenden Arbeitsmodell betroffen, so der Gewerkschafter. Für die Gesellschaft bedeute der Trend zu mehr Minijobs hohe soziale Folgekosten. Mährle: „Geringfügig Beschäftigten im erwerbsfähigen Alter fehlt weitgehend der Schutz der Sozialversicherung. Sie haben keinen Anspruch auf Krankengeld, Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld.“

Minijobs als Ticket in die Altersarmut

Entschieden sich Minijobber gegen die im Minijob grundsätzlich mögliche Rentenversicherungspflicht, wirke sich das nachteilig auf Rentenansprüche und andere Leistungen der Rentenversicherung aus. „Minijobs sind damit ein sicheres Ticket in die Altersarmut“, mahnt der DGB-Geschäftsführer.

Die Pandemie hat nach Auffassung des DGB die Folgen aufgezeigt. So hätten 2020 Hunderttausende Menschen in Deutschland innerhalb kürzester Zeit ihren Minijob verloren – ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld.

Das bestätigt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), ebenfalls unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit. Demnach verloren in der Pandemie vor allem Minijobber im Gastgewerbe ihre Stellen. In dieser Branche sei die Zahl der Minijobs von Mitte 2019 bis Mitte 2021 um 1300 oder 22 Prozent zurückgegangen.

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„450-Euro-Kräfte zählen zu den Hauptverlierern der Pandemie. Von der Küchenhilfe im Restaurant bis zur Verkäuferin an der Bäckereitheke – viele Minijobber leben in ständiger Angst, gekündigt zu werden“, sagt Manja Wiesner, Geschäftsführerin der NGG-Region Köln. Beide Gewerkschafter kritisieren die Pläne der Berliner Ampel-Koalition, wonach Minijobber künftig 520 statt wie bislang 450 Euro im Monat verdienen können, ohne dafür beispielsweise automatisch gegen Arbeitslosigkeit versichert zu sein. „Das ist absolut nicht nachvollziehbar“, sagt Mährle. „Denn jede Beschäftigung braucht den Schutz der Sozialversicherung.“

Die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze von 450 auf 520 Euro lehnt der DGB Köln-Bonn ab. Diese werde geringfügige Beschäftigung ausweiten, so dass noch mehr Menschen ohne umfassenden Sozialversicherungsschutz arbeiten würden als bislang. Wiesner bezeichnet die Pläne der Bundesregierung als „Irrweg – gerade nach den Erfahrungen mit Corona“.

Die NGG-Geschäftsführerin fordert auch von den Abgeordneten der Regierungskoalition aus der Region eine grundlegende Reform: Für Minijobs müsse bereits ab dem ersten Euro die Sozialversicherungspflicht gelten. Erst wenn Sozialabgaben, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge gezahlt würden, könnten Beschäftigte wirksam geschützt werden.