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Interview

Tabuthema Sexarbeit
Ehemaliger Male Escort aus NRW: „Frauen sind da vorsichtiger als Männer“

9 min
Marcus Karrenberg.

Der ehemalige Begleitherr Marcus Karrenberg hat ein eigenes Escort-Unternehmen gegründet.

Marcus Karrenberg war jahrelang Begleitherr für Frauen, heute führt er sein eigenes Escort-Business in NRW – auch im Raum Köln. 

Herr Karrenberg, Sie waren früher einmal ein „Male Escort“ - also ein Mann, den man als Begleitung buchen kann. Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Die Idee, als Male Escort zu arbeiten, hatte ich schon lange. Als ich 18, 19 Jahre alt war, arbeitete ich als kaufmännischer Angestellter im Außendienst. Dabei wurde ich tatsächlich häufig von Frauen angesprochen. Sie waren oftmals verheiratet und sieben bis zehn Jahre älter. Das hat mich in meinen jungen Jahren sehr verwundert. Offensichtlich hatte ich eine besondere Ausstrahlung auf Frauen.

Und da kam es auch oft zu Sex. Zum Beispiel, wenn die Ehemänner auf Geschäftsreise waren. Ich konnte feststellen: Auch Frauen haben Bedürfnisse, wollen sie befriedigen und können das auch einfordern. Und meiner Meinung nach sollen sie das auch können, so wie Männer es schon seit langer Zeit machen.

Und wie kam es dann zu Ihrer Berufswahl?

Im Laufe der Zeit haben mich immer wieder Freundinnen und Bekannte darauf angesprochen, warum ich meinen Charme und meine empathische Art nicht auch professionell einsetze. Das ließ sich jedoch über viele Jahre hinweg nicht realisieren. Partnerschaften, Ehen und das Familienleben standen im Vordergrund.

Als ich eines Tages ernsthafte, gesundheitliche Probleme bekam, setzte ich mich mit dem Sinn des Lebens auseinander. Ich wollte morgens aufstehen und glücklich sein mit dem, was ich tue. Dieses Glück fand ich in meinem damaligen Beruf jedoch nicht. Deshalb bewarb ich mich mit 43 Jahren bei einer seriösen Begleitagentur.

 Auch Frauen haben Bedürfnisse, wollen sie befriedigen und können das auch einfordern.
Marcus Karrenberg, ehemaliger Male Escort

Natürlich war ich anfangs etwas skeptisch, doch bereits nach meinem ersten Date wurde mir klar: Genau diese Mischung aus zwischenmenschlichem Kontakt und einem gewissen erotischen Kapital liegt mir und bereitet mir Freude. 

Erinnern Sie sich an dieses erste Escort-Date?

Ja, daran erinnere ich mich noch sehr genau. Mein erstes Escort-Date fand in einem kleinen, gemütlichen Café statt. Ganz unkompliziert bei einem Cappuccino und einem Stück Kuchen. Ich war damals unglaublich nervös, weil ich nicht wusste, was mich erwartet, wie ich auf meine Begleitung wirke und wie viel Nähe sie sich überhaupt wünschte. Doch schnell stellte sich heraus, dass es gar nicht um große Gesten ging. Wir führten tiefgründige, aber auch lockere Gespräche und verbrachten einen entspannten Nachmittag.

Und es gab keinen Sex?

Nein. Und das ist meiner heutigen Erfahrung nach bei 80-90 Prozent der ersten Escort-Dates so. Frauen sind da vorsichtiger als Männer. Erst beim zweiten, spätestens beim dritten Date kommt es zu Intimität. 

Heute arbeiten Sie nicht mehr selbst als Male Escort. Sie sind aber weiterhin in der Branche tätig und gründeten einen eigenen Escort-Service. Wie kam es dazu?

Den aktiven Part als Male Escort habe ich irgendwann ganz bewusst aufgegeben. Ich wollte wieder eine feste Partnerschaft eingehen – ein Lebensmodell, das sich mit dem Beruf als Escort nur schwer vereinbaren lässt. Aus diesen Überlegungen heraus entstand die Idee, eine eigene Begleitagentur zu gründen. Da es in Deutschland bislang nur sehr wenige seriöse Male Escort-Agenturen gibt, habe ich „Gents Heaven Escort-Service“ ins Leben gerufen.

Können Sie unseren Leserinnen und Lesern erklären, was ein Escort-Service macht und was für Sie die Seriosität ausmacht?

Ein Escort-Service bedeutet für mich in erster Linie romantische Begleitung – sei es zu einem geschäftlichen Anlass, einem kulturellen Event oder einem privaten Abendessen. Natürlich spielt Nähe eine Rolle, aber das ist sehr individuell und hängt stark von den Wünschen der Kundinnen und Kunden ab. Seriosität bedeutet für mich, dass klare Absprachen getroffen werden, dass Grenzen respektiert werden, alle Beteiligten frei in ihrem Handeln sind und dass die Diskretion zu jeder Zeit absolut gewahrt bleibt.

Seriosität bedeutet für mich, dass klare Absprachen getroffen werden, dass Grenzen respektiert werden, alle Beteiligten frei in ihrem Handeln sind und dass die Diskretion zu jeder Zeit absolut gewahrt bleibt.
Marcus Karrenberg, ehemaliger Male-Escort

Es ist ein Dienstleistungsgewerbe, in dem Vertrauen das Fundament ist. Die Agentur ist dabei das Bindeglied zwischen Klientin und Begleitherren. Sie soll für Sicherheit sorgen, die man im Independent Escort [Anmerkung der Redaktion: Escorts ohne Agentur] nicht unbedingt hat.

Wie viele Bewerbungen für die Arbeit als Begleitherr erhalten Sie im Schnitt?

Das Interesse an einer Tätigkeit in meinem Unternehmen ist meiner Meinung nach sehr hoch. Im Schnitt sind das rund 20 bis 30 Bewerbungen pro Monat. Allerdings muss man klar sagen: Nur ein sehr kleiner Teil dieser Bewerber ist wirklich geeignet. Viele unterschätzen die Anforderungen und stellen sich selbst als eine Art „Supermann“ dar, der die Welt retten soll und auf den alle Frauen angeblich gewartet haben.

Die Realität im seriösen Escort-Business sieht jedoch anders aus: Es geht nicht um Selbstdarstellung, sondern um Empathie, Verlässlichkeit und die Fähigkeit, einer Frau echte Aufmerksamkeit und ein respektvolles Gegenüber zu schenken. Nur wer diese Eigenschaften mitbringt, hat überhaupt eine Chance, in diesem besonderen Beruf erfolgreich zu sein.

Welche Anforderungen stellen Sie an einen Bewerber?

Ein Bewerber sollte bestenfalls mindestens 26 Jahre alt und mindestens 1,77 m groß sein. Besonders gefragt sind Herren im Alter von 35 bis 55 Jahren, die ein überdurchschnittlich attraktives, sportliches und gepflegtes Erscheinungsbild haben und zudem über eine erstklassige Garderobe verfügen.

Aber Äußerlichkeiten allein genügen nicht. Unsere Klientinnen erwarten charismatische Persönlichkeiten, die gebildet, selbstbewusst, hochkommunikativ und zugleich hervorragende Zuhörer sind. Männer, die sich für Kultur, Reisen und das aktuelle Zeitgeschehen interessieren, die Empathie zeigen, Humor besitzen und die Fähigkeit haben, sich in Frauen hineinzuversetzen. Ebenso wichtig sind Diskretion, Zuverlässigkeit und beste Umgangsformen. Vor allem muss er verstehen, die Wünsche der Frau in den Vordergrund zu stellen.

Viele [Bewerber] unterschätzen die Anforderungen und stellen sich selbst als eine Art „Supermann“ dar, der die Welt retten soll und auf den alle Frauen angeblich gewartet haben.
Marcus Karrenberg über Bewerber bei seinem Male Escort Service

Sobald die Bewerber in die engere Auswahl kommen, lerne ich sie persönlich kennen und fühle ihnen auf den Zahn. Da höre ich auch auf meine Erfahrung und Intuition.

Es handelt sich bei unseren Begleitherren um Männer mit ganz unterschiedlichen Charakteren, Persönlichkeiten und beruflichen Hintergründen: vom Studenten über Angestellte, Führungskräfte, Models oder selbstständige Unternehmer. Viele haben ein solides berufliches Fundament.

Warum werden die Männer Begleitherren, wenn sie doch eine solide berufliche Basis haben?

Einige sehen den Escort, so wie ich, als Berufung. Und sie verdienen dann doch einiges mehr als bei ihrem gelernten Job. Ein paar Hundert Euro für zwei Stunden, das ist schon cool, wissen Sie. Wenn man einen ganzen Tag gebucht wird, noch besser. Aber Begleitherren, die nur auf das Geld aus sind, nehme ich nicht. Das reicht mir, wie bereits gesagt, nicht.

Wie verläuft so ein Escort-Date typischerweise?

Ein Date bei meinem Escort-Service beginnt lange, bevor sich beide tatsächlich treffen. Die Klientinnen suchen sich meist einen Begleitherren über die Website aus. Im Gespräch mit der Agentur – meist per Telefon – werden dann im Vorfeld alle Wünsche und Erwartungen besprochen. Gemeinsam mit dem ausgewählten Begleitherren wird der Rahmen sorgfältig geplant, von der Dauer des Treffens bis hin zu individuellen Vorlieben. 

Sehr häufig startet ein Escort-Date ganz entspannt in einem Café, einem Restaurant oder einer Hotelbar. Der weitere Verlauf hängt ganz von den persönlichen Vorstellungen ab. Diese Flexibilität macht meiner Ansicht nach den Reiz eines professionellen Escort-Services aus.

Wie unterscheidet sich Ihr Escort-Service von Prostitution?

Das ist das wohl häufigste Vorurteil gegenüber einem Escort-Service. Der zentrale Unterschied liegt bereits in der Definition: Prostitution ist klar auf den Verkauf sexueller Leistungen ausgerichtet. Beim Escort-Service steht hingegen die Begleitung und Gesellschaft im Vordergrund. Intimität kann Teil eines Treffens sein, muss es aber keinesfalls.

Wie würden Sie Ihre Klientinnen und Klienten beschreiben?

Der größte Teil unserer Kundschaft sind Frauen – und das aus den unterschiedlichsten Lebenssituationen. Dazu gehören erfolgreiche Geschäftsfrauen ebenso wie Alleinerziehende, Hausfrauen, Singles, Verwitwete oder auch verheiratete Frauen, die sich einen besonderen Abend in Begleitung wünschen. Oft steht dabei der Wunsch im Vordergrund, wieder einmal im Mittelpunkt zu stehen, schöne Gespräche zu führen und das Gefühl zu genießen, als Frau wahrgenommen zu werden. Natürlich kann auch Intimität Teil eines Escort-Dates sein, doch sie ist selten die Hauptmotivation.

Zwei Menschen sind sich zugewandt und halten dabei einen Coffee-to-Go.

Marcus Karrenberg ist ehemaliger Male Escort. Aus seiner aktiven Zeit erzählt er, dass für viele Escort-Dates echte Aufmerksamkeit und Respekt im Vordergrund stehen. (Symbolfoto)

Interessanterweise wächst zudem die Zahl der Männer, die eine männliche Begleitung ausprobieren wollen. Manche sagen, sie würden gerne wissen, wie es ist, einen anderen Mann zu berühren. Darunter sind auch Männer, die verheiratet sind. Für solche Wünsche stehen bei uns bisexuelle Begleitherren zur Verfügung oder Männer, die offen für diese Richtung sind. 

Darüber hinaus buchen uns auch Paare, die gemeinsam in einem seriösen Rahmen neue Erfahrungen machen möchten. Manche Männer sehen ihrer Frau auch gerne zu, wenn sie Sex hat. Bei Buchungen von Männern und Paaren geht es in erster Linie um neue Erfahrungen beim Sex – in einem seriösen Rahmen, in einem geschützten Raum, außerhalb der Öffentlichkeit.

Gab es spezielle Dates, die Sie inspiriert oder als Herausforderung empfunden haben?

Ja, solche Begegnungen gab es einige. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Wochenende in Wien, als mich ein Ehepaar ins Ritz-Carlton einlud. Der Ehemann, eine bekannte Persönlichkeit aus der Finanzwelt, wünschte sich, dass ich seine Frau verführe, während er dabei zusah. Für mich war das eine besondere und herausfordernde Situation. Diesen Wunsch muss man viel Respekt und Einfühlungsvermögen erfüllen.

Wir gingen spazieren, führten tiefgründige Gespräche und am Ende war es eine feste Umarmung, die für sie am wertvollsten war – etwas, das ihr in ihrer Ehe fehlte.
Marcus Karrenberg über ein Escort-Date, dass ihm im Gedächtnis geblieben ist.

Ein anderes Erlebnis war ein Hochzeitstag: Ein Mann buchte mich als Überraschungsgeschenk für seine Frau. Er hatte ebenfalls eine weibliche Begleitung für sich. Wir trafen uns im selben Hotel, allerdings in getrennten Zimmern. Weil der Ehemann im öffentlichen Leben stand, war das ein sehr aufregendes und intensives Escort-Date.

Besonders bewegt hat mich aber auch ein ganz anderes Treffen: Eine Ehefrau und Hausfrau, die lange auf das Date hin gespart hatte, buchte mich, um einfach wieder Nähe und Aufmerksamkeit zu spüren. Wir gingen spazieren, führten tiefgründige Gespräche und am Ende war es eine feste Umarmung, die für sie am wertvollsten war – etwas, das ihr in ihrer Ehe fehlte.

Wurden Sie auch schon einmal von jemandem für eine längere Zeit gebucht?

Ja, solche Anfragen gibt es tatsächlich. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Buchung über zehn Tage auf den Seychellen mit einer Dame Mitte sechzig. Wir reisten gemeinsam Business-Class, und es war für mich eine ganz besondere Erfahrung. Zehn Tage am Stück die ungeteilte Aufmerksamkeit einer Person zu haben – und ihr gleichzeitig meine volle Aufmerksamkeit zu schenken – ist eine Herausforderung, die viel Einfühlungsvermögen und Balance erfordert. Glücklicherweise war diese Zeit sehr angenehm, da meine Begleiterin rücksichtsvoll und respektvoll war. 

Sind Ihre Kundinnen also eher wohlhabend?

Viele unserer Kundinnen sind tatsächlich finanziell gut aufgestellt. Aber genauso gibt es auch Menschen, die für ein Escort-Date sparen.

Ich erinnere mich an eine alleinstehende Dame, die mich regelmäßig alle drei Monate zu einem ganz simplen Date bei Kaffee und Kuchen einlud. Es gab zwar Berührungen, aber keine Küsse oder Intimitäten. Für sie war das Gefühl von Nähe, Aufmerksamkeit und ein Stück Normalität wichtig. Genau dafür sparte sie.

Gab es Momente, in denen Sie Grenzen aufzeigen mussten?

Ja, diese Momente gibt es – und sie sind sehr wichtig. Grenzen müssen dabei nicht hart oder konfrontativ gesetzt werden, sondern lassen sich meist respektvoll kommunizieren. In den allermeisten Fällen wird das auch verstanden. 

Ohne ein Kennenlernen oder Gespräch setzte sich die Dame sofort auf meinen Schoß. So funktioniert ein Escort-Date jedoch nicht.
Marcus Karrenberg über das Aufzeigen von Grenzen im Escort-Business

Eine Anekdote kommt mir dabei ins Gedächtnis: Ich wurde einmal zu einem Hausbesuch bestellt. Ohne ein Kennenlernen oder Gespräch setzte sich die Dame sofort auf meinen Schoß. So funktioniert ein Escort-Date jedoch nicht – selbst dann nicht, wenn eine nicht unerhebliche Summe bezahlt wurde. Ich erklärte ihr das feinfühlig, doch sie war enttäuscht und verstand es nicht. Am Ende verabschiedete ich mich höflich, denn mir war klar: Ich bin mir selbst und meinen Prinzipien mehr wert als eine Situation, die auf reiner Übergriffigkeit basiert.

Wie hat ihr damaliger Escort-Service darauf reagiert?

Meine damalige Agentur hat sich dann mit ihr geeinigt. Ich glaube, sie hat nur die Hälfte zahlen müssen. Sie hat mich dann nicht mehr gebucht. Das wäre für mich aber auch nicht mehr gegangen.

Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern noch mitteilen?

Das Wichtigste, was man über den Beruf eines männlichen Escort wissen sollte, ist: Es geht in erster Linie um Menschen, nicht um Maschinen. 

Ich wünsche mir von der Gesellschaft mehr Offenheit im Umgang mit Themen wie Nähe, Sexualität und alternativen Lebensentwürfen. Frauen sollten den Mut haben, ihre eigenen Bedürfnisse zu leben. Männer nutzen solche Services ganz selbstverständlich – es ist an der Zeit, dass Frauen sich ebenso selbstverständlich diese Freiheit nehmen.