GDL-ChefWeselsky lässt sich wie ein Popstar von seinen Lokführern feiern

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Weselsky Berlin 120821

Claus Weselsky (r.) am Berliner Ostbahnhof

Berlin – Vor dem Ostbahnhof in Berlin stehen mehrere Hundert Menschen in der Sonne und warten. Sie schwenken weiße Fahnen, auf denen “Wir streiken” steht, und schwitzen in eierschalenfarbenen Plastiktrikots, auf denen das grüne Logo der Lokführergewerkschaft GDL prangt. “Wann kommt er denn?”, fragt eine Frau.

Alle warten auf Claus Weselsky, aber der kommt zu spät.

Als der Gewerkschaftsführer zehn Minuten später um die Ecke biegt, geht ein Ruck durch die Menge. Es wird gejohlt, gepfiffen und geklatscht. Wenn in der Menge nicht so viele GDL-Fahnen wehen würden, man würde denken, man sei auf einem Robbie-Williams-Konzert. Weselsky arbeitet sich händeschüttelnd durch die Menge. Bevor er zum Megafon greift, blickt er noch einmal lächelnd in die Gesichter der Streikenden.

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Weselsky bedankt sich bei ihnen dafür, dass sie in den Arbeitskampf eingetreten sind. Die Streikenden hätten dem Management der Deutschen Bahn gezeigt, “was eine Rote Karte ist”. Die Menge klatscht und johlt. Die GDL hat ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn aufgerufen, bis Freitag, 2 Uhr, zu streiken. Hintergrund ist ein Tarifkonflikt um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.

Weselsky rechnet mit weiteren Streiks

Weselsky spricht laut und deutlich, in seiner Rede spart er nicht mit Metaphern und Kampfbegriffen. Das Management der Bahn nennt er “Manager-Kaste” oder “Manager-Häuptlinge”. Er betont: “Es hat seit dem 7. Juni, seit dem die Verhandlungen gescheitert sind, kein verbessertes Angebot seitens der Bahn gegeben. Das waren alles nur Nebelkerzen”, wettert der Gewerkschaftschef.

Weselsky glaubt nicht, dass es mit dem ersten Streik getan ist. Sollte die Bahn kein verbessertes Angebot vorlegen, werde man weitere Arbeitskampfmaßnahmen starten müssen. Insbesondere die von der Bahn vorgeschlagene lange Laufzeit von 40 Monaten müsse vom Tisch. Weselsky gibt sich kämpferisch: “Herr Seiler und Herr Linde haben keine Ahnung, auf was sie sich hier eingelassen haben. Wir sind keine handzahme Hausgewerkschaft!”

Besonders stolz sei Weselsky auf die wachsenden Mitgliederzahlen. Die GDL sei in den letzten zwölf Monaten um 3000 Mitglieder angewachsen. Hinter der Gewerkschaft stünden nicht nur Lokführerinnen und Lokführer, sondern auch Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter sowie Werkstattmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. “Ja, die Lokführer haben eine große Tarifmacht. Aber wir sind solidarisch und bereit, diese für alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner einzusetzen”, verspricht Weselsky

Jubelpose und Selfies für die Lokführer

Die Gewerkschaftsarbeit bereite ihm viel Freude, sagt der Mann aus Sachsen am Ende seiner Rede. Und sie mache ihn auch stolz. “Solche Mitglieder wie euch wünsche ich allen Gewerkschaften”, ruft er seinen Mitstreitenden zu. Unter tosendem Applaus verschränkt Weselsky beide Hände ineinander und reckt sie in die Luft. Fast wie ein Popstar posiert Weselsky anschließend für Fotos und schüttelt weitere Hände.

Am Rande steht Uwe Krug und betrachtet das Treiben. Er ist extra aus dem Urlaub gekommen, um den Arbeitskampf zu unterstützen. “Bezahlter Streik sozusagen”, sagt er. Der GDL-Ortsgruppenvorsitzende für die Berliner S-Bahn ist stolz über die Entschlossenheit seiner Kolleginnen und Kollegen. Viele wären gerne schon früher in den Streik getreten, weil sich so viel Frust über das Bahn-Management angestaut habe.

Ob auch die Figur Claus Weselsky zu der Motivation der Gewerkschafter beiträgt? Krug zuckt mit den Schultern. “Jede Gruppe braucht einen Frontman, der in der Öffentlichkeit das ausspricht, was wir Gewerkschafter alle denken. Aber das ist egal, ob der Weselsky, Müller oder Krug heißt.”

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