Das „pretty privilege“Haben es schöne Menschen wirklich leichter?

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Böhmermann verschmitzt

Jan Böhmermann hat im „ZDF Magazin Royal“ den Schönheitswahn im Netz kritisiert.

  • Comedian Jan Böhmermann hat im „ZDF Magazin Royal“ den Schönheitswahn im Netz kritisiert.
  • Dabei machte er sich auch über das „pretty privilege“ lustig: Ein Phänomen, das angeblich dafür sorgt, dass schöne Menschen beliebter und erfolgreicher sind. Aber ist das wirklich so?
  • Was Studien über unseren Umgang mit attraktiven Menschen verraten.

Haben es schöne Menschen wirklich leichter im Leben? Tatsächlich konnten zahlreiche Studien zeigen: Ein attraktives Äußeres verhilft zu mehr Erfolg im Beruf und sorgt dafür, dass uns andere Menschen öfter positive Charaktereigenschaften zuschreiben. Das Phänomen wird auch als das „pretty privilege“ bezeichnet – das Privileg der Hübschen.

In der Arbeitswelt ist ein gutes Aussehen ganz allgemein von Vorteil. Schon in einer Studie aus den USA von 1994 hat sich gezeigt, dass attraktive Menschen meist ein höheres Gehalt haben. Überdurchschnittlich gut aussehende Menschen verdienten 10 bis 15 Prozent mehr als unterdurchschnittlich gut aussehende. Der Unterschied zwischen schönen und weniger schönen Menschen fiel damit der Studie zufolge ähnlich hoch aus, wie der als „Gender-Gap“ bezeichnete ungerechte Unterschied in der Bezahlung von Frauen und Männern.

Experiment: Attraktive Studierende schneiden in Jobinterviews nicht besser ab, werden aber besser bewertet

Schon bei der Jobsuche wirkt sich ein hübsches Äußeres positiv aus, wie ein Experiment von 2005 gezeigt hat. Darin sollten unterschiedlich attraktive Studierende ein simuliertes Bewerbungsverfahren durchlaufen. Sie mussten eine Aufgabe am Computer erfüllen, bei der der Erfolg objektiv messbar war und sollten Jobinterviews führen. Eine andere Gruppe sollte sich in die Rolle der möglichen Arbeitgebenden hineinversetzen und ihre Eignung und Leistung beurteilen.

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Die Auswertung des Versuchs ergab, dass gut aussehende Teilnehmende des Experiments zwar bei der Bewältigung der Aufgabe nicht besser abschnitten, ihre Leistung aber dennoch besser beurteilt wurde. Die Gruppe der Arbeitgebenden neigte dazu, attraktivere Teilnehmende zu bevorzugen, wenn sie deren Fotos sahen oder ein persönliches Gespräch mit ihnen führten.

Einen gewissen Vorteil hatten die attraktiven Bewerber und Bewerberinnen sogar dann noch, wenn nur ein telefonisches Interview geführt wurde, ohne dass ein Foto von ihnen vorlag. In der Studie wurde das darauf zurückgeführt, dass sie wegen ihrer Attraktivität mehr Selbstvertrauen hatten und daher einen besseren Eindruck machten. Die gut aussehenden Versuchsteilnehmenden hatten zudem bessere kommunikative Fähigkeiten, wodurch sie sich besser präsentieren konnten.

In der Arbeitswelt könnte sich also ein doppelter Effekt bemerkbar machen: Attraktive Menschen werden nicht nur von außen positiver wahrgenommen, sondern schätzen auch ihre eigenen Leistungen öfter als gut ein und dürften es damit in Gehaltsverhandlungen leichter haben.

Das Äußere eines Menschen kann sogar beeinflussen, ob wir ihm bei politischen Wahlen mit unserer Stimme unterstützen. So hat eine Auswertung deutscher Forschender zu den US-Wahlen zum Repräsentantenhaus in 2016 ergeben, dass attraktive Kandidaten dabei mehr Stimmen erhielten. Ob die Kandidaten als sympathisch wahrgenommen wurden, hatte hingegen keine Auswirkungen auf deren Wahlerfolg gehabt.

Studie: Gutaussehende Menschen werden für intelligenter und mental gesünder gehalten

Wir neigen offenbar nicht nur dazu, die beruflichen Leistungen schöner Menschen besser zu bewerten. Sondern wir schreiben ihnen auch positivere Persönlichkeitsmerkmale zu. In einer Auswertung mehrerer Studien wurde 1992 untersucht, welche Eigenschaften gut aussehenden Menschen zugeschrieben werden und welche Eigenschaften vielleicht wirklich öfter mit gutem Aussehen einhergehen.

Das Ergebnis war, dass gutaussehende Männer und Frauen allgemein für intelligenter, kontaktfreudiger und mental gesünder gehalten werden, außerdem werden ihnen mehr Durchsetzungsstärke und mehr soziale Kompetenz zugeschrieben als unattraktiven Menschen. Richtig zu sein scheint aber nur, dass attraktive Menschen weniger zu sozialen Ängsten neigen und tendenziell mehr soziale Kompetenz haben. Dies passt zum Ergebnis des Bewerbungsexperiments, in welchem die attraktiven Teilnehmenden bessere kommunikative Fähigkeiten hatten – was womöglich die Folge ihres höheren Selbstbewusstseins war.

Gutes Aussehen in manchen Bereichen der Arbeitswelt laut Studie auch von Nachteil

Unbewusst neigen wir auch dazu, Menschen mit einem ansprechenderen Äußeren mehr zu vertrauen. Einer Studie zufolge, die 2021 im British Journal of Psychology veröffentlicht wurde, gilt das selbst dann noch, wenn sich das nachteilig für uns auswirkt. So sollten Teilnehmende eines Versuchs Geschäfte mit fiktiven Finanzpartnern und Finanzpartnerinnen machen. Die Teilnehmenden ließen sich dabei bevorzugt auf einen Handel mit attraktiven Geschäftspartnern und Geschäftspartnerinnen ein. Und zwar selbst dann, wenn diese sie offensichtlich schlechter berieten als diejenigen, die nicht so gut aussahen.

Es gibt allerdings auch Bereiche der Arbeitswelt, in denen gutes Aussehen von Nachteil sein könnte, das legt das Ergebnis einer Studie nahe, die 2017 veröffentlicht wurde. Teilnehmende in der Rolle von Arbeitgebenden neigten in dieser Untersuchung dazu, einen Job eher an unattraktive Bewerber und Bewerberinnen zu vergeben. Allerdings nur dann, wenn es um wenig erstrebenswerte Tätigkeiten ging.

Die Erklärung der Studienautoren und -autorinnen: Sie hatten deshalb so entschieden, weil sie glaubten, dass schöne Menschen angenehmere Tätigkeiten gewohnt waren und deshalb eher unzufrieden mit einer solchen Tätigkeit wären.

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