Gehäufte Fehltritte bei PolitikernFrüher gab es mehr Verantwortungsgefühl

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Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hinter einem Namensschild mit Doktortitel

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hinter einem Namensschild mit Doktortitel

  • Mittlerweile scheint es, dass jeder Spitzenpolitiker bei fast jeder x-beliebigen Verfehlung bleiben kann, wenn er oder sie nur genug Chuzpe hat und den Rückhalt der eigenen Reihen nicht verliert.
  • Ein Kommentar.

Berlin – Was am 27. August 1992 in Thüringen geschah, weiß wohl niemand mehr, mit Ausnahme des Betroffenen. Damals nahm der Landessozialminister von der CDU seinen Hut, weil er beim Diebstahl eines Pornomagazins und eines Hundeshampoos ertappt worden war. Das ist unglaublich – wegen des Pornomagazins und des Hundeshampoos und weil derlei heute nicht mehr passieren würde.

Früher hatten wir eine politische Kultur, in der auch lässliche Sünden mit dem Verlust des Amtes bestraft wurden – oder Politiker Verantwortung wirklich übernahmen und nicht bloß so taten als ob. So trat Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) 1993 zurück, nachdem bei der versuchten Festnahme des RAF-Terroristen Wolfgang Grams ein GSG9-Beamter ums Leben gekommen war und Grams sich selbst erschoss.

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Heute amtiert Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach wie vor, obwohl seine Tricksereien bei der Pkw-Maut ebenso hinlänglich bekannt sind wie jene beim neuen Bußgeldkatalog. In Bund und Land regt sich kaum Unmut, obwohl Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) soeben einräumen musste, eine Waffe bei einem Mann gekauft zu haben, der des Rechtsextremismus verdächtigt ist. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) will im Kabinett verharren, obwohl ihre Doktorarbeit auf 266 Seiten 27 Täuschungen aufweist.

Nicht immer ist ein Rücktritt zwingend. Ohnehin wird das Reservoir, aus dem sich Spitzenpolitiker schöpfen lassen, kleiner – weil die Zahl der Mitglieder in Parteien kleiner wird und der Hass, der bereits Kommunalpolitikern entgegen schlägt, immens sein kann. Mittlerweile ist es aber so, dass jeder Spitzenpolitiker bei fast jeder x-beliebigen Verfehlung bleiben kann, wenn er oder sie nur genug Chuzpe hat und den Rückhalt der eigenen Reihen nicht verliert. Das schadet der Demokratie.

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