Höherer LeitzinsDiese sechs Fakten sollten Anleger jetzt kennen

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Das große Euro-Symbol vor der ehemaligen Zentrale der Europäischen Zentralbank.

  • Mit der erwarteten Anhebung des Leitzinses nach elf Jahren greift die Europäische Zentralbank tief in unser aller Leben ein. Die Folgen sind weitreichend.
  • Zwar besteht endlich wieder die Aussicht auf Guthabenzinsen bei der Geldanlage auf Sparkonten. Zugleich verteuern sich aber auch Kredite und Darlehen in einem lange Zeit nicht gekannten Ausmaß.
  • Das trifft viele Menschen hart angesichts ohnehin schon steigender Kosten für Heizung, Strom und Lebensmittel.

Jetzt kommt die Wende. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angesichts der Rekordinflation erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum erhöht. Und das unerwartet deutlich: Der Leitzins steigt von null auf 0,50 Prozent, der Negativzins von minus 0,50 Prozent für geparkte Gelder von Geschäftsbanken entfällt, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf Verbraucherinnen und Verbraucher. Im September will sie dann sogar noch einmal nachlagen.

Dabei ist sowohl mit sehr wünschenswerten Folgen zu rechnen als auch mit solchen, auf die wir gern verzichten könnten. Allerdings sind höhere Zinsen grundsätzlich gar nicht schlecht, sondern beim Rückblick in die Geschichte sogar normal. Wir haben uns inzwischen aber an das billige Geld gewöhnt. Das macht den Umschwung schwierig. Ein Überblick:

Verwahrentgelte fallen weg

Die unseligen Strafzinsen für höhere Bankguthaben könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Früher einmal warf Geld, das bei einer Bank liegt, Guthabenzinsen ab, der einmal eingezahlte Betrag wuchs also. Dieses Prinzip hat sich in seit ein paar Jahren umgekehrt: Wer größere Beträge auf einem Konto liegen hat, muss dafür ein sogenanntes Verwahrentgelt zahlen; das Guthaben schrumpft. Mit diesem Entgelt halten sich die Banken schadlos, die das Geld ihrer Kundschaft einfach bei der EZB parken – und dort dafür selbst derzeit noch 0,5 Prozent Strafzinsen zahlen müssen.

Die EZB möchte nicht, dass das Geld auf Konten verschmort, sondern wollte eigentlich mit dem Negativzins einen Anreiz für Banken schaffen, die Summen wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Gelungen ist das nicht im erhofften Maß. Wenn die EZB nun das Zinsniveau insgesamt anhebt und selbst ihre Strafzinsen senkt, profitieren davon auch private Anlegerinnen und Anleger. „Geschäftsbanken müssen geringere Negativzinsen auf ihr Guthaben bei der EZB zahlen“, erläutert Christian Nau vom Vergleichsportal Check24. „Somit sinkt der Druck, diese Kosten weiterzugeben.“

Mindestens 49 Geldhäuser haben das Verwahrentgelt für ihre private Kundschaft bereits ganz oder wenigstens teilweise abgeschafft. Das berichtet das Vergleichsportal Verivox nach einer Auswertung bei rund 1300 Banken und Sparkassen. Allerdings verlangen laut Verivox noch immer mindestens 426 Kreditinstitute Negativzinsen ab bestimmten Summen. „Sobald die Notenbank den Strafzins auf Bankeinlagen streicht, werden auch die Negativzinsen für Sparer auf breiter Front wegfallen“, erwartet Oliver Maier von Verivox. „Ein Zinsphänomen geht zu Ende.“

Tages- und Festgeldkonten kommen wieder

Mit dem erwarteten Wegfall der Strafzinsen werden auch Konten für Tagesgeld und Festgeld aus Sicht der Sparerinnen und Sparer wieder interessanter. Eine Zinsanhebung der EZB gibt Banken und Sparkassen zudem den nötigen Spielraum, um ihrerseits Guthabenzinsen anzubieten. „Klassische Geldanlagen wie Tagesgeld- oder Festgeldkonten werden im Zuge der Zinswende attraktiver werden“, erwartet auch Moritz Felde von Check24.

Erste Banken hätten bereits Zinsen bei kurzen, aber auch bei mittleren Laufzeiten erhöht. Felde rechnet damit, dass sich dieser Trend im Jahresverlauf fortsetzt und möglicherweise auch beschleunigt. „Zweieinhalb Prozent und mehr Zinsen für ein zweijähriges Festgeld könnten bald wieder möglich sein.“ Derzeit gibt es bei den besten Anbietern rund 1,7 Prozent bei einer Laufzeit von zwei Jahren. Bei einer Inflationsrate von zuletzt 7,6 Prozent fällt die Bilanz unterm Strich vorerst weiter ernüchternd aus.

Wer jetzt sein Geld für einen zu langen Zeitraum festlegt, hat aber womöglich das Nachsehen, wenn die Zinsen schneller steigen. Felde rät Anlegenden deshalb zu einer Treppenstrategie: Das Sparvermögen sollte dabei nicht auf einem einzigen Festgeldkonto liegen, sondern könnte auf verschiedene Konten mit unterschiedlichen Laufzeiten aufgeteilt werden. „Flexibilität ist gerade jetzt wichtig“, betont Roland Stecher, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Man dürfe nicht das ganze Vermögen in langfristige Anlagen stecken.

Kontoüberziehung wird teurer

Neben diesen positiven Auswirkungen der Zinswende müssen sich die Menschen aber auch auf unliebsame Folgen einstellen. Zu der sich anbahnenden Rückkehr des Bankwesens in altbekannte Zeiten gehören auch wieder höhere Dispo- und Überziehungszinsen auf dem Girokonto. Das könnte gerade in Zeiten, in denen vieles teurer wird, für unangenehme Überraschungen sorgen. „Auch die Dispozinsen werden durch die Zinswende steigen, weil sich die Banken am EZB-Leitzins orientieren“, sagt Christian Nau von Check24.

Laut der Zeitschrift „Finanztest“ liegt der durchschnittliche Zins eines Dispokredits derzeit bei 9,43 Prozent. Das ist zwar im Vergleich zu früheren Zeiten, als die Geldhäuser nicht selten 16 Prozent forderten, wenig. Der Geldratgeber „Finanztip“ macht aber eine andere Rechnung auf: Der maßgebende Vergleichszinssatz, zu dem sich Banken Geld leihen können, der Drei-Monats-Euribor, liege noch immer unter null. Da wäre also auch bisher grundsätzlich schon mehr Spielraum nach unten gewesen. Doch das ändert sich nach dem neuen Kurs, den die EZB nun einschlägt. „Der Durchschnittszins eines Dispos könnte bis zum Jahresende bei deutlich mehr Instituten zweistellig werden“, erwartet Check24-Experte Nau.

Höhere Zinsen für Ratenkredite

Wer ständig sein Konto überziehen muss, sollte über einen Ratenkredit nachdenken. Dort sind die Kreditzinsen immer deutlich niedriger als auf dem Girokonto. Daran wird sich auch künftig nichts ändern, obwohl Ratenkredite im Zuge der Zinswende der EZB kräftig teurer werden. Diese Entwicklung ist bereits im Gang. „Zinsen für Ratenkredite sind seit Beginn des Jahres um 20 Prozent gestiegen“, sagt Stefan Eckhardt von Check24. „Die Zinswende läutet das vorläufige Ende der historisch niedrigen Kreditzinsen ein.“

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Laut Stiftung Warentest liegt bei Verbraucherkrediten die Schwankungsbreite bei den Zinsen derzeit zwischen 1,89 und 6,70 Prozent. Wer größere Anschaffungen für die kommenden Monate plant, sollte überlegen, sich die jetzt noch vergleichsweise günstigen Kreditzinsen zu sichern. „Für den weiteren Jahresverlauf erwarten wir einen Anstieg der durchschnittlichen Effektivzinssätze in Richtung der 5-Prozent-Marke“, sagt Eckhardt. Nur aus Sorge vor steigenden Zinsen sollten man aber keine unnötigen Finanzierungen tätigen, rät er. „Wir sehen heute schon, dass die Zinsunterschiede der Banken noch größer werden.“

Viele Baufinanzierungen wackeln

Die Bauzinsen für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung übersteigen inzwischen fast überall schon die 3-Prozent-Marke. Das ging rasend schnell: Anfang des Jahres lag der Durchschnittszins noch 0,8 Prozent, berichtet Ingo Foitzik von Check24. Ein Beispiel der Zeitschrift „Finanztest“ macht klar, was das für angehende Immobilienbesitzende bedeuten kann: Ein Haus, das Anfang vergangenen Jahres noch für 400 000 Euro zu haben war, kostet inzwischen 460 000 Euro. Mit den 10-prozentigen Kaufnebenkosten klettert der Betrag schon auf 506 000 Euro.

Verfügt man über 100 000 Euro Eigenkapital, muss man einen Kredit über 406 000 Euro aufnehmen – 66 000 Euro mehr als im Vorjahr. Zudem ist das Darlehen bei 15-jähriger Zinsbindung nicht mehr mit 1,1 Prozent, sondern mit 3,5 Prozent Zinsen pro Jahr zu bekommen. Wer 30 Jahre später schuldenfrei sein will, muss laut „Finanztest“ jeden Monat 1820 Euro an die Bank überweisen. Das sind gut 710 Euro oder 64 Prozent mehr, als Anfang 2021 für die Finanzierung des Hauses nötig gewesen wären, rechnet „Finanztest“ vor.

Wie geht es bei den Bauzinsen weiter?

„Mit dieser Geschwindigkeit ist ein Anstieg auf 4 Prozent bis zum Spätsommer möglich“, sagt Check24-Experte Foitzik. „Allerdings sehen wir nach dem steilen Anstieg im Juni aktuell leichte Zinssenkungen der Banken.“ Das hat auch die Verbraucherzentrale Bremen beobachtet. Deren Finanzexperte Stecher spricht ohnehin von „moderaten Steigerungen“ der Bauzinsen, die lange Zeit auch schon bei 8 Prozent gelegen hätten. Eine Rückkehr in diese Regionen sei aber nicht absehbar. Das Problem sei eher, dass man neben der Finanzierung auch die steigenden Lebenshaltungskosten im Blick behalten müsse. Und die künftigen höheren Nebenkosten der Immobilie. Es sei gut, einen größeren Puffer einzuplanen. Stecher erwartet eine Inflationsrate von 10 bis 15 Prozent im kommenden Jahr.

In jedem Fall wird sich die durchschnittliche Baufinanzierung bis Ende dieses Jahres laut Check24-Experte Foitzik um einige Tausend Euro innerhalb der Laufzeit verteuern. Sein Tipp: Man könne Angebote für sogenannte Forward-Darlehen prüfen, um sich die heutigen Zinsen für die Zukunft zu sichern.

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