Kommentar zu den Protesten in den USADonald Trump mobilisiert seine rechte Basis

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Donald Trump 010520

US-Präsident Donald Trump

  • Der Protest bewaffneter Corona-Wutbürger im Parlament des US-Bundesstaates Michigan wurde vom US-Präsidenten persönlich angestachelt.
  • Angesichts schlechter Wahlumfragen mobilisiert Donald Trump seine rechte Basis. Die Randalierer nennt er „gute Leute“.
  • Das weckt böse Vorahnungen für die Präsidentschaftswahl im November, kommentiert unser Autor.

Washington – Die Bilder wecken ungute Erinnerungen. Demonstranten in Militär-Kleidung, Hakenkreuze auf Plakaten und halbautomatische Waffen über einigen Schultern. So hatte es im idyllischen Universitätsstädchen Charlottesville ausgesehen, als Rechtsradikale und weiße Nationalisten im Sommer 2017 gegen die Entfernung eines Konföderierten-Denkmals aufmarschieren.

In Michigans Hauptstadt Lansing war die Gruppe kleiner, die am Donnerstag gegen die Corona-Restriktionen demonstrierte. Auch wurde niemand verletzt. Doch drangen die schwerbewaffneten Wutbürger ins Parlamentsgebäude ein. Die Polizei konnte sie vor dem Plenarsaal stoppen.

Es waren – damals und heute – die Geister, die Trump rief.

Donald Trump stachelt seine Basis an

In Charlottesville hatte er den Kulturkampf um die Ehrung weißer Rassisten-Generale befeuert. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie, die in den USA mehr als 60.000 Menschen das Leben gekostet hat, stachelt er nun den Ärger seiner Basis über die von seinen eigenen Experten empfohlenen Verhaltensregeln und Restriktionen an.

„Liberate Michigan“ (Befreit Michigan!), hatte er vor zwei Wochen getwittert. Seither ist die Stimmung in dem Bundesstaat, den Trump 2016 mit einer denkbar knappen Mehrheit von 10.000 Stimmen gewann, vergiftet.

Proteste in Michigan

Immer mehr Amerikaner gehen bewaffnet auf die Straße und protestieren gegen die Corona-Gesetze.

Mehrere tausend Staatsverächter, Verschwörungstheoretiker und Tea-Party-Rechten waren in Lansing schon vor zwei Wochen aufmarschiert. Am Donnerstag drangen nun ein paar hundert Protestler ins Kapitol ein, wo der Senat und das Abgeordnetenhaus über eine Verlängerung des Lockdowns berieten. Natürlich trugen sie keinen Mundschutz und hielten nicht Abstand, obwohl in Michigan mit der Industriestadt Detroit das Coronavirus wütet wie nur an wenigen anderen Orten der USA.

Die Plakate, auf denen die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer mit Hakenkreuz und Hitlerbärtchen gezeigt wurde, musste sie ebenso wie den symbolischen Galgen draußen lassen. Die halbautomatischen Gewehre nahmen sie mit. Die absurden Waffengesetze in vielen Bundesstaaten der USA erlauben das.

Donald Trump kennt keine Grenzen

Vielen Amerikanern läuft bei solchen Bildern trotzdem ein Schauer über den Rücken. Und sie fragen, was wohl ein paar schwarzen Bürgern passieren würde, die den Staat ähnlich provozieren. Bei den Corona-Wutbürgern dauerte es nicht lange, bis sie von höchster Stelle gelobt wurden.

„Das sind sehr gute Leute”, twitterte Trump am Freitag, „aber sie sind verärgert.” Ganz ähnlich hatte er nach dem Aufruhr von Charlottesville reagiert, bei dem eine linke Gegendemonstrantin getötet wurde: „Es gibt gute Leute auf beiden Seiten”, hatte er damals gesagt. Wenn es um die Mobilisierung seiner Basis geht, kennt der Populist im Weißen Haus eben keine Grenzen. Die Umfragen im wichtigen Swing-State Michigan sehen ihn derzeit klar hinter dem demokratischen Herausforderer Joe Biden. Also zieht Trump alle Register.

Seit Wochen giftet er gegen Gouverneurin Whitmer, die seine Anhänger zur „Tyrannin” verzerren. „Diese Frau” nennt sie Trump nur verächtlich.

Die Mehrheit der Bürger unterstützt die Gouverneurin

Tatsächlich wollte Whitmer angesichts von 3800 Toten in dem Zehn-Millionen-Bundesstaat die Stay-at-Home-Anordnung und den Lockdown vieler Geschäfte verlängern. „Besser sechs Fuß Abstand als sechs Fuß unter der Erde”, lautet ihr Slogan.

Proteste Michigan II

Amerikaner protestieren in Michigan gegen die Corona-Gesetze.

Offenbar sieht das die Mehrheit der Bevölkerung ähnlich. In einer aktuellen Umfrage der Hardvard-Universität unterstützen 63 Prozent der Bürger von Michigan Whitmers Kurs. Nur 36 Prozent stimmen Trump in der Sache zu. Trotzdem lehnte das republikanische Parlament am Donnerstag die Aufrechterhaltung der Restriktionen ab. Whitmer setzte sich mit einer Notstandsverordnung darüber hinweg und verlängerte die Restriktionen bis zum 28. Mai.

Das bizarre Demokratieverständnis des Präsidenten

Doch damit will sich Trump offensichtlich nicht zufriedengeben. Die Demonstranten wollten einfach ihr Leben zurück, stichelte er am Freitag bei Twitter weiter. Whitmer müsse ihnen entgegenkommen: „Treffen Sie sich mit ihnen, reden sie, machen Sie einen Deal!”

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Einen Deal mit einigen hundert Randalierern, die Angst und Schrecken verbreiten und ihre Umwelt (wie auch die Polizisten) durch die Missachtung aller Abstandsregeln in gesundheitliche Gefahr bringen? Die Forderung zeigt das bizarre Demokratieverständnis des Möchte-gern-Autokraten im Weißen Haus.

Der Aufmarsch des Mobs vor den Parlamenten auch in anderen Bundesstaaten der USA aber weckt nicht nur böse Erinnerungen. Er nährt auch düstere Vorahnungen für den Fall einer inzwischen gar nicht mehr so unwahrscheinlichen Wahlniederlage Trumps im November. (rnd)

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