Kommentar zu Kanada-ReiseScholz verschafft sich Ruhe mit fröhlichem Freundesbesuch

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Bundeskanzler Olaf Scholz (2.v.r, SPD) wird in Toronto von Justin Trudeau (2.v.l), Premierminister von Kanada, zum Abendessen empfangen. 

Eine Lektion hat Deutschland seit dem 24. Februar, dem Tag des Überfalls Russlands auf die Ukraine, gelernt: Mache dich nie von einem Rohstofflieferanten abhängig, schon mal gar nicht von einem Autokraten. Die ungewöhnlich aufwändige Reise von Kanzler Scholz nach Kanada ist der Versuch, die Zeitenwende auch in der Energieversorgung auszubuchstabieren: saubere Energie aus lupenreiner Demokratie. Die Hoffnung: Über die nächsten Winter soll uns auch LNG-Gas aus Kanada helfen.

In drei bis vier Jahren könnten dann die ersten Wasserstofflieferungen anlanden. Beim Gas sieht es allerdings nicht so gut aus. Für Kanada ist es viel zu aufwändig, das Gut bis nach Deutschland zu liefern. Was den Wasserstoff betrifft, ist die Aufbruchstimmung in der Wirtschaft immerhin genauso hoch, wie es die Hürden für die Energieversorgung mit der neuen Technologie sind.

Scholz denkt über den Tag hinaus

Dass Scholz diesen Schritt dennoch beherzt geht, ist nur zu begrüßen. Viel zu oft beschäftigt sich Politik in Krisenzeiten nur damit, die dringendsten aktuellen Probleme zu lösen. In einer solchen Zeit auch über den Tag hinauszudenken und Projekte anzuschieben, die gewiss auch Rückschläge mit sich bringen werden, braucht Mut.

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Bei dem Besuch geht es um mehr als um Energiesicherung und ein gutes Geschäft mit Zukunftstechnologien. Kanada ist mit seiner gefestigten liberalen Demokratie ein besonderer Partner, wenn man von Deutschland aus auf die anstrengenden Einigungsprozesse in der EU schaut, auf die vielen Demokratien, die durch rechtspopulistische Bewegungen unter Druck stehen, und auf die vielen Autokratien und Diktaturen, mit denen man sonst Geschäfte macht.

Da liegt über dem Besuch beim kanadischen Regierungschef, mit dem der deutsche Kanzler ungezwungen in dessen Lieblingslokal in Montreal einkehrt, trotz der unendlich vielen globalen Probleme auch Leichtigkeit.

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Bei aller Anstrengung, die solche Reisen bergen, ist der Trip für den Kanzler auch persönlich eine wohltuende Abwechslung. Sein kanadischer Amtskollege Trudeau, den Scholz als „Freund“ bezeichnet, meint, die Welt brauche mehr solcher fortschrittlichen Führer wie Scholz.

In Deutschland sagt das gerade niemand, insbesondere nach der verpatzten Pressekonferenz mit Palästinenser-Präsident Abbas, der unfruchtbaren Debatte in der Ampel um das dritte Entlastungspaket und seinem fast schon aggressiven Schweigen im Untersuchungsausschuss zum Cum-ex-Skandal.

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