Russland-AlternativeWie Kanada die deutsche Energiewende beschleunigen soll

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gibt eine Pressekonferenz in Montreal

Montréal – Der Ukraine-Krieg ist der ständige Begleiter auf der Reise von Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck in Kanada. Die gedrosselten Gas-Lieferungen aus Russland sorgen aber auch für Aubruch-Stimmung: Aufbruch für grünen Wasserstoff und neue Technologien

Die finanzielle Unterstützung der Ukraine und die Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland soll fortgeführt werden. „Wir beschäftigen uns auch mit dem Wiederaufbau“, bekräftigt Bundeskanzler Olaf Scholz während seiner Kanada-Reise. Premierminister Justin Trudeau, der mit Scholz zwei Tage durch das Land reist, ging noch einen Schritt weiter und sagte, dass Kanada so lange wie nötig, auch mit Waffen unterstützt werde.

Russland und sein Angriffskrieg gegen die Ukraine, der am 24. August auf den Tag genau ein halbes Jahr dauert, ist die Folie, vor der Scholz Besuch stattfindet – auch wenn im Zentrum der Gespräche und Termine die künftige Energiesicherheit der beiden Länder steht.

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Kanada soll deutsche Industrie langfristig mit Wasserstoff versorgen

Es ist ungewöhnlich, dass ein deutscher Regierungschef nur nach Kanada reist, ohne vorher einen Besuch in Washington zu absolvieren. Noch ungewöhnlicher ist, dass er sich dafür fast drei Tage Zeit nimmt, seinen Vize und Wirtschaftsminister an Bord holt und auch gleich die Spitzen der deutschen Industrie mitbringt.

Langfristig soll die deutsche Industrie durch in Kanada produzierten grünen Wasserstoff versorgt werden. Kurzfristig war die Hoffnung der deutschen Seite, dass über die LNG-Terminals, die in Deutschland gerade aus dem Boden gestampft werden, in den nächsten Wintern auch kanadisches Gas geliefert werden könnte. Da zeigt sich Trudeau aber zurückhaltend. Innenpolitisch gibt es Widerstand, das Gas quer durch Kanada zu transportieren und dann nach Europa zu verschiffen. „Wir beliefern den Weltmarkt, auf dem sich auch Deutschland bedienen kann“, sagt er nur. Er lässt offen, ob bei einer weiteren Zuspitzung der Energieversorgung in Europa, Kanada diesen Schritt doch geht.

„Ähnliche Bodenschätze, aber verlässliche Demokratie“

Scholz und Trudeau treffen sich am Montag im Montréal Science Center, danach geht es noch zu einem Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, das eng mit der Industrie kooperiert, um seine Erkenntnisse direkt nutzbar zu machen zum Beispiel in der Klima- und Gesundheitstechnologie. Der Ort ist ein weiteres Zeichen für die Botschaft, die der Kanzler mit dieser Reise setzen will: Deutschland und Kanada sehen in den Zukunftstechnologien ihre gemeinsame Basis und Deutschland will sich von den Autokratien und Diktaturen ökonomisch unabhängiger machen.

Kanada soll bei der Zeitenwende in der Energieversorgung helfen. Der Kanzler drückt das mit Blick auf Kanada so aus: „Das Land verfügt über ähnliche reiche Bodenschätze wie Russland – mit dem Unterschied, dass es eine verlässliche Demokratie ist.“ Dem Kanzler wiederum tut es sichtlich gut, dass Trudeau zur Eröffnung der PK sagt, es brauche mehr fortschrittliche Führer in der Welt wie Scholz.

Der Dienstag in der Millionen-Metropole Toronto wird im Zeichen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit stehen, bevor der Kanzler und sein Vize nach Neufundland in die Kleinstadt Stephensville weiterreisen, wo sich die große Reisegruppe erkundigen will, wie und wo genau der grüne Wasserstoff produziert wird.

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Wasserstoff soll unter anderem für die Stahlindustrie die Energie der Zukunft werden. Auch andere Industriezweige mit hohem Energieverbrauch stehen bereit, binnen zwei Jahren ihre Anlagen auf Wasserstoff umzustellen. Die LNG-Terminals, die Deutschland heute für Gas bauen lässt, um sich von Russland unabhängig zu machen, sollen bei Bedarf auch für Wasserstoff genutzt werden.

Großes wirtschaftliches Interesse

Das Interesse der Wirtschaft ist sehr groß: In Toronto wollen die Chefs von Volkswagen und Mercedes-Benz mit dem Unterzeichnen von Absichtserklärungen ihr Geschäft ausbauen. Mit dabei ist unter anderen auch der Chef des durch die weltweit hohen Gaspreise in Schwierigkeiten gekommenen Konzern Uniper, der schon 15 Milliarden Euro an staatlicher Unterstützung erhalten hat und nun durch die Umlage auch von den Gaskunden gestützt werden muss.

BDI-Chef Siegfried Rußwurm ist mit an Bord. Ebenso Vertreter der Chemie- und Werkzeugindustrie. Auch die K&S AG ist dabei. Sie will ihr Geschäft beim Abbau von Kali – ein Mineral, das zum Düngen genutzt wird – ausbauen.

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