Kommentar zum FeuerwerkViel spricht für ein Böller-Verbot – warum es dennoch nicht kommt

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Die Reste vom Silvester-Feuerwerk liegen mancherorts wochenlang auf den Straßen herum.

DieReste vom Silvester-Feuerwerk liegen mancherorts wochenlang auf denStraßen herum.

Alles, was Spaß macht, wird verboten – darauf lässt sich die Sorge der Böller-Fanatiker und Freiheitsverteidiger reduzieren. Warum das großer Unfug ist.

Man könnte die Uhr danach stellen. Spätestens, wenn in deutschen Großstadtvierteln Teenager-Hände verfrüht die ersten Knallkörper zünden, flammt auch die Böllerverbotsdebatte wieder auf. Die eine Seite schlägt Alarm und warnt vor verletzten Menschen und verängstigten Tieren. Die andere Seite will unterdessen die Freude am Knallen und oft auch die pyrotechnische Freiheit des Abendlandes verteidigen.

Böllerverbot: Rational spricht viel dafür und wenig dagegen

Ganz rational betrachtet spricht vieles für ein Verbot privaten Feuerwerks und wenig dagegen. In den vergangenen zwei Jahren, in denen das Böllern und Feuerwerken aus pandemiepolitischen Gründen bundesweit untersagt wurde, registrierten die Krankenhäuser deutlich weniger Schwerverletzte durch Feuerwerk. Auch die Augenärzte zählten in der Silvesterzeit dieser beiden Jahre deutlich weniger Augenverletzungen als in den Jahren zuvor. Die Lobbyverbände der Feuerwerksindustrie beharren trotzdem darauf, schwere Verletzungen seien durch in Deutschland zugelassenes Feuerwerk praktisch ausgeschlossen. Rituale eben.

Es ist zweifellos richtig, dass übermäßiger Alkoholkonsum in der Silvesternacht einen größeren Anteil an der Auslastung der Notaufnahmen ausmacht. Doch Raketen und Böller bergen immer auch die Gefahr, Unbeteiligte zu verletzen. Das kann jeder nachvollziehen, der schonmal in einer Menschenmenge stand, in die ein Böller hineingeworfen wurde. Die auch im dritten Pandemiejahr angesichts von Personalengpässen und Krankheitswellen hohe Belastung der Krankenhäuser liefert den Feuerwerks-Gegnern zusätzliche Argumente.

Die Mehrheit der Deutschen ist für ein Böller- und Feuerwerksverbot

Dass Feuerwerkskörper für große Mengen an vermeidbarem Müll in Städten und Natur sorgen, kommt erschwerend hinzu. Aus diesen und einigen weiteren Gründen ist laut Umfragen auch eine knappe Mehrheit der Deutschen für ein Böller- und Feuerwerksverbot.

Ob ein umfassendes Verbot der richtige Weg ist oder nicht doch nur den Schwarzmarkt anheizt, darüber ließe sich trefflich und lange streiten - wenn es denn um die Sache ginge. Doch die alljährliche Debatte dreht sich oft nur vordergründig ums Feuerwerk. Vielen, die sich mit besonders großer Leidenschaft gegen ein Verbot stellen, geht es um mehr.

Böllern ist zur Metapher für die Freiheit geworden

Das Böllern ist längst zu einer Metapher der Freiheit geworden, zum Symbol eines Kulturkampfes, dem auch ein allgemeines Tempolimit auf der Autobahn als autoritärer Übergriff auf das Individuum gilt. Alles, was Spaß macht, wird verboten - darauf lässt sich die Sorge der vermeintlichen Freiheitsverteidiger reduzieren.

Ihr Freiheitsbegriff ist jedoch ein äußerst beschränkter. Deutschland würde nicht automatisch zu einer illiberaleren Gesellschaft, würde privates Feuerwerk aus vernünftigen Gründen verboten. Es würde vielen immer wieder aufkeimenden Debatten – nicht nur jener um ein Böllerverbot – deshalb guttun, wenn sie mit weniger kulturkämpferischem Eifer geführt würden.

In diesem Jahr wird an Silvester wieder geböllert werden – ganz legal und mit den bekannten Folgen. Ob das im nächsten Jahr auch noch so sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Klar ist aber: Die Debatte wird wiederkommen.

Und auch wenn bis dahin noch einige Monate vergehen dürften – Debattenentzugserscheinungen werden sich so schnell nicht einstellen. Denn spätestens zum Frühlingsanfang im März geht die alljährliche Diskussion um das gesetzliche Tanzverbot an Karfreitag wieder los. Traditionen und Rituale verschönern nicht die Zeit um Weihnachten und Silvester.

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