Nach ExplosionMilitärexperte erwartet weiteren Angriff der Ukraine auf Krim-Brücke

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Ausgebrannte Waggons auf der beschädigten Krim-Brücke am 8. Oktober.

Mehr als eine Woche nach der Explosion der Kertsch-Brücke zwischen Russland und der Krim rollen nun auch wieder Lastwagen über die Verbindung. Die Fahrzeuge sollen allerdings vor der Überfahrt kontrolliert werden, wie der Vizeregierungschef Marat Chusnullin erklärte. Am 8. Oktober hatte eine Detonation die symbolisch bedeutende und strategisch wichtige Brücke erschüttert. Ein Teil der Fahrbahn stürzte ein, doch noch am selben Abend nahm Russland den Bahn- und Pkw-Verkehr wieder auf. Der Kreml warf dem ukrainischen Geheimdienst vor, einen Anschlag mit einer Lastwagenbombe verübt zu haben. Kiew bestätigte die Vorwürfe nicht.

„Ich gehe davon aus, dass die Ukraine einen zweiten Versuch unternehmen wird, die Krim-Brücke zu zerstören“, sagt der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Denn für Kiew ist die Brücke ein militärstrategisches Ziel. Mit Zügen und Lkw bringt Russland große Teile des Nachschubs zu den russischen Truppen auf die Krim und in die Südukraine.

Versorgung russischer Streitkräfte per Bahn über Krim-Brücke

„Die Krim-Brücke hat einen hohen logistischen Wert“, bestätigt auch Oberst Andreas Schreiber von der Führungsakademie der Bundeswehr. Der Großteil der Versorgung der russischen Streitkräfte im Süden werde mit der Bahn über die Krim-Brücke abgewickelt. Eine weitere Bahnlinie verläuft zwar auch über die von Russland annektierten Gebiete, liegt aber laut Schreiber „im Feuerbereich der ukrainischen Artillerie“.

Bereits die Teilzerstörung der Brücke hat Russland offenbar schwer getroffen. Die Ukraine ist demnach in der Lage, tief in von Russland besetztem Gebiet präzise Angriffe zu verüben. Selbst Ziele, die äußerst gut gesichert und von Russland stark verteidigt werden, sind vor der ukrainischen Rückeroberung nicht sicher. „Die Schäden an der Brücke verlangsamen weiterhin die Lieferungen von russischem Material und Personal in die Südukraine“, analysiert der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW).

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Satellitenbilder zeigten zuletzt eine Schlange von mehr als 1000 Lastwagen auf der russischen Seite der Brücke, die tagelang darauf warteten, die Meerenge nun mit der Fähre statt über die Brücke zu überqueren. Wie aus den Satellitenbildern hervorgeht, sollen auch Militärlastwagen auf die Fähre angewiesen sein.

Explosion auf Krim-Brücke war Demütigung für Putin

Auf 8000 bis 10.000 Tonnen schätzt Oberst Schreiber Russlands Verbrauch an Munition an einem einzelnen Tag entlang der gesamten Front. „Wenn man dann eine solche Linie abschneidet oder stark reduziert, macht sich das natürlich bemerkbar.“ Vor allem wenn man bedenkt, betont Schreiber, dass die ukrainischen Streitkräfte im südlichen Cherson immer wieder die russischen Munitionsdepots „aufklären und vernichten“.

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Die Explosion auf der Krim-Brücke war für den russischen Präsidenten Wladimir Putin gleichzeitig eine nationale Demütigung. Das Symbol der imperialen Wiedereingliederung der Krim an Russland, ein äußerst teures Prestigeprojekt, war vor den Augen der Welt explodiert. Es war Putins Herzensprojekt, er selbst steuerte zur Eröffnung des Bauwerks den ersten Lkw über die Brücke.

Angriff auf Krim-Brücke: Russland antwortet mit Rache und Terror

Als Reaktion auf die Explosion an der Kertsch-Brücke hatte Moskau mit groß angelegten Raketenangriffen auf ukrainische Städte und zivile Infrastruktur begonnen. „Die Raketenangriffe sind Terrorangriffe auf die ukrainische Bevölkerung und zeugen von der puren Zerstörungswut der Russen nach dem Angriff auf die Krim-Brücke“, sagt DGAP-Experte Mölling dem RND. Einen militärischen Nutzen hatten die Angriffe nicht. Ihr einziger Zweck war Rache und Terror.

Mölling sieht die Russen heute aber vor einem neuen Dilemma: „Wenn sie den Angriff auf die Krim-Brücke als neue Offensive zur Rückeroberung der Krim interpretieren, müssen sie ihre Kräfte neu verteilen.“ Das stelle die russische Armee aber vor ein Problem, da sie immer weniger Kräfte zur Verfügung habe und die Truppen an anderen Fronten ausdünnen müsste.

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