Nach Immobilienboom in den Städten„Das Umland ist der Gewinner der Pandemie“

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Wenn die zentralen Lagen unbezahlbar werden, sind die Randbezirke wieder gefragt.

Frankfurt/Main – Nach dem Immobilienboom der vergangenen Jahre erwarten Fachleute auch 2021 steigende Mieten gerade in Ballungsräumen – allerdings unter neuen Vorzeichen: Nicht mehr auf die Zentren richte sich die Aufmerksamkeit, sondern auf die Randbezirke der großen Städte, sagen Fachleute voraus. „Die Corona-Krise verstärkt den Trend zur Wanderung ins Umland der Großstädte“, sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

So könnten die Mieten in den Speckgürteln stärker steigen als in den Metropolen, wo sie oft schon ausgereizt seien. „Das Umland zieht noch mehr Familien an, die Platz brauchen, und in den Städten dominieren kleinere Haushalte, Singles und junge Leute", sagt Voigtländer.

Auch das Hamburger Gewos-Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung erwartet mehr Wanderungen in die Regionen rund um Großstädte. „Das Umland ist der Gewinner der Pandemie", sagt Geschäftsführerin Carolin Wandzik. Auch sie rechnet damit, dass die Mieten im Umland 2021 stärker steigen als in den Großstädten selbst. „Der Abstand beim Preisniveau dürfte sinken." Auch für Investoren werde das Umland der Metropolen attraktiver.

Insgesamt sieht Gewos kein Ende der Mietanstiege in Deutschland - trotz Corona-Krise. Seit dem Frühjahr, als sich die Pandemie ausbreitete, habe es nur einen kleinen Dämpfer gegeben. Im dritten Quartal lagen die Mieten im Schnitt schon wieder um 3,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie eine Gewos-Auswertung für die Deutsche Presse-Agentur zeigt. „Die Mietanstiege flachen in der längerfristigen Betrachtung langsam ab", sagt Wandzik. Kleinere Städte mit einem guten Angebot an Kitas, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten sowie einer guten Verkehrsanbindung an die Metropolen seien gefragt.

Die Metropolen selbst wuchsen vor allem durch den Zuzug ausländischer Arbeitnehmer - und die kämen mit der Corona-Krise seltener, sagt IW-Experte Voigtländer. Der Trend zum Homeoffice verstärke den Trend in die Außenlagen noch. Kommt nun nach der Landflucht die neue Landlust? So weit will Voigtländer nicht gehen. „Ich glaube nicht, dass das platte Land plötzlich wieder gefragt ist, denn dazu fehlt es dort an Kitas, Schulen und Angeboten zum Einkaufen und Ausgehen.“

Rund 900 Beschwerden in Berlin

Wegen überhöhter Mieten haben sich Mieter in Berlin bisher in rund 900 Fällen an die Senatsverwaltung gewandt. Seit Inkrafttreten der zweiten Phase des bundesweit einmaligen Mietendeckel-Gesetzes am 23. November sind überhöhte Mieten in der Hauptstadt verboten und müssen gesenkt werden. In allen Fällen werden die Vermieter um eine Stellungnahme gebeten. Die große Mehrzahl der Fälle werde inzwischen bearbeitet, so die Verwaltung. Das umstrittene Gesetz in Berlin gilt seit 23. Februar. Die Mieten sind für rund 1,5 Millionen Wohnungen bis 2025 auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Sie dürfen erst ab 2022 um höchstens 1,3 Prozent jährlich steigen. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Auf Initiative der Berliner CDU und FDP soll das Bundesverfassungsgericht 2021 prüfen, ob der Mietendeckel rechtmäßig ist.

Der nachlassende Zustrom in die Großstädte wirkt sich laut Gewos auch auf die Bevölkerungszahlen aus. Städte wie Stuttgart, Düsseldorf und München wachsen nach einer jüngst vorgestellten Prognose bis 2035 langsamer, weil die Zuwanderung in der Pandemie nachlasse. „Firmen sind vorsichtig bei Neueinstellungen, zudem haben Reisebeschränkungen die Mobilität gebremst“, sagt Wandzik. Weniger Zuwanderung könne die Wohnungsmärkte in den Großstädten entlasten.

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