Schul-StudieMehrheit der Jugendlichen will nach Pandemie keinen Distanzunterricht

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Distanzunterricht

Nur 14 Prozent der Jugendlichen hätten künftig gerne überwiegend Fernunterricht.

Köln – Der Fokus von Politik, Lehrkräften und vielen Eltern zum Start des neuen Schuljahres ist klar: Kinder und Jugendliche sollen trotz steigender Corona-Zahlen und äußerst geringer Impfquoten in den Schulen unterrichtet werden – und nicht am heimischen Schreibtisch mit Hilfe von Videokonferenzen.

Der Distanzunterricht hat vielen Kindern geschadet und sie zuhause isoliert. Verpasst wurde wichtiger sozialer Austausch und Lernstoff, weil viele Familien keine digitalen Geräte hatten und es an virtuellen Bildungskonzepten mangelte.

1000 Jugendliche befragt

Doch wie sollte Unterricht eigentlich gestaltet werden, wenn die Corona-Pandemie einmal überstanden ist? Das hat die Postbank für ihre Jugend-Digitalstudie 2021 1000 Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren gefragt. Die Mehrheit von ihnen wünscht sich, dass nach der Corona-Krise wieder ausschließlich in Präsenz unterrichtet wird. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) spricht sich hingegen für einen Hybridunterricht mit digitalen und analogen Elementen im Wechsel aus. 14 Prozent der befragten Jugendlichen bevorzugen überwiegenden Fernunterricht.

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„Größtmögliche Chancengleichheit kann nur durch vollen Präsenzunterricht gewährleistet werden“, sagt Xueling Zhou, 16-jährige Schülersprecherin am Genoveva-Gymnasium in Köln-Mülheim und Mitglied der Landesschülerinnenvertretung.

„Durch den Hybrid- und Digitalunterricht haben wir erneut gemerkt, wie stark die Ungleichheit im Bildungssystem ist“, begründet Zhou ihre Ablehnung von Homeschooling für die Zeit nach der Pandemie. Schulische Leistungen hingen stark von familiären Verhältnissen ab. „Menschen, die zuhause nicht in Ruhe lernen können, hinken beim Digitalunterricht hinterher“, sagt die Schülersprecherin. Xueling Zhou plädiert für einen grundsätzlich digitaleren Unterricht, der aber von Schülerinnen und Schülern vor Ort in der Schule erlebt wird.

Zuhause leichter abgelenkt

In der Jugend-Digitalstudie sagten 51 Prozent der Jugendlichen, zuhause ließen sie sich leichter durch Computerspiele, Messenger oder Haushaltsmitglieder stören. Den persönlichen Kontakt zu Mitschülerinnen und -schülern vermisste ebenfalls fast die Hälfte der jungen Menschen.

Martin Süsterhenn, Leiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Köln-Höhenberg, berichtet im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass es in der Zeit der Pandemie durchaus Kinder gegeben habe, die besser alleine zuhause lernen konnten als in der Schule. „Das waren oft Kinder, die Probleme haben, in Gruppen zu lernen, und durch Digitalunterricht in der Lage waren, sich der Auseinandersetzung in der großen Gruppe zu entziehen“, sagt Süsterhenn.

Doch gerade für Kinder in Problemvierteln sei der Präsenzunterricht „so wichtig“, sagt Süsterhenn. „Eines der größten Probleme, das wir während Corona hatten, war, dass viele Kinder kein Deutsch mehr konnten.“ Klassenzimmer und Pausenhof seien wichtige Orte, um einerseits Deutsch miteinander zu reden, andererseits aber auch für den sozialen Austausch.

Zwei von fünf Stunden digital

Dass ältere Schülerinnen und Schüler demnächst zum Beispiel zwei von fünf Stunden eines Leistungskurses digital wahrnehmen, wäre für den Schulleiter zwar vorstellbar, „ich halte es aber dennoch nicht für unbedingt sinnhaft. Warum soll das nötig sein, wenn medial gestützter Unterricht in Präsenz gut funktioniert?“

Yvonne Gebauer, NRW-Schulministerin, sagte am Mittwoch ebenfalls, sie sei „überzeugt, dass der Präsenzunterricht die beste Form des Lehrens und Lernen ist.“

Vivian Breucker, Leiterin der Offene Schule Köln, steht Distanzunterricht im Einzelfall offen gegenüber, zumindest solange er von Lehrerinnen und Lehrern eng begleitet wird. So ist es für sie denkbar, dass eine Klasse gemeinsam an die Nordsee fährt, um dort zu forschen, und gleichzeitig von dort digital den Unterricht in anderen Fächern wahrnimmt. Oder dass Kindern der virtuelle Unterricht ermöglicht wird, wenn ein Elternteil im Ausland wohnt und dann während des Schuljahrs besucht werden kann, ohne Schule zu verpassen. „Dass Lernen auf Distanz aber regelmäßig unbegleitet stattfindet, halte ich nicht für besonders sinnvoll“, sagt Breucker.

Für jüngere Kinder erste Wahl

Für die jungen Schülerinnen und Schüler, die die Heliosgrundschule in Köln besuchen, sei Präsenzunterricht erste Wahl, sagt Schulleiterin Marion Hensel. Doch sie könne sich vorstellen, dass sich die Art der Inhalte des Unterrichts in der Schule auf der einen und der heimischen Unterrichtsvorbereitung auf der anderen Seite umkehren.

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„Das, wofür es Austausch untereinander braucht, kann in der Schule gemeinsam gemacht werden. Und was alleine gemacht werden kann, kann ruhig nach Hause wandern“, sagt Hensel. Mit Letzterem meint sie zum Beispiel Filme im Biologieunterricht, die früher auf einem Fernseher während der Schulstunde gezeigt wurden – und jetzt von Kindern und Jugendlichen individuelle angeschaut werden können. Die Auseinandersetzung mit den Inhalten könne dann noch intensiver in der Klassengemeinschaft stattfinden.

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