Kölns Mark Uth im Interview„Dann gehen die Trümmertauben auf dich los"

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FC-Angreifer Mark Uth

Köln – Am Sonntag gegen Borussia Dortmund dürfen wieder 50 000 Zuschauer ins Rhein-Energie-Stadion. Was bedeutet das für Sie?

Mark Uth: Das ist super, da freuen wir uns. Die Anspannung ist einfach weniger, wenn man in ein leeres Stadion fährt. Mit Fans bekommt man ja schon diesen Adrenalinstoß, wenn man zum Aufwärmen rauskommt und gefeiert wird. Aber beim Geisterspiel: Man kommt rein, kein Mensch da, nichts passiert. Das ist, als würde man hier am Geißbockheim auf den Platz gehen und ein Trainingsspielchen machen.

Sie nehmen die Zuschauer also auch nach so vielen Jahren noch wahr?

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Klar. Das ist es ja, was die Faszination am Profifußball ausmacht. Das muss einfach so sein. Die 35 000 Zuschauer gegen Hoffenheim waren schon toll. Das war eine super Stimmung, obwohl wir verloren haben.

Hat Ihnen als Spieler mit strategischen Aufgaben die Ruhe nicht womöglich geholfen?

Wenn das Spiel läuft, höre ich sowieso nichts mehr. Am Ball blende ich alles aus. Sogar wenn man ein Tor schießt: Man läuft raus zum Freuen. Aber es dauert drei, vier Sekunden, bis man die Stimmung wahrnimmt. Vorher bin ich im Tunnel.

Also geht es an Ihnen vorbei, wenn das Stadion ihren Namen ruft?

Nein, das passiert ja meistens, wenn ich zur Eckfahne laufe. Dann höre ich das. Ich finde das cool, das macht mir auch Spaß, muss ich echt sagen.

Der 1. FC Köln hat jetzt 39 Punkte, das dürfte ebenfalls Spaß machen.

Auf jeden Fall. Allerdings denken wir als Mannschaft gar nicht so sehr darüber nach. Wir sind jetzt soweit durch, aber wir spielen weiter unsere Saison. Es gibt kein Gefühl der Erleichterung, denn wir wollen weiter jedes Spiel gewinnen und schauen, wo es noch hingehen kann. Den totalen Druck hatten wir ja eigentlich schon länger nicht mehr. Wir haben alle die Überzeugung, dass wir mit unserem Fußball nicht da unten reingehören.

Wann haben Sie angefangen, Steffen Baumgarts Fußball zu vertrauen?

Am Anfang waren wir ein bisschen skeptisch. Das klingt vielleicht seltsam, aber ich hätte erwartet, dass wir öfter mal eine Rutsche kriegen. Weil wir immer weiter vorne draufgehen. Aber die einzige war Hoffenheim. Ansonsten waren wir immer konkurrenzfähig.

Ist Steffen Baumgart tatsächlich der Unterschied?

Ja, das würde ich schon sagen. Er hat seine klare Linie, die hat er schon mit Paderborn durchgezogen, auch als sie abgestiegen sind. Da war ihm der Spielstand auch schon komplett egal. Das macht uns jetzt auch aus. Wir machen immer weiter, auch wenn wir zurückliegen. Und wenn wir 1:0 führen, gehen wir aufs zweite Tor und versuchen nicht, das Ergebnis zu halten.

War Schalke das schwierigste Jahr Ihrer Karriere?

Ehrlich gesagt hatte ich persönlich schon schlimmere Jahre. Als ich nach Holland kam, war ich das erste halbe Jahr keinmal im Kader und habe dann montags mit der zweiten Mannschaft gespielt. Da war ich 21, das erste Mal von Mama weg. Das war brutal. Bei Schalke habe ich zwar gespielt und versucht, vorneweg zu gehen. Aber so ein Abstieg ist furchtbar, für jeden Spieler. Für den Verein natürlich noch schlimmer. Ich habe ein bisschen gebraucht, um das zu verarbeiten. Aber als wir in der Vorbereitung im Südstadion gegen die Fortuna gespielt haben, wurde ich direkt mit offenen Armen empfangen. Das hat mir gut getan.

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Kommen wir zu Ihrer bisherigen Saison. Wie ordnen Sie Ihre Leistungen bisher selbst ein?

Mit der Ausbeute bin ich nicht zufrieden. Insgesamt betrachtet mache ich zwar keine richtig schlechten Spiele, wir spielen auch viel über Außen und mit Flanken, weil wir Tony Modeste einsetzen wollen, doch da muss schon mehr von mir kommen.

Was waren denn Ihre persönlichen Ziele vor der Saison?

Aus dem Alter bin ich raus, mir Tormarken zu setzen (lacht). Natürlich hätte ich gerne öfter getroffen. Ich kann der Mannschaft aber auch anderweitig helfen: mit guten Flanken, mit einem vorletzten Pass. Ich ordne das Spiel, verlagere es. Der Trainer wünscht sich zwar auch mehr Scorerpunkte von mir, aber ich glaube nicht, dass er unzufrieden mit mir ist.

Viele erwarten das Besondere von Ihnen. Zurecht?

Ich denke, ich habe auch schon gezeigt, dass ich dazu in der Lage bin. Es flutscht leider nicht so, wie ich mir das selbst vorstelle. Aber wir sind Siebter mit 39 Punkten, da sind meine Quoten dann nebensächlich. Ich gebe weiter richtig Gas, etwas anderes kannst du bei Steffen ohnehin nicht machen.

Beim Auswärtsspiel in Freiburg hatten Sie kurz vor der Pause mal tief Luft geholt. Es folgte ein lautstarker Austausch zwischen Ihnen und Steffen Baumgart. Wenig später hat er sie dann ausgewechselt.

Ich hatte in dem Moment kurz durchgeschnauft, der Trainer sagte darauf: „Komm’ jetzt, Mark.“ Ich antwortete ihm, dass ich hier – überspitzt gesagt – nicht wieder 45 Kilometer abspulen kann. Und dann hat er mich nach nicht einmal einer Stunde ausgewechselt. Da war ich richtig sauer. Wir haben danach aber gleich über die Sache geredet und alles ausgeräumt.

Ist der Fußball so extrem anstrengend unter Baumgart, oder ist das mittlerweile die Normalität?

Der Fußball hat sich extrem gewandelt. Es geht viel weniger um Fußball spielen und um die Technik, sondern vor allem um das Laufen. Das spüren wir auch jeden Tag im Training. Die Athletiktrainer sind hier gefühlt die Mächtigsten, aber es funktioniert halt auch. Technik ist gefühlt immer weniger wichtig. Du hast fast nur noch diese krassen Athleten wie Erling Haaland oder Kylian Mbappé, die 36 km/h laufen. Klar, die beiden können dazu auch noch unfassbar gut kicken. Du brauchst aber heute keinen mehr, der einfach auf der Zehn rumsteht (lacht).

Sie haben unter Baumgart schon auf vielen Positionen gespielt. Welche ist in diesem System Ihre Lieblingsposition?

Ich spiele natürlich überall, aber am liebsten auf der Zehn.

Zu Saisonbeginn wurden Sie als Spitze oder hängende Spitze eingesetzt.

Auf der Position bist du aber so wenig im Spiel. Da hast du die Trümmertauben im Rücken, die sofort auf dich losgehen. Das ist eher was für Tony Modeste oder Sebastian Andersson, die sind auch stämmiger als ich. Die Trümmertauben schubsen mich einmal – und schon liege ich auf dem Boden.

Was sind denn Trümmertauben?

Die großen Innenverteidiger (lacht).

Zur Person

Mark Uth, geboren am 24. August 1991 in Köln, ist im Sommer 2021 zum vierten Mal zum 1. FC Köln gewechselt. Seine erste Profistation war 2012 Heerenveen, 2013/14 war der Offensivspieler an  Almelo ausgeliehen. Nach drei Jahren in Hoffenheim (ab 2015) wechselte Uth, der ein A-Länderspiel bestritt,  2018 zu Schalke 04. (ksta)

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