Bundesliga-AbstiegskampfZwischen Frohsinn in Köln und Aschermittwoch in Mainz

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Trainer Timo Schultz (l.) und Stürmer Davie Selke grüßen vom FC-Wagen im Rosenmontags-Zug

Trainer Timo Schultz (l.) und Stürmer Davie Selke Rosenmontag auf dem FC-Wagen

Beim FC und Mainz 05 ist die Stimmungslage ziemlich unterschiedlich. Trainer Bo Henriksen, vor kurzem in Köln gehandelt, soll den FSV retten.

Nur vier Punkte trennen die beiden Klubs aus den Karnevalshochburgen in der Tabelle der Fußball-Bundesliga, dennoch war rund um den Höhepunkt der närrischen Tage die Stimmungslage in Köln mit der in Mainz nicht zu vergleichen.

Beim FC schwärmten die Teilnehmer am Rosenmontagszug auch einen Tag danach noch von dem „einzigartigen Erlebnis“, der junge Mittelfeldspieler Eric Martel kam sich auf dem FC-Wagen sogar irgendwie vor, als habe er mit dem Verein die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Martel, Trainer Timo Schultz und Co. wurden jedenfalls in Köln am Streckenrand gefeiert – was die Partizipanten trotz der immer noch bedrohlichen Situation im Abstiegskampf der Bundesliga genossen und zudem eine willkommene Ablenkung war. Die Stimmung beim Drittletzten hat sich nach sechs Punkten aus den vergangenen fünf Spielen zumindest etwas aufgehellt – daran änderte auch der späte Ausgleich in der Nachspielzeit im Spiel bei der TSG Hoffenheim (1:1) nicht allzu viel. Die Hoffnung ist zurück, die Mannschaft hat sich unter dem neuen Coach stabilisiert. Die Kölner und ihr Umfeld blicken wieder mit mehr Zuversicht dem Rest der Saison entgegen.

Kurz vor Weihnachten war die Gemütslage am Geißbockheim nach dem Cas-Urteil samt Transfersperre und der Trennung vom populären Steffen Baumgart noch eine ganz andere gewesen. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr schlug diesmal zum Höhepunkt des Karnevals auch kein FC-Spieler über die Stränge. Und Sport-Geschäftsführer Christian Keller dürfte es mit Fassung getragen haben, dass er auf einem Themenwagen persifliert wurde.

Auf dem Rosenmontagszug in Mainz fehlten auf dem Wagen des FSV diesmal die Profis. „Als Zugnummer 98 vertreten uns unsere Fußballerinnen, Handballerinnen und Teile der Traditionsmannschaft“, teilte der Tabellenvorletzte mit. Am Höhepunkt des Frohsinns, der in Mainz „Fassenacht“ heißt, gab das Profi-Team stattdessen nach elf sieglosen Spielen in Serie die Trennung von Trainer Jan Siewert bekannt. Das hatte eher was von Aschermittwoch. Zum dritten Mal nach 2001 (Jürgen Klopp kam für Eckhard Krautzun) und 2015 (Martin Schmidt folgte auf Kasper Hjulmand) entließ der FSV an einem Rosenmontag den Cheftrainer.

Immerhin wurde die Nachfolge schnell geregelt, denn bereits am Dienstag präsentierten die Rheinhessen ihren neuen Coach. Sie setzen nach Kaspar Hjulmand und Bo Svensson erneut auf einen Dänen als Retter in höchster Abstiegsnot: Bo Henriksen soll Mainz retten. Schon mit Svensson hatte der FSV aus aussichtsloser Lage 2021 den Klassenerhalt noch geschafft. Der 49 Jahre alte Henriksen, der bis zum vergangenen Wochenende noch den Schweizer Erstligisten FC Zürich trainierte, unterschrieb einen Vertrag bis 2026. Für Sportvorstand Christian Heidel ist Henriksen ein Trainer, „dem es in seiner Karriere wiederholt und unter sehr verschiedenen Voraussetzungen gelungen ist, Mannschaften zu formen“. Dabei habe er einen „pragmatischen, aber auch mutigen und schlussendlich erfolgreichen Fußball spielen“ lassen, fügte Heidel an. „Darüber hinaus ist Bo Henriksen ein sehr emotionaler, offener und meinungsstarker Charakter, der eine unglaublich positive Energie ausstrahlt und sehr gut zu Mainz 05 passen wird.“

1. FC Köln: Henriksen galt auch am Geißbockheim als Trainer-Kandidat

Henriksen galt auch beim 1. FC Köln als Kandidat auf Baumgarts Nachfolge. So soll es rund um den Jahreswechsel einen Informationsaustausch zwischen der sportlichen Führung des FC und des Henriksen-Lagers um den früheren Schalker Stürmer Ebbe Sand gegeben haben. Doch die Kölner entschieden sich für Timo Schultz. Für Henriksen erfüllte sich jetzt leicht verspätet doch noch der Traum vom Schritt in die Bundesliga. Im Oktober 2022 hatte der neue Mainzer Coach den FC Zürich auf dem letzten Tabellenplatz der Schweizer Super League übernommen. Und orchestrierte eine sagenhafte Aufholjagd, die am Ende zum Klassenerhalt führte. Aktuell ist der Traditionsverein Tabellendritter.

Allerdings war Henriksen beim FCZ nicht mehr unumstritten. Am vergangenen Wochenende gelang mit dem 1:0 im Derby gegen den Grasshopper Club der erste Sieg seit November. In der vergangenen Woche hatte Henriksen verkündet, seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag in Zürich nicht zu verlängern. Die dänische Zeitung „Ekstra Bladet“ schrieb, dass Sand mit seinen Kontakten hinter den Kulissen am Wechsel beteiligt gewesen sei. Damit meinte die Zeitung offenbar dessen gutes Verhältnis zum FSV-Sportvorstand Heidel. Sand und Henriksen waren demnach am Montag in Mainz gewesen, um letzte Details zu klären. Zürich erhält allem Anschein nach eine überschaubare Ablöse. „Wenn einer Mainz vor dem Abstieg retten kann, dann ist es Bo“, wurde Sand von dem Blatt zitiert.

Realistisch scheint für das zuletzt arg verunsicherte Mainzer Team im Schneckenrennen im Tabellenkeller mit dem FC, Schlusslicht SV Darmstadt 98 und Union Berlin, das aber immerhin schon fünf Punkte Vorsprung auf Platz 16 und sogar neun auf Rang 17 hat, ohnehin erst einmal nur der Relegationsrang. Während die Mainzer also bereits zum zweiten Mal ihren Trainer wechselten, die Kölner und die „Eisernen“, bei denen Ende November Nenad Bjelica auf Urs Fischer gefolgt war, ebenfalls schon den Coach austauschten, halten die Darmstädter weiter an Torsten Lieberknecht fest, der bereits seit Juli 2021 bei den „Lilien“ im Amt ist. Doch die Ansprüche von Aufsteiger Darmstadt sind auch andere.

FC will Freitag vorlegen – danach folgen schwierige Aufgaben

Während Henriksen am Samstag sein Debüt auf der Mainzer Trainerbank mit dem Heimspiel gegen Augsburg gibt und ein Sieg zum Start fast schon Pflicht ist, zeitgleich Union bei der TSG Hoffenheim gastiert und Darmstadt vor der hohen Hürde Stuttgart steht (alle Spiele um 15.30 Uhr), kann der 1. FC Köln bereits einen Tag zuvor die Konkurrenz im Keller unter Druck setzen. Voraussetzung wäre ein Sieg im Heimspiel gegen Werder Bremen (Freitag, 20.30 Uhr). Mit einem solchen hätte der FC zumindest für ein paar Stunden die Mainzer und Darmstädter auf sieben Punkte distanziert und den Rückstand auf Union auf zwei Punkte verkürzt.

Ein Erfolg wäre auch insofern wichtig, da im Anschluss vermeintlich schwere Spiele folgen: in Stuttgart, gegen Bayer 04 Leverkusen, in Mönchengladbach, gegen Leipzig. Doch der anstehende 22. Spieltag könnte ohnehin höchstens eine Tendenz verstärken, zur echten „Crunch-Time“ kommt es wohl erst ab Mitte April, wenn für die Kölner die Duelle gegen die direkten Konkurrenten anstehen. Am 30. Spieltag (19. Bis 21. April) empfängt Schultz' Team Darmstadt, am darauffolgenden Wochenende gastiert der FC dann in Mainz. Und am 33. Spieltag (10. Bis 12. Mai) treffen die Kölner auf Union. Der FC kann also noch viel zu seinen eigenen Gunsten regeln.

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