Umstrittener Investoren-EinstiegAuch der 1. FC Köln fordert jetzt eine Wiederholung der DFL-Abstimmung

Lesezeit 5 Minuten
Fans vom 1. FC Köln protestieren beim Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim gegen den DFL-Investoreneinstieg.

Fans des 1. FC Köln protestieren beim Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim gegen den Einstieg eines Investors in der Deutschen Fußball-Liga.

Wütende Fans, gespaltene Klubs: Der Zoff um den Einstieg eines Investors in der DFL hält an. Fanforscher Lange sieht einen ersten Erfolg der Protest-Bewegung.

Wenn am Freitagabend (20.30 Uhr, live bei Dazn) der 1. FC Köln und der SV Werder Bremen vor 50 000 Zuschauern den 22. Spieltag der Bundesliga eröffnen, dann werden im 100. Aufeinandertreffen der Traditionsklubs im Fußball-Oberhaus nicht nur die (Un-)Geschicke auf dem Rasen im Vordergrund stehen. Im Fokus stehen dann auch beide Fanlager und ihre neuen Aktionen und Reaktionen.

Mittlerweile scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis es zum ersten Spiel-Abbruch im deutschen Profifußball kommt. Denn im eskalierenden Zoff um den geplanten Investoren-Einstieg in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hatten die Fans am vergangenen Spieltag in den Stadien weitere Zeichen einer Machtdemonstration gesetzt. Die Partie an der Alten Försterei zwischen Union Berlin und dem VfL Wolfsburg stand nach massenhaften Tennisballwürfen bereits vor dem Abbruch, auch in Mönchengladbach und beim Zweitliga-Derby zwischen dem HSV und Hannover war dieser nicht weit weg.

Proteste nach Investoreneinstieg: DFL steckt in einer veritablen Krise

Die Bundesliga kämpft mit ihren lautesten Anhängern und ärgert sich über Spielunterbrechungen. Die DFL wirkt fast ohnmächtig und hat nun einen weiteren Imageschaden erlitten. Denn mitten im Bieterprozess sprang mit dem US-Finanzunternehmen Blackstone einer von nur noch zwei Interessenten ab. Die organisierten Fans feierten das als „Zwischenerfolg“ – und kündigten weitere Proteste gegen den Milliardendeal an. Mittlerweile geht es ums große Ganze: Während viele Fans weiterhin wütend sind, wirken die Klubs zunehmend gespalten. Und dann steht noch die Rechtssicherheit der 50+1-Regel auf dem Spiel, der am Mittwoch von der DFL eingebrachte Kompromissvorschlag stößt jedenfalls schon auf viel Kritik.

Kurzum: Der von der DFL organisierte nationale Profifußball steckt in einer veritablen Krise, eine seiner größten Krisen überhaupt.

Und der Druck wird nicht geringer. Im Gegenteil. Die aktiven Fanklubs, auch die Südkurve 1. FC Köln e.V., haben jetzt in einer gemeinsamen Erklärung eine erneute Abstimmung zum Investoren-Deal gefordert, die aus ihrer Sicht illegitim war. „Die DFL hat damit eine rote Linie überschritten. Wir werden diese Grenzüberschreitung nicht akzeptieren“, heißt es in einer Mitteilung des Vereins „Südkurve 1. FC Köln“. Die Kritiker aus der Fanszene fordern zeitgleich genügend Zeit für die Vereine, mit ihren Mitgliedern über den Einstieg zu diskutieren und ein Stimmungsbild einzuholen.

Die Liga spaltet sich zudem immer mehr. Nach Präsident Claus Vogt vom VfB Stuttgart fordert nun auch dessen Amtskollege Dirk Zingler von Union Berlin eine Wiederholung der umstrittenen Abstimmung vom 11. Dezember, die mit der knappest möglichen Mehrheit von exakt 24 Klub-Stimmen für den Investoreneinstieg stimmte. Die war allem Anschein nach überhaupt erst zustande gekommen, weil Martin Kind, Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft von Hannover 96, offenbar gegen die Weisung des Stammvereins verstoßen und dem Deal zugestimmt hat. Dies sei „eine eklatante Umgehung der 50+1-Regel“, kritisieren beispielsweise die Kölner Fans das Vorgehen, zudem sei der ganze Investorendeal nur „eine Wette auf die Zukunft“.

Der 1. FC Köln hat sich schon lange deutlich positioniert. Er hat eine klar ablehnende Haltung zum Einstieg eines Partners aus dem Private-Equity-Bereich in der DFL. Die Kölner, obwohl finanziell angeschlagen, stimmten als einer von zehn Vereinen gegen den Investoreneinstieg, von dem sich die DFL langfristige Mehreinnahmen und somit auch international mehr Wettbewerbsfähigkeit erhofft.

Der FC hatte zwar erst das „demokratisch getroffene Votum akzeptiert und respektiert“ und werde es vollauf mittragen, teilte der Verein mit. Doch nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wird der 1. FC Köln nun ebenfalls eine Wiederholung der Abstimmung fordern und dies am Freitag noch vor dem Bremen-Spiel offiziell kommunizieren. Auf Anfrage wollte sich der FC dazu nicht äußern.

Fanforscher Harald Lange blickt pessimistisch auf die Entwicklung der Beziehung zwischen Fußballfans und den Verbänden.

Fanforscher Harald Lange wünscht sich einen Mediationsprozess

Harald Lange, Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg, gilt als einer der bekanntesten Fanforscher und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema. Er ist überzeugt, dass der Fan-Protest Wirkung gezeigt habe. Und diese lasse sich durch Umfragen auch messen und abbilden. „Den Fans ist es durch gut orchestrierte, laute, wirkungsstarke, originelle und in der Sache glasklare Proteste gelungen, zunehmend mehr Unterstützer und Sympathisanten für ihr Anliegen zu gewinnen. Natürlich ist einiges diskutabel und an der Grenze, doch der Protest ist gewaltfrei“, sagt Lange im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch wenn es die DFL dementiere, so habe dieser auch dazu geführt, dass sich ein potenzieller Investor verabschiedet habe.

Fanforscher Lange: Durch klare Proteste neue Unterstützer gewonnen

Für Lange geraten nun immer mehr Vereinsvertreter wegen ihres Abstimmungsverhaltens unter Druck. Die Fronten würden sich weiter verhärten. Er hofft nun auf einen Mediationsprozess. „Es müsste sich zumindest eine Persönlichkeit finden, die kraft ihrer Stellung und mit Besonnenheit in der Lage wäre, die vertrackte Situation zu befrieden.“ Den Vorwurf der Erpressung durch derartige Fanproteste lässt Lange nicht stehen. Der Protest sei ein „legitimes Mittel“, wenn er sich in Grenzen und an demokratische Spielregeln halte.

Am kommenden Spieltag rechnet der Fanforscher indes nicht mit einer weiteren Eskalationsstufe. „Ich denke, wir werden zwar weiterhin Proteste sehen und hören, aber es wird wohl eher zu einem Spieltag der Botschaften kommen. Die Fans registrieren, dass sich durch ihren Protest schon etwas bewegt hat und noch weiter ins Rollen kommt“, meint der 55-Jährige, prognostiziert aber auch: „Solange die DFL das Verfahren nicht überdenkt, kein bisschen Demut zeigt und keine Fehler zugibt und auch keine ernstzunehmenden Gesprächsangebote macht, so lange wird der Protest auch weitergehen.“

KStA abonnieren