Köln verliert Derby 0:4Die verschiedenen Kragenweiten von FC und Bayer 04

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Jubelnde Leverkusener hinter dem enttäuschten FC-Keeper Timo Horn

Jubelnde Leverkusener hinter dem enttäuschten FC-Keeper Timo Horn

Köln – Das Wort fiel in der Nachschau des Derbys gegen Bayer 04 Leverkusen gleich zweimal auf Kölner Seite: Kragenweite. Direkt nach dem Schlusspfiff im Rhein-Energie-Stadion hatte Trainer Markus Gisdol angesichts der glatten 0:4 (0:2)-Niederlage erklärt: „Wenn die Leverkusener voll auf Spannung sind wie heute, sind sie eine Kragenweite, die wir nicht leisten können“, sagte der Trainer. Am Nachmittag blieb Geschäftsführer Horst Heldt nichts  übrig, als eine identische Bewertung vorzunehmen. „Das war ein Gegner, der eine andere Kragenweite hat.  Wir hatten nicht unseren perfekten Tag, während unser Nachbar zurzeit perfekt unterwegs ist“, sagte Heldt.

Das hörte sich nach einer allzu pragmatischen Analyse an, doch betonte Heldt, dass man sich durchaus ärgere. Man versuche eben, die Pleite richtig einzuordnen und wolle die Fehler aufarbeiten, denn bei aller Qualität des Gegners habe man an allen Toren „einen Anteil gehabt“ wie Heldt befand. Und tatsächlich: Mitchell Weiser bekam nach acht Minuten  den Ball von Bornauw mit dem Kopf perfekt auf den linken Fuß gelegt, vor dem 2:0 durfte Diaby (10.) in Ruhe Tempo aufnehmen, um dann auf eine Kölner Verteidigung zu treffen, die sich ihm nicht mehr entgegenstellte. Patrik Schick konnte Diabys Flanke zum 3:0 in der 54. Minute versenken, weil Bornauw ihn ließ – und weil Diaby zuvor nur begleitet worden war.  Und Wirtz nach einer knappen Stunde schien in den Augen der Kölner Verteidiger noch immer der harmlose Jugendspieler zu sein, als den man ihn vor einem Jahr ohne Gegenwehr hatte gehen lassen. Zur Leverkusener Klasse war damit auch ein Defensivversagen gekommen. Die Kölner hatten vor der Partie ausgemacht, dass sie ihr System wechseln würden, sollten sie keinen Zugriff auf die rasend schnellen Angreifer der Werkself bekommen und angesichts der Leverkusener Passqualität nur hinterherlaufen. Doch abgesehen von ein paar Minuten vor der Pause hatte der FC nie einen Fuß in die Tür bekommen.

FC hat „Luft nach unten“

Trotz allem rechne er nicht mit einem Ende des Aufwärtstrends, dafür habe er die Mannschaft auch in der punktlosen Phase zu Saisonbeginn als zu stabil wahrgenommen. Lieber sah Heldt das zuletzt Erreichte: „Ein bisschen Luft nach unten haben wir uns verschafft und sind an die herangerückt, die vor uns stehen. So würde ich es jetzt gern weiter aufbauen.“

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Erfreulich an einem bitteren Abend war für die Kölner, dass sie ihren Kapitän zumindest für eine knappe halbe Stunde wieder auf dem Platz gehabt hatten. Drei Monate nach seinem Schleudertrauma kehrte Jonas Hector für die Schlussphase ins Team zurück, „das war das Gute an der Niederlage“, sagte Heldt, der auf weitere Einsätze hofft: „Ich habe ihn heute noch nicht gesehen, bin mir aber sicher, dass mir davon berichtet worden wäre, wenn es negative Folgen gegeben hätte.“

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Bei Bayer 04 herrschte nach dem zehnten Sieg im elften Pflichtspiel derweil Hochstimmung. Gründe gab es viele: Derbysieg, Tabellenführung und das Gefühl, als Mannschaft in fast egal welcher Formation zu funktionieren. Gegen Köln hatte Mitchell Weiser geglänzt, nicht nur wegen seines Tores. Dabei war der Rechtsverteidiger quasi aussortiert, wurde von Trainer Peter Bosz nicht einmal für die Europa League nominiert und wäre wohl zum Nulltarif abgegeben worden. Nun war Weiser kurzfristig für den verletzten Lars Bender ins Team gerutscht. „Egal, wer reinkommt – wir haben momentan diese »Next man up«-Mentalität, das ist ein ganz hohes Niveau und sicherlich eine unserer großen Stärken“, sagte Julian Baumgartlinger, der kurz nach Saisonbeginn ebenfalls durch den Ausfall von Stammkräften zum Leistungsträger wurde.

Leverkusen am Samstag gegen die Bayern

In dieser Ausnahme-Form ist auch der FC Bayern am Samstag (18.30 Uhr/Sky) kein Über-Gegner, ein Team mit ähnlicher Kragenweite. „Das wird ein geiles Spiel. Alle schauen zu. Und natürlich ist Bayern schlagbar“, sagte Nadiem Amiri. Der Offensivspieler hatte  in Köln einen dieser Momente erlebt, die einen Profi im Ansehen der Fans nach oben katapultieren. Beim Stand von 4:0 legte Amiri in der Nähe des Mittelkreises einen Sprint hin und klaute dem überraschten FC-Verteidiger Sava Cestic den Ball. Anschließend ballte Amiri beide Fäuste und jubelte wie nach einem Siegtor in der 89. Minute. Diesen Einsatz sollen nun auch die Bayern zu spüren bekommen. „Ich werde sicher nicht versuchen, sie zu bremsen“, sagte Bosz. „Es ist immer gut, wenn Spieler ein gutes Gefühl, Selbstvertrauen und gute Laune haben.“

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