FC-Abwehrchef HübersDer Wissenschaftler im Kölner Abwehrzentrum

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Timo Hübers überragte im Spiel gegen den SC Freiburg.

Köln – Während die Fans im Stadion und Steffen Baumgart am heimischen Fernsehgerät kurz davor waren, die Nerven zu verlieren, verteidigte Timo Hübers am Samstag mit einem Lächeln im Gesicht. Der Innenverteidiger des 1. FC Köln blockte Schuss um Schuss der Freiburger, holte jeden Kopfball und verlor praktisch keinen Zweikampf. Besser hat Hübers noch nicht gespielt in der Bundesliga, damit hatte er großen Anteil daran, dass Anthony Modestes Tor zum Sieg über den Tabellen-Fünften reichte.

Ein Spiel ohne Gegentreffer war den Kölnern in dieser Bundesliga-Saison zuvor nur einmal gelungen, beim 1:0 über den VfB Stuttgart im Dezember. Zwar war Freiburg am Samstag gerade im zweiten Durchgang ständig am Ball, die Gäste kamen in der zweiten Hälfte auf mehr als 60 Prozent Ballbesitz, was extrem ungewöhnlich ist für die Kölner, die sogar den FC Bayern bei 50 Prozent hielten. Doch die ganz großen Chancen sprangen nicht heraus für Freiburg – ständig standen Hübers und seine Leute im Weg. Für Hübers war es ein Genuss. „Was für die Jungs vorn das Toreschießen ist, ist für uns das Verhindern. Das macht mir Spaß, darum gehe ich mit einem Lächeln nach Hause“, sagte er nach dem Spiel.

Der 25-Jährige selbst mochte seine Leistung nicht allzu hoch hängen, offenbar war ihm längst bewusst, dass ohnehin alles über ihn sprach. „Ich habe versucht, meinen Job zu machen, wie es so schön heißt. Ich bin in viele Situationen gekommen, die meinem Stil liegen. Antizipieren, Bälle ablaufen, Kopfbälle. Da war heute eine Menge dabei.“

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Rückschläge durch Verletzungen

Hübers, geboren in Hildesheim, kam im vergangenen Sommer aus Hannover zum 1. FC Köln, wo er bereits in der Saison 2015/16 in der Regionalligamannschaft gespielt hatte, dann aber dem Ruf aus Hannover gefolgt war, um dort Profi zu werden. Zwei Kreuzbandrisse bremsten die Entwicklung des 1,90 Meter großen Verteidigers, doch in Köln stand er weiterhin auf der Liste, zumal er mit seinem Tempo hervorragend in den offensiven Fußball passt, den der 1. FC Köln unter Trainer Steffen Baumgart derzeit in der Bundesliga etabliert. „Wir wissen, dass wir zwei sehr schnelle Innenverteidiger haben. Timo zeigt jetzt, was wir schon am Anfang der Saison gesehen und von ihm erwartet haben. Er ist im Kopf sehr klar, darum kann er jetzt schnell in eine Rolle wachsen, die man Abwehrchef nennen kann“, sagte Trainer André Pawlak nach dem Spiel am Samstag.

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Im November gab Hübers seine Masterarbeit an der Universität Hannover ab, „neben seinem Job als Fußballprofi beschäftigte er sich zuletzt mit dem „Einfluss der Persönlichkeit auf die Gender Pay Gap“, also die Differenz der durchschnittlichen Gehälter von Frauen und Männern. Der Wirtschaftswissenschaftler im Kölner Abwehrzentrum ist nicht nur der Anker des Kölner Verteidigungsspiels. Er ist zudem ein wichtiger Baustein einer Kölner Mannschaft, die am Samstag einmal mehr ihre außergewöhnliche taktische Reife unter Beweis stellte. Baumgarts Stil ist durchaus anspruchsvoll, da bedeutet es einen großen Vorteil, Profis wie Hübers im Team zu haben, die mit großem Verständnis ihrer Arbeit nachgehen. Der 1. FC Köln, das ist ein Teil des Erfolgsgeheimnisses der Saison 2021/22, bezieht seine Stärke auch aus der Intelligenz seiner Spieler.

Nachfolger für Czichos

Weil Rafael Czichos im Winter zu Chicago Fire in die US-Liga wechselte, gab es eine plötzliche Leerstelle in der Kölner Abwehr. Zwar war Czichos durchaus umstritten, der 31-Jährige war bei aller Qualität an zu vielen Gegentoren beteiligt, um dauerhaft als zuverlässig zu gelten. Allerdings hatte sein Wort in der Mannschaft Gewicht – trotz instabiler Leistungen galt er als unumstrittener Abwehrchef. Hübers scheint nun ein würdiger Nachfolger werden zu können - mindestens. Er ist im richtigen Alter, strahlt viel Dominanz aus und könnte nun die Gelegenheit bekommen, durch viele Einsätze den Rhythmus zu finden, von dem ein Innenverteidiger so abhängig ist. „Timo hat gefühlt jeden Zweikampf gewonnen, gute Bälle nach vorn gespielt und war da, wo er sein musste. Da gibt es nichts zu kritisieren, das ist schon sehr gut, was er spielt“, sagte FC-Sportchef Jörg Jakobs nach dem Spiel gegen Freiburg.

Jakobs holte Hübers im Sommer ablösefrei nach Köln. Mit dem 22-jährigen Luca Kilian bildet er derzeit eine Innenverteidigung mit Potenzial – die bereits am Freitagabend die nächste Prüfung erwartet: Dann spielt der 1. FC Köln beim Tabellennachbarn RB Leipzig.

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