FC-Anhänger über Rolle der Fans im Fußball„Wir waren bislang schmückendes Beiwerk“

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FC-Trikots auf den leeren Sitzplätzen im Rhein-Energie-Stadion

  • Frank Helsper, Fan des 1. FC Köln, hat dem Klub für die Zeit der Geisterspiele 50 Trikots zur Verfügung gestellt.
  • Mit diesen Trikots schmückt der FC seine leeren Ränge.
  • Im Interview spricht Helsper über die Rolle der Fans im Unterhaltungsprodukt Profifußball.

Köln – Herr Helsper, wie haben Sie das Heimspiel des 1. FC Köln gegen Mainz 05 verfolgt?

Zu Hause am Fernseher.

Sie waren also nicht am Stadion, um den Bus zu empfangen – oder gegen Geisterspiele zu protestieren?

Nein, nichts. Es wäre ein Widerspruch in sich gewesen, wenn die Aktive Fanszene sich erst gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ausspricht, um sich anschließend am Stadion zu versammeln. Die Angst vor Aktionen der Fans war für mich von Anfang an unbegründet.

Es gab allerdings Protest-Transparente in der Stadt.

Ich verstehe einerseits den Protest. Andererseits hört man aus allem heraus, dass die Rolle der Fans noch nie als so wichtig wahrgenommen wurde wie im Moment. Wir Fans waren bislang schmückendes Beiwerk, gehörten irgendwie dazu. Aber jetzt, wo keine Fans da sind, fällt erstmal auf, was fehlt. Ich halte grundsätzlich jeden Protest am System Profifußball für gerechtfertigt.  Ich fand die Banner und Plakate in der Stadt kreativ, wobei ich mir die Frage stelle, ob der Protest unbedingt gegen den FC hätte gerichtet sein müssen.

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FC-Fan Frank Helsper hat dem Klub 50 seiner Trikots zur Verfügung gestellt.

Andererseits geht es zurzeit kurzfristig ohne Fans, aber nicht ohne das Fernsehen. Das dokumentieren die aktuellen Spieltage.

Ja, auf der Einnahmenseite vielleicht. Aber abgesehen von den Einschaltquoten muss man schon sagen: Wirklich gern guckt sich doch niemand eine Übertragung aus einem leeren Stadion an. Mir kann keiner sagen, dass das Produkt Fußball, als das es die Liga vermarktet, dauerhaft interessant wäre, würde es in leeren Stadien stattfinden.

Welchem Fan-Lager gehören Sie an?

Gar keinem. Einfach FC-Fan. Man könnte mich vielleicht einen Vielfahrer nennen, weil ich sehr viele Spiele sehe.

Wie viele Spiele sehen Sie im Jahr?

Grundsätzlich ist das Ziel, zumindest die 30 vollzumachen. Das wird dieses Jahr leider nicht klappen, was schade ist. Denn normalerweise bekomme ich das schon ganz gut hin. Ich habe zwar vier Kinder, aber die Geburt eines Kindes kann man auch ganz gut so planen, dass die in die Sommer- oder Winterpause fällt, da verpasst man dann höchstens die Reise ins Trainingslager, weil ein Kindergeburtstag ansteht. Meine große Tochter ist Anfang November geboren, da ist immerhin meistens Länderspielpause. Grundsätzlich muss schon einiges passieren, damit ich mal ein Spiel verpasse.

Wann haben Sie ihr letztes FC-Spiel verpasst?

Das ist gar nicht mal so lange her, das war das Spiel zu Hause gegen Hoffenheim. Meine Frau wollte hochschwanger noch einmal ins Stadion, da hat sich der Freitagabend angeboten. Ich hatte vorher das Pokal-Aus in Saarbrücken mitgenommen, und gegen Hoffenheim regt man sich sowieso nur auf. Da habe ich mal verzichtet.

Gegen Mainz waren Sie nicht im Stadion, aber etwas von Ihnen war da.

Der FC hatte dazu aufgerufen, Glücksbringer und Trikots abzugeben. Ich habe eine kleine Sammlung und habe mich dazu entschlossen, einen Teil davon beizusteuern. Es waren nur 50 meiner Trikots, denn manche habe ich hier zu Hause eingerahmt. Ich habe zum Beispiel einmal das Glück gehabt, bei der FC-Saisoneröffnung im Stadion spielen zu dürfen, vor 40 000 Zuschauern gegen die Alt-Internationalen des FC. So ein Trikot gibt man nicht raus. Oder getragene Trikots, die man mal von einem Spieler bekommen hat. Die haben einen Ehrenplatz, weil man sie persönlich überreicht bekommen hat.

Und Sie sind sich sicher, dass Sie Ihre Trikots wiederbekommen?

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Klar, ich vertraue dem FC. Wenn ich gesehen habe, was manche Fans da an Figuren und Schildern abgegeben haben. Da steckt schon sehr viel Herzblut und Leidenschaft drin. Bestimmt auch die Trauer, dass man selbst nicht dabei sein kann. Darum gehe ich davon aus, dass der Verein sehr verantwortungsvoll mit den Gegenständen umgeht.

Haben Sie gejubelt, als gegen Mainz die Tore für den FC fielen?

Nein. Sonst sitze ich im Stadion auf der Nordseite, der Elfmeter wäre direkt vor uns passiert, mit bestem Blick. Da kann man sich vor dem Fernseher nicht so freuen. Das Stadionerlebnis kann man auch mit irgendwelchen dubiosen Ton-Optionen nicht ersetzen. Selbst wenn man diesen Klangteppich hört, sieht man noch immer die leeren Tribünen. Wenn dann Gesänge eingespielt werden, die nichts mit dem Spielverlauf zu tun haben, macht das die Sache noch seltsamer. Der normale Sky-Kunde am Fernseher, der normalerweise nicht ins Stadion geht, kann das vielleicht ganz gut ertragen. Ich ertrage es nicht, darum nehme ich lieber die andere Ton-Option und sage: Es ist, wie es ist.

Muss man es einfach hinnehmen?

Aus meiner Sicht: ja. Jeder geht mit der Situation anders um, da gibt es kein Richtig und kein Falsch. Ich finde es gut und wichtig, dass die Mannschaften jetzt wieder ihrer Arbeit nachgehen können. Andere Industrien arbeiten ja auch wieder, und der Fußball ist zu einer Industrie geworden, das muss man hinnehmen. Daher finde ich die Glücksbringer-Aktion gut. Da sind jetzt Leute mit beschäftigt, die vielleicht sonst gerade nichts zu tun hätten.  Darum habe ich da gern mitgemacht.

Hat es für Sie einen Unterschied bedeutet, ob Ihre Trikots im Stadion sind oder nicht?

Nein, aber darum geht es mir auch gar nicht. Wenn der FC ein Angebot macht, sich zu engagieren, bin ich gern dabei. Ich habe für mich entschieden, dem FC die Rückmeldung zu geben: Da draußen sitzen tausende Fans, die gern bei euch wären. Die haben jede Menge Herzblut und Leidenschaft und stellen euch etwas zur Verfügung, das ihnen wichtig ist. Das gibt mir die Möglichkeit, mit dem Verein den Dialog einzugehen.  Ohne seine 110.000 Mitglieder wäre der FC nur ein kleiner Klub und hätte gewiss nicht diese Position. Die hat nicht jeder Dorfverein, nur weil er in der Bundesliga spielt.

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