Nach dem 0:6 in LeipzigBaumgart ist schwer enttäuscht von seiner Mannschaft

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Jeff Chabot verfolgte Timo Werner am Samstagabend meist vergeblich.

Jeff Chabot verfolgte Timo Werner am Samstagabend meist vergeblich.

Als gute Nachricht für die Profis des 1. FC Köln blieb am Samstagabend, dass sie den schlimmsten Teil dieses neunten Spieltags gegen zwanzig nach acht womöglich bereits hinter sich hatten. Steffen Baumgart hatte seine Mannschaft gleich nach dem niederschmetternden 0:6 (0:4) bei RB Leipzig noch auf dem Platz um sich geschart, um ein „kurzes Feedback zum Spiel“ zu geben, wie Stürmer Davie Selke hinterher euphemistisch umschrieb. Baumgart bestätigte den Eindruck, dass es eher heftig zugegangen war: „Ich war emotional, ich glaube, das kann sich nach dem Spiel jeder vorstellen“, sagte der Kölner Trainer später.

Üblicherweise wird Baumgart erst mit etwas Abstand im Verlauf der Trainingswoche deutlich. Diesmal zog er seine Ausführungen vor, wenngleich davon auszugehen ist, dass er anlässlich der Spielauswertung im Videoraum eine weitere emotionale Ansprache wählen könnte. Doch bleibt nicht viel Zeit. Schon am Dienstag (20.45 Uhr, ZDF) spielen die Kölner in der zweiten Pokalrunde beim 1. FC Kaiserslautern.

Eine tiefergehende taktische Analyse gab es am Samstag nicht mehr von Baumgart, der Trainer beließ es bei den Kopfnoten. Und die fielen verheerend aus. „Dass wir hier den Arsch vollkriegen können, ist uns bewusst. Damit müssen und werden wir leben. Womit ich nicht leben kann, ist, dass wir aufhören und jeder für sich über den Platz läuft“, beschrieb er.

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Xavi Simons führte RB Leipzig zu einem fulminanten Sieg über den 1. FC Köln.

Xavi Simons führte RB Leipzig zu einem fulminanten Sieg über den 1. FC Köln.

Nach einer ordentlichen Anfangsphase hatte Leipzig durch Eric Martels Ballverlust und das folgende Foul des Mittelfeldspielers per Elfmeter die Führung erzielt. Zwischen dem Rückstand und dem 0:2 war Köln zurechnungsfähig aufgetreten und hatte bei allen Schwierigkeiten, die ein Duell mit dem Leipziger Qualitätskader aufwirft, durch Waldschmidts Pfostenschuss sogar die Chance zum Ausgleich gehabt.

Dann aber spielte Chabot in der 40. Minute einen schwachen Pass ins Mittelfeld, den sich Haidara schnappte. Der Ball kam zum überragenden Xavi Simons, der Openda per Traumpass bediente, der zum 2:0 unter die Latte traf. Es war eine Demonstration der Leipziger Offensivstärke, und in diesem Moment geschah, was Baumgart so nachhaltig störte: Seine Mannschaft fiel auseinander. „Die Minuten nach dem 0:2 hatten nichts mehr damit zu tun, wie ich mir Fußball vorstelle. Den Kopf hängen zu lassen – darüber bin ich extrem enttäuscht. Ich habe den Jungs deutlich gesagt, dass ich das nicht verstehe und auch nicht akzeptiere“, erklärte Baumgart.

Es ist verlockend, die Kölner Niederlage beim Champions-League-Teilnehmer allein mit der Qualität des Gegners zu erklären. Doch das ließen die FC-Verantwortlichen nicht gelten. „Man kann in Leipzig verlieren, weil das eine deutlich besser besetzte Mannschaft ist“, befand Sportchef Christian Keller, „aber insgesamt war es in allen Spielphasen zu wenig. Der absolute Fokus war für mich nicht sichtbar.“

Schon Martels Ballverlust an der eigenen Strafraumkante, der zum Elfmeter führte, fiel in diese Kategorie. Es folgte Chabots Fehlpass, drei Minuten später verlor Leart Pacarada den Ball mit einem weiteren haarsträubenden Pass ins Zentrum. Benjamin Henrichs bediente David Raum, der per Flugkopfball das 3:0 markierte – ungestört von Rasmus Carstensen. „Wenn ich einen leichten Fehlpass ins Zentrum spiele, ist Leipzig von der Qualität in der Lage, umzuschalten und präzise zu sein. Dann klingelt es schnell“, fasste Keller zusammen.

Drei Gegentore innerhalb von sieben Minuten 

Das 4:0 in der Nachspielzeit der ersten Hälfte bedeutete das dritte Gegentor innerhalb von sieben Minuten, in der zweiten Hälfte blieb nur noch Schadensbegrenzung. Und tatsächlich wurde es phasenweise etwas ruhiger auf dem Rasen. Dann aber drückten die Kölner noch einmal beherzt den Selbstzerstörungsknopf. In der 88. Minute verzichtete Baumgarts Elf bei einer von Leipzig kurz ausgeführten Ecke auf jede Verteidigungsarbeit, Sesko traf, und besonders Faride Alidou wird bei der Videoanalyse seines Stellungsspiels mit weiteren Erläuterungen rechnen müssen. Alidou legte auch den letzten Treffer des Tages auf, als er mit einem Kopfball in Richtung des eigenen Tores Baumgartner fand, der aus 25 Metern zum 6:0 einschlenzte. Absolut sehenswert, aber lausig verteidigt.

Das Trainerteam kriegt das hin. Wir werden am Dienstag ein anderes Gesicht zeigen, und zwar nicht nur fußballerisch
FC-Geschäftsführer Christian Keller

Alidou, zur zweiten Halbzeit für Linton Maina eingewechselt, dürfte sich angesprochen gefühlt haben, als Christian Keller von fehlendem Fokus gesprochen hatte. Innenverteidiger Luca Kilian war ebenfalls zur 46. Minute auf den Platz gekommen, da Jeff Chabot seit der 29. Minute mit einer Gelben Karte spielte und nach starker Anfangsphase mit mehreren harten Duellen seine Mitte verloren hatte. Kilian war eine traurige Figur des Abends, weil er nach knapp 70 Minuten den gerade von einer Verletzung genesenen Dani Olmo ohne Absicht von den Beinen holte, worauf der spanische Nationalspieler unglücklich auf die Schulter stürzte und sieben Minuten nach seiner Einwechslung schon wieder runtermusste. Erst in der 85. Minute zeigte Schiedsrichter Brand dem Kölner Verteidiger die Gelbe Karte und zählte Kilian dabei mit den Fingern beinahe wütend dessen zahllose Fouls auf.

Ein weiteres Bild der Überforderung, wie auch Mathias Olesen dem Spiel nicht gewachsen gewesen war. Der Luxemburger war in der 70. Minute eingewechselt worden und hatte sich innerhalb von zehn Minuten die Gelb-Rote Karte eingehandelt. Sein zweites Foul war ein Treffer mit den Stollen an Simakans Knie, der dem Franzosen eine Risswunde einbrachte. Ebenfalls ohne Absicht, das zeigte schon Olesens Körpersprache, weshalb Steffen Baumgart zunächst gar kein Foul erkannt und heftig protestiert hatte. Das brachte dem Kölner Trainer ebenfalls eine Gelbe Karte ein, später bat Baumgart den Schiedsrichter um Entschuldigung.

Mit seiner Mannschaft hatte er nicht so schnell Frieden schließen können. Keller zeigte sich immerhin überzeugt, dass der Mut bis zum Gastspiel auf dem Betzenberg wieder hergestellt sein wird. „Das Trainerteam kriegt das hin. Wir werden am Dienstag ein anderes Gesicht zeigen, und zwar nicht nur fußballerisch. Achtsamkeit, Mut, Überzeugung: Das alles findet ja nicht in den Beinen statt, sondern im Kopf.“

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