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Nach dem Top-Start des 1. FC KölnSeltene Glücksgefühle in Müngersdorf, realistische Einordnungen

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Köln, RheinEnergieStadion, 31.08.2025: Head coach Lukas Kwasniok of Koeln celebrates the 3:0 goal from Jan Thielmann of Koeln the 1.Bundesliga 1.FC Koeln vs. SC Freiburg. *** Köln, RheinEnergieStadion, 31 08 2025 Head coach Lukas Kwasniok of Koeln celebrates the 3 0 goal from Jan Thielmann of Koeln the 1 Bundesliga 1 FC Koeln vs SC Freiburg

Abgefahren: FC-Trainer Lukas Kwasniok nimmt seinen Assistenten Frank Kaspari nach dem Tor zum 3:0 huckepack.

Beim Aufsteiger sind die Verantwortlichen nach dem 4:1 über Freiburg auf die richtige Einordnung des Spiels bedacht. Doch die Stimmung steckte alle an.

Der SC Freiburg und der FSV Mainz 05: Diese Klubs wurden in der jüngeren Vergangenheit an erster Stelle genannt, wenn es um vorbildliche Arbeit ging, an der sich ein Verein wie der 1. FC Köln ein Beispiel nehme könnte. Zwar lassen sich die Standorte nicht unbedingt vergleichen, der FC hat mehr Tradition, mehr Fans, mehr Mitglieder und vor Ewigkeiten auch Titel geholt, dennoch wurden die Kölner eben von jenen Klubs in der jüngeren Vergangenheit sportlich und wirtschaftlich überholt.

Mainz und Freiburg (mit einer Ausnahme in der Saison 2015/16) gehören jeweils seit 16 Jahren der Bundesliga an, betreiben eine kluge Transfer- und Nachwuchsarbeit. Resultat: Die Freiburger schlossen die letzten vier Saisons auf den Plätzen sechs, fünf, zehn und fünf ab und sind fast so etwas wie ein Dauergast in Europa, die Mainzer auf den Rängen acht, neun, 13 und sechs. Sie generierten zudem signifikante Transfereinnahmen. Das alles hat man dem 1. FC Köln voraus.

Verschiebt sich in dieser Saison etwas? Am ersten Spieltag der aktuellen Saison gewann der Aufsteiger aus Köln mit 1:0 in Mainz. Am zweiten Spieltag demontierte der FC die Breisgauer beim 4:1-Sieg. Während es beim FC mit Rav van den Berg, Sebastian Sebulonsen, Kristoffer Lund, Isak Johannesson, Jakub Kaminski und Marius Bülter gleich sechs Neuverpflichtungen in die Startelf des neuen FC-Trainers Lukas Kwasniok schafften und dieser im Verlauf auch noch die Neuzugänge Tom Krauß, Said El Mala und Ragnar Ache von der Bank aus brachte, stand bei Freiburg mit Yuito Suzuki gerade einmal eine Neuerwerbung zu Beginn auf dem Platz. Dafür aber zahlreiche Routiniers, die für den Freiburger Erfolg standen, von denen einige aber ihren Zenit überschritten haben könnten: Christian Günter (32), Matthias Ginter (31), Lukas Kübler (33), Vincenzo Grifo (32) oder Lucas Höler (31). Beim Tempo der Kölner konnten sie nicht mithalten. Und Abgänge wie Verteidiger Kiliann Sildillia (23, nach Eindhoven) und vor allem Ritsu Doan (27, nach Frankfurt) wurden schmerzlich vermisst.

1. FC Köln: Aufsteiger jubelt auch noch über Premierentor von El Mala

Beim FC sieht es nach drei Pflichtspielsiegen zum Start dagegen gut aus. Nach dem glücklichen Zitter-Erfolg im DFB-Pokal in Regensburg wurde es kontinuierlich besser: In Mainz ließen die Kölner wenig zu und schlugen am Ende selbst zu, Freiburg wurde nach einer schwierigen Anfangsphase im Verlauf der Partie fast überrannt. Kwasniok konnte durch seine Wechsel Impulse ins Spiel bringen, vor allem der 19-jährige Said El Mala, der erstmals über ein eigenes Bundesligator jubeln durfte, beeindruckt durch seine Unbekümmertheit und Fähigkeiten. Der Trainer konnte sich sogar noch den für einen Aufsteiger erstaunlichen Luxus erlauben, gestandene Spieler wie Luca Waldschmidt und Linton Maina nicht mal einzuwechseln. Die Kölner erfreut eine Situation, die noch eine Momentaufnahme ist. Die aber berechtigten Anlass zur Hoffnung gibt.

„Heute ist vieles für uns in die richtige Richtung gelaufen. Darüber kann man sich sehr freuen, das tun wir alle. Wir müssen das aber auch vernünftig einordnen, weil nicht alles so war, dass man Freiburg hier aus dem Stadion gefegt hat. Ich habe viele Dinge gesehen, wo wir mit Ball auch noch bessere Entscheidungen hätten treffen können“, war Sportdirektor Thomas Kessler, der im Wesentlichen für die neuen Transfers verantwortlich ist, um eine realistische Einschätzung bemüht. Der Ur-Kölner weiß, dass man Jubelarien und euphorische Gesänge rund um den FC nicht immer ganz so ernst nehmen sollte: „Wir sind hier in Köln, wir sind gut darin, uns selbst auf die Schippe zu nehmen – in die Richtung habe ich heute viel gehört. Wir haben letztes Jahr sehr dafür gekämpft, zurück in die Bundesliga zu kommen. Wenn man dann im ersten Heimspiel vier Tore schießt, haben die Leute jedes Recht, sich darüber zu freuen.“

1. FC Köln vs. SC Freiburg, 2. Spieltag, 31.08.2025, 19.30 Uhr, Jubel nach dem Spiel vor der Südtribüne (1. FC Köln), Bild: Herbert Bucco

Daran könnten sich Spieler und Fans des 1. FC Köln gewöhnen: Die Mannschaft feiert nach dem 4:1-Sieg gegen Freiburg mit den Anhängern vor der Südkurve.

Zur gleichen Einschätzung kam auch Kwasniok. Er wolle ja nicht pingelig sein, doch vor seiner Mannschaft liege noch viel Arbeit, befand der Coach. Durch das frühe 2:0 zu Beginn der zweiten Halbzeit durch Bülter (47.) sei das Selbstvertrauen der Mannschaft immens gestiegen. „Mit der Euphorie, die im Stadion herrschte, konnten die Jungs das dritte und das vierte nachlegen. Die Leistung war in Ordnung, sie war nicht top-top. In Mainz hatten wir das Glück auf unserer Seite, heute war es ein verdienter Sieg, auch wenn er vielleicht etwas zu hoch ausgefallen ist. Wir freuen uns über den Saisonstart, können ihn aber gut einordnen und werden weiter hart arbeiten. Wir wollen unser Punktekonto aufpumpen. Wir müssen die Kirche im Dorf behalten, aber Siege in der Bundesliga darfst du ausgiebig feiern.“ Auch der Coach lobte die „Selbstironie“ der Fans.

Für mich ist das ganz anders als in Wolfsburg. Die Leute hier sind alle verrückt, ich mag das
FC-Neuzugang und Torschütze Jakub Kaminski, der zuvor beim VfL Wolfsburg spielte

Für einige Neuzugänge ist die Atmosphäre bei FC-Spielen ungewohnt. Die allerdings enorm beflügeln kann. Die Torschützen Bülter, der aufgrund einer eher schwachen Trainingswoche beinahe nicht gespielt hätte (Kwasniok: „Marius hatte zwei schlechte Trainingstage, die Laufleistung hat nicht gepasst“) und Jakub Kaminski etwa, der bis dato einen hervorragenden Eindruck hinterlässt und längst nicht mehr der Mitläufer ist, der er bei seinem Ex-Klub Wolfsburg war. „Wir haben die ganze Stimmung und Energie mit auf den Platz genommen. Für mich ist das ganz anders als in Wolfsburg. Die Leute hier sind alle verrückt, ich mag das. Der FC ist ein großer Verein mit großer Tradition und großer Stimmung. Wir brauchen das, das ist unser zwölfter Spieler auf dem Platz“, sagte der 23-jährige Pole in sehr passablem Deutsch – und strahlte über das ganze Gesicht. Die gute Grundstimmung, die neuen Optionen im Kader, die der neue Trainer hat, die kleine Euphoriewelle, die man gerade reitet: Vielleicht liegt vor dem Aufsteiger keine Zittersaison, vielleicht entsteht gerade etwas Gutes.