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Die französische Nationalmannschaft feiert am Mittwoch ihr zweites Tor im Halbfinal-Spiel gegen Marokko.

Jubelnde Franzosen – eines der Bilder dieser WM.

Die französische Mannschaft spielt so wie vor vier Jahren – erfolgreich, effektiv, kühl. Dieser Stil ist ihr Programm. Damit ist Frankreich auch im aktuellen WM-Finale favorisiert.

Tief in der zweiten Hälfte, die Franzosen führten schon mit 1:0, schien es, als wolle der Weltmeister freiwillig ein Gegentor fangen. Die Mannschaft zog sich in zwei Linien zurück, abwartend, der Gegner aus Marokko durfte kombinieren. Das 1:1 schien eine Frage der Zeit.

Der besondere Matchplan

Aber genau das war der Matchplan nach dem frühen Führungstor. Sich angeschlagen stellen, Müdigkeit vorspielen, dabei aber schon hellwach auf die Lücken spähend, die sich in der marokkanischen Deckung bei einem plötzlichen Ballgewinn ergeben würden. Und so kam es, dass auf exakt diese Weise eben nicht das 1:1 fiel, sondern das 2:0 für Frankreich, die Entscheidung, die vierte Endspielteilnahme bei einer WM, die zweite in Folge war perfekt.

Wer sich eine solche Taktik ausdenkt, muss Gewissheit über viele Dinge haben. Die eigene Mannschaft muss derart gefestigt in ihrer Deckungsarbeit sein, dass keinerlei Angriffe sie schrecken können, weil sie weiß, wie sie sie entschärfen kann. Sie muss das Vermögen haben, vor dem Strafraum mit eleganten, foularmen Tacklings den Ball zu erobern, um einen Konter einzuleiten, das Mittel der Wahl, um eigene Tore zu erzielen.

Frankreichs Trainer Didier Deschamps jubelt nach dem Einzug seines Teams in das WM-Finale von Katar.

Frankreichs Trainer Didier Deschamps.

Sie muss, vor allem, an sich selbst glauben, harmonieren, gemeinsam hart arbeiten und wissen, dass ihr angesichts der eigenen Stärke niemand etwas anhaben kann. Und tatsächlich: All das ist dieser französischen Auswahl gegeben, die – auch das noch – auf vier verletzte Stammspieler verzichten muss, die gar nicht erst mit nach Katar gereist sind.

Erkannt zu haben, dass diese Mittel in dieser Elf stecken, ist die vielleicht größte Leistung ihres Trainers Didier Deschamps. Er verfügt im Vergleich zu seinen Kollegen über die wohl großzügigste und großartigste Auswahl an Weltklasse-Spielern, schließlich spielen weit über hundert Franzosen in England, Spanien, Deutschland und Italien.

Deschamps, der Sicherheitsfanatiker

Natürlich könnte Deschamps seine Elf angesichts dieser Kapazitäten spektakulärer spielen lassen. Doch der einstige defensive Mittelfeldspieler schätzt Ordnung und Disziplin viel mehr, Methoden, mit denen er selbst auf dem Platz erfolgreich war und ohne die er sich kein Fußballspiel vorstellen kann.

Das mag kühl wirken und abgeklärt – es ist aber eine effiziente Methode, die angesichts eines exquisiten Kaders wenig Gegentore und viel Erfolg verspricht. Und damit ist sie höchst legitim.

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