Bayer-04-KriseDie vier großen Baustellen des Trainers Xabi Alonso

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Xabi Alonso

Leverkusen – Viel wird nicht geredet  in diesen Tagen bei Bayer 04 Leverkusen. Das 1:5-Debakel in Frankfurt und die Tabelle hat  offensichtlich erst einmal allen die Sprache verschlagen. Platz 16 mit acht Punkten nach zehn Bundesliga-Spieltagen ist eine brutale Botschaft. Weil die Werkself unter dem inzwischen freigestellten Trainer Gerardo Seoane bereits im ersten Pflichtspiel in Elversberg aus dem Pokal ausgeschieden war, hat der neue Trainer Xabi Alonso erstmals eine ganze Woche zur Vorbereitung auf das nächste Spiel am Samstag um 15.30 Uhr gegen den VfL Wolfsburg. Seine Ankündigung: „Wir müssen Schritt für Schritt besser werden.“ Wir benennen die größten Probleme.

Fehlender Teamgeist Auffallend an den Aussagen der Spieler nach dem Zusammenbruch von Frankfurt war der Hinweis auf  fehlendes Gemeinschaftsgefühl. Kerem Demirbay erklärte deutlich: „Das ist eine Botschaft an alle: Wir kriegen es nur gemeinsam hin.“ Und Robert Andrich meinte: „Wir müssen uns vor Augen führen, dass es nur zusammen geht.“ Es wäre interessant, herauszufinden, wohin der einst durchaus existierende Zusammenhalt in diesem Kader verschwunden ist. Warum diese Gruppe vom ersten Spiel der Saison an immer wieder an den geringsten Widerständen scheitert, wenn sie nicht wie in Mainz extremes Spielglück oder gegen Schalke einen nicht konkurrenzfähigen Gegner hat. Warum zwei gestandene deutsche Profis ihre Stimme erheben, während die meisten anderen in ihre Welten verschwinden.

Fehlende gemeinsame Sprache Womöglich war die erstaunliche Vielsprachigkeit des Schweizer Trainers Gerardo Seoane irgendwann zum Nachteil geworden, wenn er den Profis wahlweise auf Französisch, Spanisch, Englisch, Deutsch, zur Not auch auf Portugiesisch Anweisungen gab. Und die Mannschaft am Ende zu wenig dazu gezwungen war, sich auf eine gemeinsame Sprache des Fußballs zu einigen. Unter Xabi Alonso, so viel steht fest, kann dieses Problem nicht entstehen. Der Spanier mit den etwas verschütteten Deutsch-Kenntnissen beschränkt sich im Umgang mit der Mannschaft weitgehend auf ein Basis-Englisch.

Fehlende Anführer Innerhalb der letzten drei Monate sind mit Ausnahme von Jeremie Frimpong alle, ausnahmslos alle Spieler eine Klasse schlechter geworden als sie es am Ende der vergangenen Saison waren. Die Anzahl persönlicher Fehler, die dem Gegner Strafstöße, geschenkte Tore und Chancen en Masse beschert haben, sind weder systembedingt noch taktisch verursacht.

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Offenkundig ist, dass die Mannschaft keine natürliche Hierarchie besitzt, auf die sie sich in Krisenmomenten verlassen kann. Lukas Hradecky ist zwar Kapitän und Lautsprecher im Tor, kann aber auf ein laufendes Spiel keinen Einfluss nehmen. Abwehrchef Jonathan Tah stellt sich immer allen Fragen, aber er als ruhiger und freundlicher Mensch ist niemand, der die anderen aufrüttelt. Robert Andrich entspricht noch am ehesten dem aggressiven Anführer im Spielzentrum und hat auch den Mut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. In der vergangenen Saison hat er das mehrfach getan und die Kollegen für mangelnde Streitkultur und fehlenden Biss kritisiert. Aber diese Aufrufe eines Spielers, der am Ende des Sommertransferfensters 2021 zum Team gestoßen war, stießen beim Rest des Kaders eher auf wenig Interesse.

Fehlender Florian Wirtz Hinzu kommt das Problem, dass die international begehrten Spieler mit der herausragenden Einzelqualität Schweiger und Spezialisten sind wie Patrik Schick und Moussa Diaby. Sie lassen alleine Tore und Assists sprechen. Bleiben diese aus, wirken beide nicht wie Führungsspieler.

Und dann fehlt natürlich Florian Wirtz auf eine Weise, die man kaum für möglich gehalten hätte. Als sich der inzwischen 19-Jährige am 13. März gegen den 1. FC Köln einen Kreuzbandriss zuzog, glaubte man, das Team werde vor allem seinen genialischen Umgang mit Ball, Raum und Geschwindigkeit vermissen. Inzwischen zeigt sich, dass auch der Mut, die Unbeugsamkeit und der absolute Siegeswille fehlen, die Wirtz auch in Spielen ausgezeichnet haben, in denen er nicht durch Zaubereien glänzte.

Xabi Alonso, der vorerst übrigens nur bei den offiziellen Pressekonferenzen mit den Medien spricht, wird den Nationalspieler Florian Wirtz im Vollbesitz seiner Kräfte erst im neuen Jahr bekommen. Ein Comeback scheint allerdings noch vor Beginn der WM-Pause Mitte November möglich, denn der Nationalspieler kündigte am Dienstag eine Rückkehr ins Teamtraining mit den Worten an: „Es wird nicht mehr lange dauern.“

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