„Ich bin einer, der groß denkt"Granit Xhaka schließt die Komfortzone bei Bayer 04

Lesezeit 5 Minuten
Granit Xhaka im Bayer-04-Outfit bei einer seiner ersten Trainingseinheiten.

Granit Xhaka im Bayer-04-Outfit bei einer seiner ersten Trainingseinheiten.

Granit Xhaka (30) soll bei Bayer 04 Leverkusen Führungsaufgaben übernehmen - und so tritt er auch direkt auf.

Komfortzone Bayer 04 Leverkusen - dieses Stigma verfolgt den Klub nun schon viele Jahre. Bayer 04 wird in weiten Teilen der Fußballbranche als Verein wahrgenommen, der als Top-Adresse für große Talente gilt, die dort in Ruhe an ihrem nächsten Karriereschritt arbeiten können. Was nicht per se schlecht muss, bringt ein Problem für den Verein mit sich: Mit dieser Ausrichtung - so die Vermutung - kann keine Gewinnermentalität entstehen, die für Titelgewinne elementar ist. Damit soll nun aber endgültig Schluss sein. Möchte man diese Zäsur personifizieren, heißt sie Granit Xhaka.

Vier Tage früher als geplant stieg der Zugang, den die Leverkusener für etwas mehr als 15 Millionen Euro vom FC Arsenal aus London verpflichtet haben, am Donnerstag ins Training bei seinem neuen Klub ein. Das wurde im Xhaka-Familienrat so beschlossen, denn der Schweizer Nationalspieler ist sich seiner neuen Rolle bewusst und vergeudet keine Zeit, sie auch auszufüllen: „Ich brauche nicht so viel Pause, war zweieinhalb Wochen mit meiner Familie weg, dann habe ich mit ihr gemeinsam entschieden, dass ich ein bisschen früher ins Training einsteige“, erklärt er nach seiner insgesamt dritten Einheit mit dem neuen Team. „Es ist wichtig für mich, schnell alle hier kennenzulernen. Und ich wollte damit auch den Leuten zeigen, dass ich nicht hierhin gekommen bin, um Spaß zu haben. Der Trainer hat mir die Rolle gegeben, diese Mannschaft mit meiner Erfahrung mitzuziehen - und das ist mir sehr wichtig.“

Vor etwas mehr als drei Monaten habe es die erste Kontaktaufnahme zu ihm gegeben. Vor allem Trainer Xabi Alonso, gegen den Xhaka in seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach selbst noch gespielt hatte, habe eine entscheidende Rolle beim Transfer gespielt. „Der Trainer ist ein Vorbild für jeden jungen Spieler, damals wie heute“, betont Xhaka und berichtet davon, dass auch ein Top-Star wie er vor anderen Sportgrößen Ehrfurcht empfinden kann: „Xabi ist eine Riesen-Persönlichkeit. Zu solch einem Spieler und Trainer schaut man auf. Sogar für mich war es etwas Besonderes, als ich ihn zum ersten Mal am Telefon hatte.“

Beleidigungen von Arsenal-Fans

Ideen und Philosophie hätten ihn direkt überzeugt, so dass er bei Arsenal schnell klargemacht habe, dass sein Weg nur nach Leverkusen führen werde. Sieben Jahre hatte er zuletzt bei den Gunners verbracht - mit Höhen und Tiefen. 2019 kam es zu einem Disput zwischen Xhaka und den Anhängern, der eskalierte. Der damalige Arsenal-Kapitän legte sich mit Fans, die ihn bei einer Auswechslung ausgebuht hatten, an. Er beschrieb diese Phase mit zahlreichen Beleidigungen später so: „Ich kann die Wut sehen. Es ist nicht einfach so, dass sie mich nicht mögen. Es ist Hass, purer Hass. Dieses Level an Hass und Respektlosigkeit wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht.“

Doch der gebürtige Baseler mit kosovo-albanischen Wurzeln ließ sich nicht aus dem Klub drängen, kämpfte sich eindrucksvoll zurück, und sagt jetzt: „Aus dieser Phase zurückgekommen zu sein, hat mir gezeigt, welche Persönlichkeit ich habe. Ich habe daraus gelernt, bin stärker geworden und bin jetzt mit großem Applaus gegangen. Das war mein Ziel Nummer eins, und das habe ich erreicht.“

Nun also das Projekt Leverkusen. Kolportiert wurde, dass seine Frau Leonita maßgeblich dazu beigetragen habe, dass es zurück ins Rheinland geht. Xhaka lacht, als er darauf angesprochen wird. „Das habe ich auch gelesen. Vielleicht wissen die englischen Journalisten mehr als ich“, sagt er. „Nein, das war nicht der Grund. Meine Frau hat mir von Anfang an gesagt, dass sie bei allem dabei ist. Es war keine Entscheidung für meine Frau, sondern für Leverkusen. Dass meine Frau aus Gladbach kommt, ist aber natürlich schön für sie. Die Wege sind jetzt kürzer.“ Eine Rückkehr zur Borussia habe hingegen nicht zur Debatte gestanden: „Das war nie ein Thema, ich wurde auch in den vergangenen sieben Jahren, als ich in London war, nie kontaktiert von Gladbacher Seite. Aber ich hatte bei der Borussia wunderschöne vier Jahre, das wird immer bleiben.“

Xhaka-Vertrag läuft bis 2028

Xhaka hat für fünf Jahre bis 2028 bei der Werkself unterschrieben. Dass er vorhat, in diesem Zeitraum einen Titel zu gewinnen, muss er gar nicht direkt sagen, das hört man in jeder Zwischenzeile. „Ich bin einer, der groß denkt. Ich habe hohe Ansprüche an mich, aber auch an die Mannschaft und den Klub“, sagt er etwa. Und: „Diese Mannschaft gehört ganz oben hin, das müssen wir zeigen.“

Er selbst habe sich im Vergleich zu seiner Gladbacher Zeit natürlich weiterentwickelt. Dass er dadurch nun aber auf dem Platz zaghafter zu Werke gehen würde, weist er weit von sich: „Ich bin noch der gleiche Typ, das ist mein wahres Gesicht. Ich will mich auch nicht für die anderen verändern. Das ist mein Spielstil. Klar ist man mit 19 anders drauf als mit 30, man geht vielleicht ein bisschen anders in Zweikämpfe. Als ich 19 war, habe ich auch durchgezogen, als ich gesehen habe, dass ich zu spät komme. Das mache ich vielleicht nicht mehr“, sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: „Mein Ziel ist es jedenfalls nicht, in jedem fünften Spiel eine Rote Karte zu kassieren wie damals.“ Klar, der neue Aggressive Leader der Werkself will als Führungsspieler schließlich stets mit gutem Beispiel vorangehen.

KStA abonnieren