Bayer 04 nach der Niederlage in BrüggeFür Seoane bleiben drei Schicksalsspiele

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Bayer 04 Trainer Gerardo Seoane beim Champions-League-Spiel in Brügge.

Leverkusen – Als die Klubchefs von Bayer 04 Leverkusen am Donnerstagmorgen zu Hause beim Frühstück saßen, erfuhren sie an den Endgeräten vom Coup ihres Konkurrenten RB Leipzig. Kaum zwei Tage nach der Champions-League-Niederlage gegen Shaktar Donezk und einen Tag nach der Trennung von Trainer Domenico Tedesco präsentierten die Sachsen Marco Rose (früher Salzburg/Mönchengladbach/Dortmund) als neuen Trainer. Das erschien wie eine seit Langem vorbereitete Wunschlösung. Von solch blitzartigen Entscheidungen ist man beim Werksklub weit entfernt, obwohl die Pleitenserie Mittwochabend in Belgien weitergegangen war.

Das 0:1 beim FC Brügge war die sechste Niederlage in den ersten sieben Pflichtspielen der Saison. Dem DFB-Pokal-Aus in Elversberg und dem Abrutschen ins letzte Drittel der Bundesliga folgte der Fehlstart in die Champions League.

Hochdekorierte Bayer-Offensive trifft nicht

Das Personal von Bayer 04 hat im Moderieren solcher Niederlagen eine unheilvolle Routine entwickelt. Trainer Gerardo Seoane („Das Spielglück war heute nicht auf unserer Seite“) weigerte sich wie immer, seine Mannschaft hart zu kritisieren und suchte die Gründe in fußballerischen Details. Aus dem sprechenden Teil des Teams kam vor allem Selbstkritik. Am heftigsten von Lukas Hradecky, der sich diesmal den entscheidenden Aussetzer leistete. „Immer bekommen wir so Scheiß-Gegentore“, fluchte der Finne, der im Anschluss an eine Ecke in der 43. Minute mitsamt dem Ball ins Tor geflogen war, als hätte er mit bloßen Händen eine Kanonenkugel aufgefangen. Bereits beim 2:3 gegen den SC Freiburg hatte Leverkusen zwei Gegentore nach Eckbällen bekommen.

Dass es den Kollegen nicht gelang, beim belgischen Meister einen Treffer zu erzielen, obwohl am Ende die ganze hochdekorierte Offensivabteilung auf dem Platz stand, war ein anderes Thema. Einmal war der Pfosten im Weg, beim vermeintlichen Ausgleich stand Jonathan Tah mit Zehenbreite im Abseits. Ein wunderschönes Fallrückziehertor von Patrik Schick war deutlich sichtbar wegen derselben Regel nicht gültig. Man sprach viel über diese Einzelheiten und die Steigerung in der zweiten Halbzeit, in der die Mannschaft einen soliden, aber keineswegs überragenden Gegner wenigstens unter Druck setzen konnte, nachdem sich Gerardo Seoane vom rein reaktiven System mit drei Innenverteidigern verabschiedet hatte.

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Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes stellte einmal mehr klar, dass sein am Wochenende geäußertes Treuebekenntnis zum Seoane weiter gelte. „Das nackte Ergebnis ist die Realität“, sagte der langjährige Kapitän vieler Bayer-04-Mannschaften, „aber wir alle und auch der Trainer müsse daran arbeiten, dass es besser wird.“ Drei Spiele in sieben Tagen werden über das Schicksal von Gerardo Seoane entscheiden. Am Samstag heißt der Gegner mit Heimrecht Hertha BSC Berlin (15.30 Uhr), danach empfängt Bayer 04 den Top-Klub Atlético Madrid (Dienstag, 21 Uhr), ehe Werder Bremen in der Bay-Arena auftaucht.

Während Gerardo Seoane (Vertrag bis 2024) versucht, bei diesen Gelegenheiten „den Bock umzustoßen“, wird bereits öffentlich über Nachfolgemöglichkeiten diskutiert für den Fall, dass dies bis Ende nächster Woche nicht gelingt. Die Fantasien reichen bis hin zu Thomas Tuchel, der 2017 mit Bayer 04 Kontakt hatte, ehe sich die Dinge zerschlugen und der Fußball-Lehrer in Paris und Chelsea seinen Aufstieg zum internationalen Top-Trainer begann.

Tuchel Kandidat in Leverkusen?

Eine konkrete Grundlage haben diese Mutmaßungen allerdings nicht, weil sich Klubchef Fernando Carro und Simon Rolfes offenbar tatsächlich nur auf den Plan A mit Seoane konzentriert haben. Außerdem wäre die Frage, ob Thomas Tuchel, Fifa-Welttrainer des Jahres 2021, Bayer 04 aktuell als seine fußballerische Gewichtsklasse akzeptieren würde.

Am Freitag fahren die Leverkusener alle zusammen nach Berlin und versuchen, irgendwie ein Spiel zu gewinnen. „Man muss alles ausblenden. Denn bevor es am Ende alle vergessen erinnert Simon Rolfes an das, worum es geht: „Klar ist, wir spielen Fußball, um Spiele zu gewinnen.“ 

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