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Perfektes Match?Mit Verspätung – Hjulmand soll Bayer 04 zu bekannter Stärke führen

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Kasper Hjulmand bei seiner ersten Einheit als Bayer-Trainer am Mittwoch.

Kasper Hjulmand bei seiner ersten Einheit als Bayer-Trainer am Mittwoch.

Kasper Hjulmand hat seine Arbeit bei Bayer 04 Leverkusen aufgenommen. Dazu hätte es aber auch schon früher kommen können.

Ich bin ich – diese Aussage ist Kasper Hjulmand enorm wichtig, er wiederholt sie sehr oft. Er werde sich nicht verstellen und sei deshalb sehr froh darüber, zu wissen, dass er das in Leverkusen auch nicht muss. „Nur ein Klub konnte mir dieses Gefühl geben, wieder eine Mannschaft übernehmen zu wollen – und das war Bayer 04“, sagt der neue Chefcoach bei seiner Vorstellung am Mittwochvormittag in der Bay-Arena.

Nach der schnellsten Beurlaubung eines Trainers in der Historie der Fußball-Bundesliga soll Hjulmand als Nachfolger von Erik ten Hag den Umschwung bei der Werkself herbeiführen – spielerisch wie zwischenmenschlich. Warum ausgerechnet Bayer 04 dem ehemaligen dänischen Nationaltrainer dieses Gefühl geben konnte, erklärt sich aus der Beziehung zwischen Klub und Hjulmand. Simon Rolfes und der 53-Jährige kennen und verstehen sich bereits seit mehreren Jahren sehr gut. Bereits mehrmals hatte Bayers Sportgeschäftsführer die Idee im Kopf, Hjulmand nach Leverkusen zu lotsen, doch es blieb stets bei der Theorie.

Der Kontakt riss aber nie ab – auch durch gemeinsame Kollegen und Freunde. Ismael Camenforte war Teil des Trainerstabs unter Hjulmand bei der dänischen Nationalmannschaft zwischen 2020 und 2023. Zwischendurch warb ihn Leverkusen an – Camenforte arbeitete parallel im Klub und beim Verband, zunächst als Leiter Methodik für den Nachwuchsbereich, ab 2022 dann im Profibereich als Athletiktrainer, ehe er im Sommer Bayer04 zusammen mit Xabi Alonso in Richtung Real Madrid verließ. „Ich kenne also den Arbeitsstil, die Trainingsmethodik hier. Das ist auch, wie ich arbeiten möchte“, betont Hjulmand.

Hjulmand will niemandem etwas beweisen

Zudem trifft der neue Chefcoach auch auf Keld Bordinggaard, der seit 2021 als Leiter der Trainerakademie bei Bayer 04 arbeitet. Sein Landsmann war in der Saison 2014/2015 Hjulmands Co-Trainer. Damals hatte er Thomas Tuchel beim FSV Mainz 05 beerbt, wurde aber aufgrund anhaltender Erfolglosigkeit nach 24 Spieltagen entlassen. Ist das Projekt Bayer 04 also auch der Versuch, die Bundesliga als schwarzen Fleck auf der ansonsten so weißen Vita-Weste zu beseitigen? „Nein“, sagt Hjulmand. „Ich tue nichts, um irgendjemand irgendetwas zu beweisen.“ Rolfes kann es am Mittwoch nicht lassen, bei der Auftragsbeschreibung für den Neuen, dem niederländischen Ex-Trainer im Subtext noch ein paar Ohrfeigen mitzugeben: „Es ist wichtig, einfach einen guten Alltag zu haben: gute Arbeit, gute Trainingsarbeit, ein gutes Miteinander, dass die Chemie stimmt. Und auch Führung der Gruppe.“ Im Sommer dieses Jahres und auch schon 2021 hatte Rolfes von Hjulmand Absagen für den Trainerjob in Leverkusen kassiert. Dass es nun passte, darf man getrost als glückliche Fügung bezeichnen.

Nach seinem Rücktritt als dänischer Nationaltrainer mit dem Aus bei der Europameisterschaft 2024 gegen Deutschland (0:2) in Dortmund verschrieb sich Hjulmand einem Großprojekt im dänischen Fußballverband DBU: der Planung eines Campus. „Es ist ein riesiges Projekt, nicht nur mit Gebäuden, sondern auch mit einer Art der Denkweise, einer Art der Entwicklung des Fußballs in Dänemark“, erklärt Hjulmand, der deshalb allen Jobanfragen – unter anderem auch als belgischer Nationalcoach – Absagen erteilte. Er hätte ein Versprechen gegeben, das Projekt voranzutreiben, bis es genehmigt worden ist. Dieses „Go“ gab es mit leichter Verspätung in der vergangenen Woche. „Wenn ich etwas verspreche, halte ich es auch. Hätten die Geldgeber mir gesagt, sie lassen mich nicht gehen, wäre ich auch nicht gegangen“, sagte Hjulmand, der nach dem ihm grünes Licht gegeben wurde, kurzfristig alle vertraglichen Bindungen zum dänischen Verband löste, um den Job in Leverkusen antreten zu können. „Es waren intensive Tage für uns beide“, sagt Rolfes lächelnd. Hjulmands Vertrag geht erst einmal über knapp zwei Jahre bis Juni 2027.

Interessantes Trainertrio

Die Besetzung an seiner Seite ist spannend. Neben ten Hag setzte Bayer 04 nun auch einen seiner beiden Assistenten, Andries Ulderink, vor die Tür. Rogier Meijer bleibt hingegen als Co-Trainer erhalten, dazu steigt Sergi Runge als bisheriger U-19-Cheftrainer zum zweiten Assistent bei den Profis auf. Ein Däne, ein Niederländer und ein Spanier leiten somit das Training der Werkself. „Dass es verschiedene Hintergründe im Trainerteam gibt und wir ein diverses Team sind, ist großartig“, sagt Hjulmand. „Auch das Trainerteam ist neuformiert, so wie die Mannschaft, wir müssen jetzt untereinander intensiv arbeiten. Für mich geht es darum, Dinge gemeinsam zu tun und die Menschen um mich herum zu stärken, damit sie sich stark fühlen und sie selbst sein können. Die Qualität im Trainerteam ist sehr hoch und ich bin sehr froh über diese Konstellation.“

Viel Zeit bleibt dem Trainerteam nicht, um sich zu finden und ihre Pläne dem stark veränderten Kader zu vermitteln. Zwei Trainingseinheiten am Mittwoch und Donnerstag müssen reichen, um am Freitagabend (20.30 Uhr, Sky) gegen Eintracht Frankfurt den schlechten Bundesligastart mit nur einem Punkt aus zwei Partien nicht zu einem katastrophalen Start werden zu lassen. Hjulmand, so sagt er, ist kein Freund vom Schubladendenken. „Ich mag es nicht, wenn Labels auf Menschen geklebt werden“, betont er. „Ich bin in jedem Fall fordernd, möchte Disziplin sehen und sehe immer Verbesserungsmöglichkeiten – bei mir, dem Staff, den Spielern. Ich muss nicht laut sein, um ein Leader zu sein. Natürlich kann ich auch strenger sein, insgesamt bin ich aber sehr kommunikativ. Fernando und Simon wissen, wie ich bin. Ich sage geradeheraus, was ich denke. Ich verstecke nichts. Das erwarte ich auch von den Menschen um mich herum.“

Und so hat er bereits zu Beginn dieser Woche mit einigen Spielern per Telefon den Kontakt gesucht. Damit hat Hjulmand seinem Vorgänger schon einiges voraus, denn Erik ten Hag verzichtete auf diese Anrufe, was zu erstem Unmut in der Mannschaft führte.