Der Geschäftsführer des Doublesiegers fährt eine Attacke aus dem Bauch heraus und erschafft in Zeiten der Leverkusener Ruhe unnötige Aufregung.
EntgleisungenFernando Carros Breitseite gegen den FC Bayern schadet Bayer 04
Die inoffiziellen Erfinder der „Abteilung Attacke“ residieren in noblen Vierteln rund um München. Uli Hoeneß, der Urvater, am Tegernsee. Karl-Heinz Rummenigge, sein meinungsgewaltiger Nebenmann, in Grünwald. Die beiden Granden des FC Bayern, inzwischen nicht mehr in offiziellen Posten verantwortlich, schufen über viele Jahre die klubintern wie -extern gefürchtete „Abteilung Attacke“.
Wenn etwas gründlich schieflief beim Rekordmeister, suchten Hoeneß und Rummenigge die Flucht nach vorne. Egal, ob auf eilig einberufenen Pressekonferenzen, am TV-Mikro oder in Zeitungs-Interviews. Egal, ob mit der Wahrheit, gefühlter Wahrheiten oder schlichtem Unsinn. Die Offensive diente dem Zweck, den FC Bayern oder sich selbst gegen Kritik oder Häme zu verteidigen. Als Resultat gab es in der Regel Kollateralschäden. Und das ursprüngliche Problem selbst verschwand eine Weile aus dem Fokus.
Fernando Carro ist Leverkusens „Abteilung Attacke“
Auch beim aktuellen Deutschen Meister und Pokalsieger, Bayer 04 Leverkusen, gibt es eine „Abteilung Attacke“ – bestehend aus nur einem Mann: Fernando Carro. Doch der spanische Geschäftsführer des Doublesiegers interpretiert seine Rolle anders. Der Katalane fährt seine Attacken aus dem Bauch heraus. Carros Temperament geht in der Regel mit ihm durch, wenn er ein Mikro in der Hand hält und sein gesprochenes Wort in der Welt ist. Anders als bei niedergeschriebenen Interviews, bei denen der Verein mit dem Werkzeug der Autorisierung ein Mittel der Intervention in den Händen hält. Da kann der Klub den deutlich formulierten Meinungen seines Chefs die Schärfe nehmen.
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Bei Carros Auftritt vor Fanclub-Vertretern am Dienstagabend in der Bay-Arena konnte die Kommunikationsabteilung von Bayer 04 nur hilflos zusehen und -hören, als ihr Chef dem FC Bayern eine in der jüngeren Vergangenheit im Spitzenfußball selten erlebte Breitseite vor den Bug feuerte: „Ich halte von Max Eberl nichts, absolut nichts.“ Dieser Angriff auf den Münchener Sportvorstand dürfte den 60-Jährigen noch eine Weile begleiten. Selbst wenn die Gründe für Carros Ärger in der Causa Tah nachvollziehbar sind, muss sich der Spanier besser im Griff haben. Zumal in Leverkusen kurz vor Saisonstart bisher Ruhe herrschte. Carro hat mit seiner Attacke von keinem Problem abgelenkt, so wie es Hoeneß und Rummenigge gerne tun. Carro hat das Problem erst erschaffen.
Fernando Carro erachtet Treffen mit hunderten Fans als „informellen Austausch“
Seine am nächsten Tag schriftlich mitgeteilte Entschuldigung dürfte kaum helfen. Sie zeugt vielmehr von einer gewissen Naivität Carros, der in Zeiten der sozialen Medien ein Treffen mit hunderten Fans als „informellen Austausch“ bezeichnete. Eine Multiplizierung der Aussagen war unvermeidlich – gerade bei Carros Wortwahl.
Der Schaden ist nun angerichtet, die Münchener „Abteilung Attacke“ dürfte geweckt worden sein und zeitnah reagieren. Ein Verkauf Tahs zu Leverkusener Bedingungen scheint ausgeschlossen. Und Carro, einer der Urheber des grandiosen Leverkusener Erfolgs, muss sich die Frage gefallen lassen, wie es um die eigene Professionalität steht, die er seit seinem Amtsantritt 2018 auf allen Ebenen des Werksklubs einfordert und durchsetzt.