FrauenfußballBayer-Trainer Feifel lobt den FC und beklagt das Männer-Monopol

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Achim Feifel mit Bayer-Spielerin Milena Nikolic

Leverkusen – Achim Feifel hat im Frauen-Fußball viel erlebt. Als der Diplomsportlehrer aus Schwäbisch Gmünd 2005 die Mannschaft des Hamburger SV übernahm, durfte er sie dreimal in der Woche um 19.30 Uhr trainieren. In seiner Zeit beim damaligen russischen Vorzeigeklub FK Rossijanka (2012 bis 2014) hatte er ein internationales Spitzenteam unter sich, das unter vergleichsweise paradiesischen Bedingungen trainierte und sich zu Werbezwecken auch mal im Bikini ablichten ließ.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat arbeitete er in Potsdam unter dem Trainer-Guru Bernd Schröder, dessen harte Methoden im Frauenfußball schon zu DDR-Zeiten legendär waren. Seit 2019 wirkt Feifel erfolgreich bei Bayer 04 Leverkusen. Aus dem Dauer-Abstiegskandidaten hat der 57-Jährige ein Team geformt, das an die oberste Etage der Bundesliga anklopft. Der fünfte Platz der Vorsaison war kein Zufall, wie der aktuell sechste Platz und der Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale gegen Essen zeigen.

„Es hat sich unglaublich viel verändert, seit ich im Frauenfußball angefangen habe“, erklärt Feifel. Alles ist professioneller, schneller, intensiver geworden. Die Frauen trainieren siebenmal die Woche unter Profi-Bedingungen, sie haben Berater an ihrer Seite, für die Stars der Branche werden vor allem bei Wechseln in die englische Top-Liga früher kaum vorstellbare Ablösesummen bezahlt. Die großen deutschen Fußball-Klubs haben erkannt, dass sie ohne Engagement im Frauenfußball unglaubhaft werden. Die Liga strebt nach Ausgliederung aus dem männerdominierten Deutschen Fußball-Bund (DFB). Von echter Akzeptanz sind die Fußballerinnen, so erklärt Feifel, allerdings weit entfernt. Die Zuschauerzahlen bei Liga-Spielen bleiben dürftig. Spitzen-Teams der Liga begrüßen zu ihren Spielen im Durchschnitt 1000 Menschen, der 1. FC Köln knapp 600, Bayer etwa 400. Die mediale Aufmerksamkeit ist mit Männerfußball nicht entfernt zu vergleichen.

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Achim Feifel hat keine Lust auf Diplomatie, wenn er auf dieses Thema angesprochen wird, und er sieht das Phänomen nicht auf Frauenfußball begrenzt:. „Ein Handball-Trainer hat einmal gesagt: ,Es existiert ein Sport-Monopol. Männerfußball.‘ Er hat Recht. Jeden Tag auf allen Kanälen kann ich mir rund um die Uhr alles Mögliche anschauen, bis hinunter in die zweite englische Liga. Überall Männerfußball, Männerfußball, Männerfußball. Dann kommt eine Weile nichts. Dann wieder Männerfußball.“

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Obwohl Feifel bei einer Organisation arbeitet, die im Männerfußball hunderte Millionen Euro umsetzt, kritisiert er die unfairen Kräfteverhältnisse im deutschen Sport. Sie haben für ihn eine gesellschaftliche Dimension. „Das ist aus meiner Sicht eine fragwürdige Geschichte. Fragen sie doch mal die deutsche Handball-Nationalmannschaft der Frauen. Da war eine Weltmeisterschaft, und es kam kein Spiel im deutschen Fernsehen. Kein Spiel. Es geht nicht nur dem Frauenfußball so. DFB-Bundestrainerin Martina Voss hat ja neulich gesagt, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen lieber Soko 1,2,3,4, 5 zeigt als ein Spiel der Frauen-Nationalmannschaft um 19 Uhr. Die Akzeptanz für den Sport generell in Deutschland wieder voranzutreiben, das wäre schon ganz gut für unsere Gesellschaft.“

Abgesehen von der großen, alles durchdringenden Ungleichheit ist Feifel mit den Bedingungen bei Bayer 04 sehr zufrieden. Seit Thomas Eichin 2020 als Leiter der Frauen- und Nachwuchsabteilung eingestiegen ist, hat er einen permanenten Ansprechpartner für alle Belange und einen direkten Draht in die Geschäftsführung. „Die Unterstützung von Bayer 04 ist mit Thomas Eichin erheblich angewachsen, wir spüren da jetzt noch mehr Rückhalt. Er tauscht sich mit den Spielerinnen aus, guckt alle unsere Spiele und versucht, den Bereich nach vorne zu bringen“, lobt der Trainer, „es freut uns, dass die Anerkennung größer wird. Wir genießen auch verbesserte infrastrukturelle Bedingungen, alleine, wenn ich an die Trainingszeiten denke. Seit diesem Sommer können wir um 15 Uhr trainieren. Das sind für uns Mosaiksteinchen der Veränderungen, um voranzukommen.“

Achim Feifel träumt davon, durch die Entwicklung junger Spielerinnen mit Bayer 04 den nächsten Schritt zu tun und irgendwann im Europapokal zu spielen, wie das der TSG Hoffenheim gelungen ist. Die Kräfteverhältnisse hinter den seit Jahren dominierenden Kräften FC Bayern und VfL Wolfsburg beschreibt er so. „Eintracht Frankfurt gibt richtig Gas, auch monetär, Potsdam will auch wieder nach oben kommen und Hoffenheim ist eine klasse Mannschaft, die gewachsen ist. Das ist auch unser Vorbild. Der 1. FC Köln ist zu beachten, die hatten letztes Jahr in der Zweiten Liga schon eine Erstligamannschaft. Sie sind auch finanziell gar nicht hintendran. Und das ist auch gut so.“

Feifel begrüßt die Rivalität mit dem Nachbarn, der nach dem Aufstieg unter Trainer Sascha Glass sofort im gesicherten Mittelfeld der Liga - aktuell Platz sieben, direkt hinter Bayer 04 - angekommen ist. Deshalb ärgert ihn auch die 3:4-Niederlage der Hinrunde besonders. „0:3 zur Halbzeit, das war nicht unser Anspruch. Derbys haben zwar eigene Gesetze, aber das sollte nicht vorkommen.“

Diese Rivalität, die auch seine Spielerinnen spüren, spornt den Routinier unter dem Bayer-Kreuz an. „Man sieht, was ein Pokal-Sieg wie unserer gegen Hoffenheim auslösen kann, was für einen Stimmung da war. Diese Momente möchte man erleben“, sagt Achim Feifel, „es gibt jedoch viele Vereine, die das wollen. Und die sind richtig gut aufgestellt. Den Traum vom internationalen Fußball muss man aber haben, sonst lohnt sich das alles nicht.“

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