Rudi Völlers letzte SaisonDie Bayer-Ikone hat noch keine Lust auf Wehmut

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Rudi Völler beim Spiel gegen Borussia Mönchengladbach

Leverkusen – Es gibt für alles ein letztes Mal, aber Rudi Völler (61) hat keine Lust, permanent daran zu denken. Das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach war für den am Saisonende scheidenden Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen der letzte Heimspielauftakt einer Saison im operativen Geschäft. Wehmut hat sich noch nicht eingestellt.

„Ich gehe damit ganz gelassen um“, sagt Völler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und wünscht sich mehr Erlebnisse wie den 4:0-Sieg über einen direkten Konkurrenten vor einem temperamentvollen Publikum von gut 15 000 Zuschauern. „Ich genieße das. Wir hatten eine super Stimmung. Es wäre schön, jetzt noch einmal eine gute Saison zu haben, unabhängig davon, welche Ziele wir im Einzelnen erreichen.“

Hoffnung nach Bundesliga-Auftakt der Werkself

Die ersten beiden Spiele in der Bundesliga geben zu Hoffnungen Anlass. Die neuen Spieler haben ihre Qualitäten gezeigt, der neue Trainer hat seine Vorstellungen schon auf dem Platz sichtbar machen können. Diese Flexibilität unter Gerardo Seoane ist Völler positiv aufgefallen. „Bei Union Berlin, einem sehr starken Gegner, hatten wir eine Halbzeit lang fast 80 Prozent Ballbesitz. Am Samstag hatte Gladbach mehr Ballbesitz als wir. Wir wollen so spielen, wie es dem Gegner am meisten wehtut“, sagt Völler, der vier Punkte zum Saisonstart in zwei anspruchsvollen Spielen nicht zum Anlass nimmt, um große Töne zu spucken. „Dafür bin ich zu lange dabei.“

Dass die Veränderungen im Kader nach dem Ausscheiden der Bender-Zwillinge, dem Abgang von Leon Bailey und dem Transfer von Spielern wie Wendell, Tin Jedvaj, Aleksandar Dragovic und Damarai Gray vielversprechend sind, ist dem Weltmeister von 1990 natürlich nicht entgangen. Linksverteidiger Mitchel Bakker (21) – Torschütze und Vorbereiter gegen Mönchengladbach – und Odilon Kossounou (20) haben in kürzester Zeit tragende Rollen übernommen, Robert Andrich (26) hat vier Tage nach seinem Wechsel von Union Berlin in den 20 Minuten nach seiner Einwechslung überzeugt.

Position von Bailey soll nachbesetzt werden

Mit Piero Hincapie steht der vierte junge, veranlagte Innenverteidiger bereit. Bis zum Ende der Transferperiode am kommenden Dienstag will der Werksklub die durch den Weggang von Leon Bailey frei gewordene Stelle auf den offensiven Außenpositionen neu besetzen.

Der Kern des Kaders, meint der Geschäftsführer, sei jedoch immer intakt gewesen. Völler: „Unabhängig davon steht die Basis ja. Immerhin waren zuletzt unsere am Marktwert gesehen wertvollsten Spieler ausgefallen. Edmond Tapsoba wird noch eine Weile fehlen, Florian Wirtz hat jetzt ein paar Minuten gespielt.“

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Dass regelmäßig über Karriereszenarien der Supertalente spekuliert wird – Wirtz soll in seinem bis 2026 laufenden Vertrag eine Ausstiegsklausel ab 2023 haben – stört die Bayer-Ikone (seit 1995 im Klub) nicht. „Wir kommentieren Vertragsinhalte nicht“, erklärt er, „aber grundsätzlich wird Bayer 04 immer wieder mal den einen oder anderen Spieler abgeben, um dann wieder zwei neue verpflichten zu können.“ Er zitiert da gern das Beispiel von Kai Havertz, der den Klub im Sommer 2020 nach zehn Jahren im Alter von 21 in Richtung London verließ und ihm damit Stand heute fast 100 Millionen Euro in die Kassen gebracht hat.

Etwa die Hälfte der Havertz-Millionen ausgegeben

„Als ich Kai zum ersten Mal spielen sah, wusste ich sofort, dass wir ihn nicht für immer behalten werden“, sagt der Völler, „wir können ja nicht einmal behaupten, ihm alles beigebracht zu haben, weil er so viel vom lieben Gott geschenkt bekam. Aber wie es dann gelaufen ist, war für alle Seiten super. Und jetzt sind alle glücklich: Der Spieler, wir und der FC Chelsea auch. Ein Klub wie Bayer 04 lebt eben auch vom Kreislauf des Geldes im Fußball.“

Und er lebt deshalb gut davon, weil er nicht alles zurück in den Markt pumpt. Von den Havertz-Millionen des Jahres 2020 hat der Werksklub nur etwa die Hälfte ausgegeben. im Jahr 2021 ist die Transferbilanz in etwa ausgeglichen, da wird ist eine letzte Investition leicht möglich. Laut Völler ist sie aber auch nötig, vor allem auf den Außenpositionen, wo die Last derzeit vor allem vom pfeilschnellen Moussa Diaby getragen wird: „Im Moment ist es nicht so schlimm, wenn mal ein Spieler ausfällt. Aber bald beginnt die Europa League und wir werden eine Dreifach-Belastung haben. Da brauchst du einen breiten Kader, einfach um bei der Vielzahl der Spiele deine Ziele auch zu erreichen.“

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