1. FC KölnDas Endspiel im Abstiegskampf gegen Bochum hat Geschichte

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Auf der Schwarz-Weiß-Fotografie steht die Mannschaft des 1. FC Köln auf dem Rasen vor fast leeren Zuschauerrängen im Müngersdorfer Stadion.

Nicht selten spielte der 1. FC Köln in den frühen 1990er Jahren vor leeren Rängen, wie hier beim Heimspiel gegen Bayer Uerdingen im Dezember 1992.

Im Falle einer Niederlage gegen den VfL Bochum würde der 1. FC Köln vielleicht sogar vorentscheidend im Abstiegskampf an Boden verlieren. Das Duell gegen den Ruhrgebietsverein hatte vor 31 Jahren schon einmal diese Brisanz.

Als Europapokal-Teilnehmer war der 1. FC Köln in die Saison 1992/93 gestartet. Doch schon im September 1992 war die Stimmung am Geißbockheim nahe dem Gefrierpunkt. Bereits in der 2. Runde des DFB-Pokals waren die Kölner beim Zweitligisten MSV Duisburg ausgeschieden. Im UEFA-Pokal war sogar schon nach der Runde Eins Feierabend. Celtic Glasgow stellte sich für Weltmeister Bodo Illgner und seine Teamkollegen als zu große Hürde heraus.

Darüber hinaus fand sich der 1. FC Köln in der Bundesliga vom Saisonbeginn an im Tabellenkeller wieder. In allen Belangen hechelte der FC den eigenen Ansprüchen hinterher. Das spiegelte sich folgerichtig in den Zuschauerzahlen wider. Zum letzten Heimspiel vor der Winterpause verirrten sich gerade einmal 14.000 Unentwegte ins Müngersdorfer Stadion. Sie bekamen ein versöhnliches 5:0 über Bayer 05 Uerdingen als Entschädigung geboten.

Der 1. FC Köln gewinnt einen offiziellen DFB-Titel

In der Winterpause feierten der 1. FC Köln den Gewinn des DFB-Hallen-Masters. Der einzige Erfolg in diesem Format – und ein offizieller Titel übrigens. Wenngleich ein bedeutungsloser. Den Arbeitsplatz von Trainer Jörg Berger rettet es indes nicht.

Im Februar 1993 übernahm vorübergehend Wolfgang Jerat den Posten des Cheftrainers. Der „Express“ rief die Kölner auf, den FC wieder regelmäßig im Stadion zu unterstützen. Unter dem unter Fans legendär gewordenen Aktionstitel „Rettet den FC“ wurden Eintrittskarten im großen Stil verlost.

Morten Olsen übernimmt das Traineramt

So sahen dann über 30.000 FC-Fans das Spiel gegen Wattenscheid 09. Der 1. FC Köln kämpfte nicht nur um den Verbleib in der Bundesliga, sondern gleichzeitig um die Gunst des eigenen Publikums.

Mittlerweile hatte Morten Olsen auf der Trainerbank Platz genommen. Der Däne sprach von Endspielen um den Klassenerhalt. Nach einem 2:0 über den Karlsruher SC am 31. Spieltag sprang der FC erstmals nach der Winterpause wieder auf einen Nichtabstiegsplatz.

FC-Manager Thielen warnt vor Euphorie

Von nun an hatte es der 1. FC Köln wieder selbst in der Hand. Manager Karl-Heinz Thielen warnte vor zu großer Euphorie. „Durch diesen Erfolg sind wir noch nicht gerettet“, mahnte Thielen vor der Partie beim VfL Bochum. „Nur wenn wir dort gewinnen, haben wir den Klassenerhalt geschafft. Das Wort Endspiel ist in den vergangenen Monaten oft gebraucht worden, doch das Duell im Ruhrstadion ist wirklich ein Finale.“

Sogar Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier schaltete sich ein. „Es muss dafür gesorgt werden, dass die Fans den FC auch in Bochum zahlreich unterstützen können“, forderte Ruschmeier. Der „Express“ und die Stadtsparkasse Köln ermöglichen den Anhängern eine Fahrt im kostenlosen Sonderzug ins Ruhrgebiet.

FC-Fans stehen mehrfach für Karten an

Mehrfach musste beim VfL Bochum nach weiteren Kartenkontingenten gefragt werden. Mancher FC-Fan ergattert erst im dritten Anlauf eine Karte für dieses so wichtige Spiel. An den Vorverkaufsstellen wie etwa der Theaterkasse am Neumarkt bilden sich mehrmals lange Schlangen.

Mit 41.021 Zuschauern ausverkauft, platzte das Bochumer Ruhrstadion am 22. Mai 1993 aus allen Nähten. Im Gästebereich standen die FC-Fans dicht gedrängt. Eine junge Frau brach mit Kreislaufproblemen zusammen. Sie und ihr Begleiter wurden von den umstehenden Fans über die Köpfte der anderen hinweg nach draußen getragen werden. Ein Durchkommen der Sanitäter war schlichtweg nicht möglich. Der Albtraum eines jeden Sicherheitsbeauftragten.

Schwere Verletzung bei FC-Profi Andersen

Überschattet wurde die Begegnung von der schweren Verletzung des FC-Profis Henrik Andersen. Bereits im Halbfinale der Europameisterschaft 1992 hatte sich der Däne eine schlimme Knieverletzung zugezogen.

Dabei hatte die Situation in der 71. Spielminute gar nicht so schlimm ausgesehen. Bochums Verteidiger Uwe Wegmann hielt Andersen am Trikot und beide purzelten übereinander zu Boden. Doch der Kölner war mit dem Stollen im Rasen hängen geblieben und dabei riss sein Kreuzband.

Das erlösende Tor für den 1. FC Köln gelang nicht

FC-Trainer Olsen war nach Abpfiff sichtlich geschockt. „Ich möchte eigentlich nichts zum Spiel sagen. Meine Gedanken sind bei Henrik“, konnte sich Olsen nicht recht über den Punktgewinn freuen.

Die über 10.000 FC-Fans im Ruhrstadion aber feierten das torlose Unentschieden wie einen Sieg. Ihre Mannschaft hatte eine gute Leistung gezeigt, dabei allerdings versäumt, das erlösende Tor zu erzielen.

Klassenerhalt des 1. FC Köln wird wie ein Titelgewinn gefeiert

Eine Woche später machte es der 1. FC Köln besser. Vor 54.000 begeisterten Zuschauern im ausverkauften Müngersdorfer Stadion schlug der FC den FC Schalke 04 mit 2:1. Kurz vor der Pause hatte Rico Steinmann das Führungstor erzielt. Der Schock über das zwischenzeitliche 1:1 durch Andreas Müller war zwei Minuten später wieder vergessen. In der 79. Minute sorgte Frank Greiners 2:1 für die Entscheidung – im Spiel und im Kampf um den Ligaverbleib.

Vor einem Stoff-Geißbock steht ein Kölsch-Glas mit dem Aufdruck: Rettet den FC.

Das Motto hat heutzutage wieder Gültigkeit: „Rettet den FC“.

Nach einem 0:0 bei Bayer Uerdingen am letzten Spieltag, zu dem erneut tausende Kölner gefahren waren, feierten 15.000 FC-Fans am Geißbockheim den Klassenerhalt. „Diese Begeisterung der Leute ist umwerfend“, staunte Manager Thielen. „Ich bin 1978 als Spieler mit dem FC Meister geworden, aber solch einen Jubel, solch ein Freuden-Fest hat es damals nicht gegeben. Absoluter Wahnsinn!“

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