Bundesliga-KolumneDer Tag der klaren Worte beim FC Bayern und bei Max Kruse

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Treffsicher und meinungsfreudig: Wolfsburgs Max Kruse

Köln – Der FC Bayern hat am 22. Spieltag sensationell 2:4 in Bochum verloren und bereits zur Pause vier Gegentore kassiert. Dabei hatte der Rekordmeister den Aufsteiger im Hinspiel (7:0) nach allen Regeln der Kunst demontiert. Wie war das bloß möglich?

Auch, weil Bochum alles gelang. Der taktisch exzellent von Trainer Thomas Reis eingestellte VfL kämpfte aufopferungsvoll, wusste auch spielerisch zu überzeugen und erzielte  durch Cristian Gamboa und den sagenhaft flinken Gerrit Holtmann Traumtore, die  sogar im Training selten fallen. „Wie wir die erste Halbzeit gespielt haben, war für mich wie von einem anderen Stern“, kommentierte  Holtmann den mitreißenden Auftritt seines Teams. Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz sah in der Partie gar das „Potenzial für ein neues Jahrhundertspiel“ des VfL. Noch hat der Ruhrgebiets-Klub den Klassenerhalt nicht geschafft, doch mit 28 Punkten ist er auf dem besten Weg dahin. Zehn Punkte beträgt der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz, den  Stuttgart einnimmt. Der VfB spielte zwar auch beim 2:4 in Leverkusen munter mit, stand aber wieder mit leeren Händen da. Vier Pleiten in Folge, nur ein Punkt aus den letzten sieben Spielen: Das sieht stark nach Abstieg aus.

Doch was war bloß in den FC Bayern gefahren?

Einen derartigen Sieben-Minuten-Kollaps mit drei Gegentoren sieht man nur ganz selten beim Rekordmeister, aber in dieser Saison auch nicht zum ersten Mal. Bereits beim 0:5 im Pokal in Mönchengladbach leistete sich das Starensemble einen unwürdigen Auftritt. Der von Samstag ist beim Blick auf die Tabelle und  beim Vorsprung auf die Konkurrenz nicht besorgniserregend, aber da die Bayern vor allem in der Champions League  große Ambitionen haben, schlug Nationalspieler Joshua Kimmich Alarm und stellte die Mentalitätsfrage. „Es passiert zu oft. Das kenne ich von uns aus der Vergangenheit nicht, dass wir mehrfach vier, fünf Tore kassieren“, klagte Kimmich und fügte an: „Wir haben sämtliche Tugenden vermissen lassen. Wir müssen uns fragen, ob das die Mentalität der Bayern ist.“ Trainer Julian Nagelsmann hatte bereits im Abschlusstraining die fehlende Spannung bemängelt und muss nun überlegen, wo er ansetzen kann. Bayern ist zwar seit Wochen von Corona und Verletzungen gebeutelt, viele Stars erhalten kaum eine Pause. Doch das taugt nicht mehr als Ausrede, denn nun sind bis auf Torwart Manuel Neuer fast alle wichtigen Spieler an Bord. Und die englischen und  entscheidenden Wochen der Saison stehen  bevor. Am Mittwoch geht es in der Königsklasse in Salzburg weiter. Ein gutes Los für Bayern, aber in der Verfassung von Bochum beileibe kein Selbstläufer.

Mit Gladbach und Wolfsburg kommen zwei Mannschaften, die einen spektakulären Absturz hinter sich hatten, so langsam wieder in die Spur. Beide setzten ihren Aufwärtstrend mit zwei Siegen fort, Gladbach bezwang Augsburg 3:2, Wolfsburg gewann etwas überraschend in Frankfurt 2:0. Am meisten in Erinnerung blieb allerdings der Auftritt von Max Kruse abends im ZDF-„Sportstudio“.

Am Ex-Nationalspieler, der jüngst von Union Berlin zu seinem Ex-Klub Wolfsburg gewechselt war, scheiden sich seit langem die Geister. Und da beziehen wir uns jetzt nur am Rande auf die Wahl seines Outfits. Denn in Schale geworfen hatte er sich für seinen TV-Auftritt mit einer löchrigen Hochwasser-Buxe und dem knallgelben und sicher sündhaft teuren Pullover nicht. Aber geschenkt, immerhin hatte er überhaupt eine Hose an. Es ging vielmehr um die Aussagen des 33-Jährigen, der fußballerisch immer noch Sonderklasse darstellt und dies auch direkt nach seiner Rückkehr in Wolfsburg beweisen konnte.

Man fragt sich bei Kruse: Ist das  wirklich einer der letzten echten Typen der Branche, der entwaffnend ehrlich die Dinge beim Namen nennt? Oder ist Kruse ein  Freak, der in einer Parallelwelt  lebt und nicht merkt, dass er mit seinen Aussagen viele hart arbeitende Fans einfach nur verhöhnt?

Unbestritten ist: Kruse ist unterhaltsam. Erstmals sprach der Freigeist über Meinungsverschiedenheiten mit Union-Trainer Urs Fischer, die mit zu seinem Blitzwechsel beigetragen hatten. Dann gab der Ex-Bremer, -Paulianer, -Freiburger, -Gladbacher, -Istanbuler, -Unioner und -Nationalspieler in fast entwaffnender Offenheit zu, was der entscheidende Grund war: Geld. „Wenn ich den Lebensstandard, den ich jetzt habe, weiterführen will, habe ich auf keinen Fall ausgesorgt. Ich habe ein Faible für Autos, bei Immobilien bin ich auch dabei. Ich bin jemand, der im Hier und Jetzt lebt. Man ist nur einmal jung und lebt nur einmal.“ Kruse, der Lebemann. Arrogant? Cool? Am Ball ist er jedenfalls ein  Könner. So auch zu sehen an der ZDF-Torwand. Vier  Bälle versenkte  er locker, zwei sprangen knapp wieder heraus.

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