Bundesliga-KolumneDie Kraft des Fußballs wirkt, aber sie alleine wird nicht genügen

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Erling Haaland (links) und seine Dortmunder Kollegen jubeln nach dem ersten Tor des Spieltags.

  • Das gefeierte DFL-Konzept steht weiterhin bei jedem einzelnen Test auf dem Prüfstand.
  • Die Jubel-Vorschrift hat vor allem psychologische Gründe, ist aber medizinisch unlogisch
  • Das schnelle Ende des Team-Trainingslagers sollte von der DFL überdacht werden

Der 26. Spieltag der Fußball-Bundesliga wurde nach fast neun Wochen Corona-Pause von viel Kritik begleitet begonnen. Und schon am Sonntagmorgen beglückwünschten ihn Spitzenpolitiker wie Armin Laschet und Markus Söder zu seinem Neustart und aus der Fußball-Szene gab es Zustimmung im In- und Ausland. Was ist geschehen? Fußball. Er geschah und wurde in die Wohnzimmer übertragen. Rasen grün, Ball rund, Tor rechteckig, Spieler gut frisiert. Ein Pass ist ein Pass, Ein Schuss ist ein Schuss, Ein Tor ist ein Tor. So einfach.

Klingt ein wenig zu einfach für eine tiefschürfende Erklärung. Wenn alle Mannschaften in leeren Stadien spielen nach Wochen ungewöhnlichen Trainings, dann kann die Kraft inmitten einer alles erschütternden Pandemie nur aus dem Spiel selbst kommen. Selbst in der Branche waren die Zweifel daran groß, dass diese Kraft ausreichen würde, um diesen umstrittenen Versuch zu tragen. Aber nach dem ersten Bundesliga-Tor in der Zeit ohne Fans durch den Dortmunder Erling Haaland zum 1:0 über den FC Schalke 04 funktionierte das Spiel auf dem Platz, als gäbe es die Krise gar nicht. Alle Daten attestierten den Mannschaften Fitness, Engagement und teilweise hohes spielerisches Niveau. Alleine am Samstag lockte „Sky“ mehr als fünf Millionen Zuschauer vor die Endgeräte. 3,5 Millionen Mal wurde das Angebot genutzt, den Spieltag beim Bezahlsender kostenfrei zu sehen.

Das Hygienekonzept hat den Anforderungen offenbar standgehalten. Der größte Sieg über das Virus war, dass alle Partien in der Bundesliga wie geplant angepfiffen werden konnten, weil es in der ganzen Woche der Hotel-Quarantäne, die mehr eine Abschottung der Mannschaften war, keinen positiven Corona-Fall gegeben hatte. Um das Spiel herum mutete vieles bizarr an. Trainer ohne Mundschutz am Spielfeldrand, Ersatzspieler und Betreuer mit Mundschutz. Grüße mit Ellenbogen, Interviews auf Langdistanz mit befreiten Gesichtern, Trainer-Analysen mit der Maske. Seltsame Schreie, Rufe und Emotionslaute in hallenden Betonschüsseln.

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Berlins Spieler in Rot und Schwarz jubeln, wie sie nicht jubeln sollen.

Der Umarmungsjubel Berliner Spieler nach ihren Toren beim 3:0-Sieg in Hoffenheim gilt als mittlerer Skandal. Hier wurde das Gebot der Deutschen Fußball Liga verletzt, dass sich Spieler in der Ekstase nicht zu nahe kommen sollen. Dieses Gebot ist medizinisch allerdings unlogisch, da es den Spielern nach Einhaltung aller vorbereitenden Maßnahmen und sechs negativen Tests in der Zeit vor den Partien auf dem Feld ausdrücklich gestattet ist, alle Kontaktsituationen zu suchen, die zum Spiel gehören. Dass diese Erlaubnis für die Minute nach erzielten Toren nicht erwünscht ist, hat ausschließlich massenpsychologische Gründe. Man will in der Corona-Krise, die Normal-Menschen im Alltag zu Abstand zwingt, Bilder von sich in Euphorie ineinander verschlingenden Fußball-Stars vermeiden. Dass ausgerechnet die Berliner nach dem Skandal um Salomon Kalou dagegen verstießen, schien ins Bild zu passen, war am Ende aber nur eine Nebengeschichte dieses Spieltags.

Sportlich war Borussia Dortmund der große Sieger des Samstags. In diesem Revierderby folgte die Logik streng dem Fußball. Der BVB hat auch ohne Zuschauer und wichtige Spieler eine exzellente Fußball-Mannschaft. Der FC Schalke 04 hätte sie auch unter perfekten Umständen nicht. Deshalb gewann Schwarz-Gelb nach Toren von Haaland, Guerreiro, Hazard und Guerreiro ganz locker 4:0. Schalke-Torhüter Markus Schubert sah mehrfach wie das größte Problem seines Teams aus. In vielen Fällen hat sich am Samstag der bessere Fußball durchgesetzt, nie gewann die schlechtere Mannschaft und zweimal profitierten Teams davon, dass der Gegner nur Pfosten und Latte traf (Düsseldorf beim 0:0 gegen Paderborn) oder beste Chancen reihenweise vergab (Freiburg beim 1:1 gegen Leipzig).

Ist das global sehr gelobte deutsche Fußball-Experiment geglückt? Eine Antwort darauf ist nach einem von neun geplanten Spieltagen unmöglich. Nur wenn die Tests der rund 1700 Menschen umfassenden Fußball-Gruppe im Drei-Tage-Rhythmus weiterhin zuverlässig negativ bleiben, kann die Saison, vielleicht mit überschaubarer Verzögerung wegen weniger positiver Corona-Ergebnisse, so zu Ende gespielt werden. Insofern ist es überraschend, dass die medizinisch erfolgreiche Phase der Trainingslager-Abgeschiedenheit in Hotels für die Bundesliga-Klubs nach dem ersten Spieltag schon wieder endet. Viele Profis, Betreuer, Physiotherapeuten und Trainer haben Familien und Kinder. Ein umfassender Infektionsschutz ist im eigenen Haushalt schwer möglich. Ein einziger positiver Test kann, je nach Einschätzung des örtlichen Gesundheitsamtes, eine zweiwöchige Unterbrechung des Trainingsbetriebs zur Folge haben, möglicherweise auch beim letzten Gegner. Darüber sollten die Planer der Deutschen Fußball Liga mehr nachdenken als über die Art, wie Spieler sich nach Torerfolgen zu verhalten haben. Auf die Kraft des Fußballs können sich alle verlassen. Das alleine wird jedoch nicht reichen.

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