Drei MeinungenBaumgart, Skhiri, Modeste: Was macht den FC so stark?

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Baumgart modeeste

Steffen Baumgart leitet das Training beim 1. FC Köln

Köln – Der 1. FC Köln schwimmt während der Länderspielpause auf einer Welle des Erfolgs. Nur einmal verloren, Tabellenplatz sechs, zwölf Punkte aus den ersten sieben Partien – das liest sich im Vergleich zum Abschneiden in den vergangenen Spielzeiten schon jetzt wie eine kleine Sensation.

Die Gründe für den Erfolg sind vielseitig und wie im Fußball üblich ein großes Zusammenspiel. Doch welcher Faktor fällt derzeit am stärksten ins Gewicht?

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Ist es Trainer Steffen Baumgart, der mit seinem Offensiv-Stil und einer spektakulär schroffen Ansprache seine Spieler erreicht? Ist es Anthony Modeste, der an die Form seiner 25-Tore-Saison erinnert? Oder doch Ellyes Skhiri, der neben seiner eigentlichen Aufgabe, im Mittelfeld für Ordnung zu sorgen auch noch wichtige Tore schießt? Oder drängt sich eine ganz andere Theorie auf?

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Drei KStA-Sportredakteure schreiben ihre Meinung

Christian Löer: Ganz klar Steffen Baumgart, selbst wenn das nach einer allzu einfachen These klingt. Der Trainer hat einen Stab beisammen, der jeden einzelnen Spieler körperlich und taktisch auf ein neues Niveau gebracht hat. Außerdem hat Baumgart die richtige Ansprache gefunden, seine Leute einerseits positiv zu bestärken, ohne sie abheben zu lassen.

Andererseits übt er bisweilen drastische Kritik, ohne darüber seine Spieler zu verlieren. Wie er über Benno Schmitz nach dessen starkem Spiel am Freitagabend nur sagte, der Rechtsverteidiger sei „schon besser" gewesen. Der faszinierende Ellyes Skhiri sei „noch nicht so gut, wie manche ihn bereits sehen". Das war schön gegen den Strich – man muss eben auch Erfolg moderieren können, zumal in Köln.

Hinzu kommt, dass jeder FC-Profi seine Rolle kennt, seine Aufgabe und die Ansprüche, die an ihn gestellt werden. Es gibt also niemanden, der auf der Bank vor sich hinschmollt und zu Hause jammern kann, er wisse nicht, was der Trainer gegen ihn habe. Es ist sehr viel Klarheit beim FC: Keiner hebt ab, keiner fühlt sich abgehängt – und als Louis Schaub am Freitagabend von der Bank kam, bereitete er sofort das entscheidende Tor vor. Selten hat es beim FC ein derart funktionales Kollektiv gegeben.

Dahinter steckt allerdings mehr als nur Baumgarts kauzige Ansprache. Es wird sehr hart gearbeitet – das gilt für den Trainerstab ebenso wie für die Spieler, von denen mancher bis zu dieser Saison noch gar nicht wusste, wie hart man bisweilen auf dem Platz leiden muss, um Erfolg zu haben. Und nun umso dankbarer ist, dass die ganze Schinderei zu einem positiven Etappenziel führt – auch hier führt jedes Erfolgserlebnis zum nächsten. Der FC erreicht derzeit ein Leistungsniveau, das etwa einen Sieg nach 90 Minuten daheim gegen einen Gegner wie Fürth beinahe garantiert.  

Olivier Keller: Nicht nur wegen seiner beiden Tore zuletzt: Ellyes Skhiri ist aus dieser Mannschaft einfach nicht wegzudenken. Weniger als jeder andere. Der 26-Jährige ist das Herz der Mannschaft auf dem Platz und war es zusammen mit Jonas Hector bereits in der vergangenen Saison. Enorm sicher im Passspiel und wahnsinnig abgeklärt in den Zweikämpfen als Anker zwischen Abwehrreihe und Offensive – und niemals aus der Puste zu kriegen. Skhiri löst permanent schwierigste Spielsituationen und macht damit einen gewichtigen Unterschied.

Zudem verhindert Skhiri nicht nur Tore, er hat auch schon selbst drei Treffer erzielt, zwei davon zur Führung. Der Hype um Steffen Baumgart hat zwar seine volle Berechtigung, denn der Trainer hat mit seiner herrlich schroffen Ansprache nahezu jeden Spieler auf seine Seite ziehen können. Und auch Modeste sieht endlich wieder wie der Stürmer aus, der er einmal war.

Aber wenn nur einer von ihnen bleiben könnte, ich würde den Finger für den zentralen Mittelfeldspieler heben. Skhiri macht an verdammt vielen Tagen offensichtlich jeden seiner Mitspieler besser. Ohne ihn hätte der FC deutlich weniger Punkte und der Hype um den FC wäre eher keiner.

Lars Werner: Der Hauptgrund für den Aufschwung ist Steffen Baumgart. Durch ihn ist etwas neu beim 1. FC Köln, das dem Verein gut steht. Die Mannschaft ist hungrig auf den Erfolg, gibt sich mit dem Status quo nicht vorschnell zufrieden. Endlich herrscht rund um das Geißbockheim wieder eine Aufbruchsstimmung, die lange so schmerzlich vermisst wurde. Und dies mit einem Team, das nur punktuell verändert wurde.

Der erste positive Trend hat sich nach acht Pflichtspielen verfestigt. Der FC steht viel stabiler da als in den Vorjahren und hat sich mit seiner neuen Spielphilosophie total verändert. Es ist der neue Cheftrainer, der die Mannschaft zu neuem Leben erweckt hat. Baumgart hatte nicht nur angekündigt, die Spieler besser machen zu wollen, er hat es bisher auch bei vielen tatsächlich geschafft. Die Spieler wirken selbstbewusster und haben nicht mehr nur Angst vor dem Verlieren oder Versagen, sondern sie wollen etwas gewinnen. Das demonstriert der Trainer fast in jedem Spiel auch eindeutig mit seinen offensiven Wechseln.

Baumgart lebt diese neue Philosophie vor und reißt nahezu alle mit: nicht nur die Spieler und Mitarbeiter des Klubs, sondern auch das Umfeld. Mit seiner leidenschaftlichen Art scheint er auch bestens zu diesem turbulenten, emotionalen Klub zu passen. Er findet die richtige Ansprache, die richtigen Worte. Er spricht nicht wie so mancher Laptop-Trainer von diametral abkippenden Sechsern oder asymmetrischen Linksverteidigern, sondern Baumgart bedient sich einer klaren Sprache, die er aus seiner Heimat im Norden gewohnt ist.

Natürlich, noch weiß keiner, ob sich Baumgart verändert und er auch seine Vorgehensweise ändert, wenn es sportlich mal nicht so gut läuft. Aber vieles stimmt doch sehr zuversichtlich. Wenn es dem FC jetzt noch gelingen sollte, noch etwas mehr Konstanz in seine Leistungen über die vollen 90 Minuten zu bringen, könnte es eine sorgenfreie Saison für die Kölner werden. Die vielleicht sogar Luft für ein paar Träumereien lässt.

Aber wir wollen auch nicht auf Anhieb zu viel erwarten. Denn würde der FC das alles immer so umsetzen, dann wäre er ja eine echte Spitzenmannschaft. Und da sind wir noch nicht. Trotz der „Mailand“-Gesänge der Fans.

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