Abo

Interview

Handball
„Der VfL Gummersbach steht wirtschaftlich so gut da wie noch nie“

5 min
Tim Freihoefer, Linksaußen, Fuechse Berlin 20, Matthes Langhoff, Linksaußen/Rueckraum, Fuechse Berlin 25,Julian Koester, Rueckraum, VfL Gummersbach 7,VfL Gummersbach vs. Fuechse Berlin, Daikin Handball Bundesliga, Herren ,4. Spieltag, 14.09.2025 Gummersbach NRW Deutschland *** Tim Freihoefer, Left wing, Fuechse Berlin 20 ,Matthes Langhoff, Left wing back, Fuechse Berlin 25 ,Julian Koester, Back, VfL Gummersbach 7 ,VfL Gummersbach vs Fuechse Berlin, Daikin Handball Bundesliga, Men ,4 Matchday, 14 09 2025 Gummersbach NRW Germany Copyright: xkolbert-press/MartinxWdziecznyx

Aushängeschild des VfL Gummersbach: Julian Köster (oben)

Christoph Schindler, Geschäftsführer des Bundesligisten VfL Gummersbach, spricht über Ambitionen des Klubs und den Abschied von Julian Köster

Herr Schindler, wie haben Sie das spektakuläre 37:37 Ihres VfL Gummersbach am Samstagabend in Flensburg erlebt?

Die Mannschaft hat sehr, sehr gut gespielt und wieder einmal gezeigt, dass sie mit den großen Teams mithalten kann. Es war ein wichtiger Punkt für uns.

Nach 14 Spieltagen ist Gummersbach klar auf Europapokal-Kurs. Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Saison?

Es sind gemischte Gefühle. Wir sind nicht über alle Maßen zufrieden, aber auch nicht unglücklich. Wir haben wichtige und schwere Siege geholt, wie zu Saisonbeginn in Hannover oder zu Hause gegen die Füchse Berlin, immerhin den Deutschen Meister. Das war das beste Spiel der Saison. Auf der anderen Seite haben wir ein paar unnötige Punkte verloren. Es fühlt sich schon so an, als hätten wir drei bis fünf Zähler zu wenig auf dem Konto. Mit denen wäre die Ausgangslage noch besser.

Nach dem Wiederaufstieg 2022 hat sich der VfL Stück für Stück verbessert. Was ist das Wunschziel für die laufende Saison?

Wir wollen uns wirtschaftlich noch besser aufstellen, um die sportlichen Ziele für die kommenden Jahre so ambitioniert wie möglich zu halten. Im Sportlichen wollen wir auf den europäischen Plätzen landen.

Zuletzt gab es eine Meldung, dass der VfL über 3,5 Millionen Euro negatives Eigenkapital verfügt, wovon bis zum Jahresende noch etwas abgebaut werden muss. Sind Sie zuversichtlich, dass das gelingt?

Ja, aber dieses Thema wurde zuletzt in der Öffentlichkeit auch falsch dargestellt. Meine ganze bisherige Amtszeit besteht seit 2018 eigentlich darin, Schulden abzubauen und gleichzeitig das Tagesgeschäft zu lenken. Darum ist das für mich Nullkommanull eine neue Situation. Wir sind in regelmäßigem Austausch mit Personen und Unternehmen, die wir vielleicht als Investoren für den VfL Gummersbach gewinnen können. Nicht, weil wir es zwingend brauchen. Sondern, weil es unser Wachstum beschleunigen würde. Unabhängig davon machen wir unsere Hausaufgaben und werden nicht in irgendwelche Probleme geraten.

Wo stand der VfL Gummersbach, als Sie 2018 den Geschäftsführer-Posten übernommen haben?

Seit Anfang 2019 bin ich alleiniger Geschäftsführer, also auch für das Finanzielle verantwortlich. Damals hatte der Verein rund acht Millionen Euro Schulden. Ein halbes Jahr später sind wir abgestiegen, dann kam die Corona-Pandemie. Es war eine schwierige Zeit.

Wie lief die Entwicklung seitdem?

Wir haben über die Hälfte der Schulden abgebaut und konnten unseren Umsatz vervierfachen. Nach wie vor haben wir jedes Jahr etwa 600.000 Euro Belastung für Zinsen und Tilgung. Dem werden wir gerecht. Und trotzdem haben wir die Möglichkeit, permanent investieren zu können. Es ist wichtig, eine Balance zu finden. Aber es muss sich niemand Sorgen um den VfL Gummersbach machen. Im Gegenteil: Wir stehen wirtschaftlich so gut da wie noch nie.

Was hat der VfL Gummersbach von heute noch mit dem VfL Gummersbach gemeinsam, den Sie 2018/19 übernommen haben? Mit Ausnahme des Namens und der Tradition…

Nicht mehr so viel. Was immer bleiben wird, ist die Tradition. Der VfL Gummersbach war und ist immer noch einer der traditionsreichsten und erfolgreichsten Handballvereine der Welt, mit einer unglaublichen Fanbasis, die uns auch in den schwierigsten Zeiten – wie Abstieg und Corona – unglaublich unterstützt hat. Die Strahlkraft hat weder durch den Abstieg noch durch die Pandemie abgenommen. Aufbauend darauf haben wir so ziemlich alles verändert. Weil wir es auch verändern mussten. Wir haben professionelle Strukturen geschaffen, die es uns erlauben, wie ein Wirtschaftsunternehmen zu agieren – das war über viele Jahre nicht der Fall. Es ist ein Problem, das viele Traditionsvereine, Sportart-unabhängig, gemeinsam haben: Es wird sich auf der Vergangenheit ausgeruht und glaubt, dass die Gegenwart von allein kommt und alles irgendwie funktioniert. So klappt es aber nicht: Wir mussten viel in Infrastruktur und Mitarbeiter investieren, um die wirtschaftlichen Bedingungen für den aktuellen sportlichen Erfolg zu schaffen. Denn auch die Mannschaft hat nicht mehr viel mit der von 2019 zu tun, auch was die Gehälter angeht. Wir sind in allen Bereichen gewachsen, aber wir sind lange noch nicht da, wo ich gerne hinmöchte.


Christoph Schindler Geschaeftfuehrer VfL Gummersbach bei der Saison-Pressekoferenz GER, VfL Gummersbach, Teamvorstellung, Handball, 1. Bundesliga, Spielzeit 2025-2026, 20.08.2025 GER, VfL Gummersbach, Teamvorstellung, Handball, 1. Bundesliga, Spielzeit 2025-2026, 20.08.2025 Gummersbach *** Christoph Schindler Managing Director VfL Gummersbach at the season press conference GER, VfL Gummersbach, team presentation, handball, 1 Bundesliga, season 2025 2026, 20 08 2025 GER, VfL Gummersbach, team presentation, handball, 1 Bundesliga, season 2025 2026, 20 08 2025 Gummersbach Copyright: xEibner-Pressefoto/JuergenxAugstx EP_JAT

Christoph Schindler Geschaeftfuehrer VfL Gummersbach bei der Saison-Pressekoferenz GER, VfL Gummersbach, Teamvorstellung, Handball, 1. Bundesliga, Spielzeit 2025-2026, 20.08.2025 GER, VfL Gummersbach, Teamvorstellung, Handball, 1. Bundesliga, Spielzeit 2025-2026, 20.08.2025 Gummersbach *** Christoph Schindler Managing Director VfL Gummersbach at the season press conference GER, VfL Gummersbach, team presentation, handball, 1 Bundesliga, season 2025 2026, 20 08 2025 GER, VfL Gummersbach, team presentation, handball, 1 Bundesliga, season 2025 2026, 20 08 2025 Gummersbach Copyright: xEibner-Pressefoto/JuergenxAugstx EP_JAT

Zur Person: Christoph Schindler (42), geboren in Elsterwerda, ist seit 2018 Geschäftsführer des VfL Gummersbach. Als Profi war der frühere Rückraumspieler für Kiel, Balingen-Weilstetten, Dormagen und Gummersbach in der Bundesliga aktiv (210 Spiele/572 Tore). Mit Kiel wurde Schindler Deutscher Meister, mit dem VfL gewann er den Europapokal der Pokalsieger. (ckr)


Mittelfristig sind für den VfL Gummersbach also Titel das Ziel.

Jeder Sportler hat das Ziel, Titel zu gewinnen. Aber man muss realistisch bleiben. Wir haben uns Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. Zwischen dem Punkt, an dem wir jetzt stehen und der absoluten Spitze liegt noch eine große Lücke. Die besteht vor allem in den finanziellen Voraussetzungen. Wir können nicht von Champions League und Meisterschaft reden, wenn wir nicht unsere Hausaufgaben machen.

Im Sommer wird Julian Köster, aktueller Kapitän und Starspieler, den VfL in Richtung Kiel verlassen. Was bedeutet Köster für den Verein?

Julian steht exemplarisch für den Aufschwung des VfL Gummersbach in den vergangenen Jahren. Der ist in der Zweiten Liga zu uns gekommen und hat sich, genau wie der gesamte Klub, ständig weiterentwickelt. Inzwischen ist er nicht nur unser Kapitän, sondern auch eine der Säulen der Nationalmannschaft. Und natürlich irgendwo das Aushängeschild des VfL Gummersbach.

Wie kann Gummersbach seinen Abgang verkraften?

Es tut natürlich weh, so einen Spieler zu verlieren. Sowohl was das Sportliche angeht als auch das Menschliche. Auf der anderen Seite ist es ein Leistungssport. Da wünschen wir Julian alles Gute – auch wenn wir ihn am liebsten weiter im VfL-Trikot gesehen hätten. Für uns heißt es, dass wir Julians Aufgaben, auf und neben dem Spielfeld, künftig anders verteilen müssen. Es ist ja oft so: Wenn jemand nicht mehr da ist, der viel Platz eingenommen hat, wachsen dafür andere in diese Lücken. Ich bin optimistisch, dass wir das hinbekommen. Julian Köster eins zu eins zu ersetzen, ist aber natürlich kaum möglich.

Julian steht exemplarisch für den Aufschwung des VfL Gummersbach in den vergangenen Jahren. Der ist in der Zweiten Liga zu uns gekommen und hat sich, genau wie der gesamte Klub, ständig weiterentwickelt
Christoph Schindler über Julian Köster

Köster ist über den TuS BW Brauweiler und Bayer Dormagen nach Gummersbach gekommen, also ein Handballer der Region. Wie beurteilen Sie das hiesige Nachwuchssystem?

Ich sehe erst einmal, dass die Voraussetzungen für Sport im Allgemeinen in Deutschland eine Katastrophe sind. Wir waren in der letzten Saison viel im europäischen Handball unterwegs – da kann man schon neidisch auf die Voraussetzungen in anderen Ländern werden, gerade im Norden. Allein die Herangehensweise ist eine komplett andere. Der Übergang zwischen Schule und Sport ist fließend. Und auf Island gibt es Dörfer mit einem Drittel der Größe von Gummersbach, wo die Kinder fünfmal so lange Hallenzeiten haben. In Deutschland ist es der Klassiker, dass in den Schulferien die Hallen dichtgemacht werden. In Skandinavien gibt es dann Handball- und Fußballcamps.

Ende 2024 hat der VfL ein Bundesliga-Spiel in der ausverkauften Laxness-Arena absolviert. Ist für die aktuelle Saison ein ähnliches Event geplant?

Es gab Überlegungen, wir hätten gerne ein Spiel in Köln gemacht. Leider hat es terminlich nicht mit dem Belegungsplan der Arena gepasst. Grundsätzlich würden wir gerne pro Saison ein oder zwei Spiele in Köln machen. Dafür wäre es aber wünschenswert und notwendig, dass der Spielplan der Handball-Bundesliga eine gewisse Planungssicherheit bietet. Aktuell ist es so, dass man gefühlt immer erst sechs bis acht Wochen vorher weiß, an welchem Tag man spielt. Das macht die Abstimmung mit der Arena schwierig.