Syrer lebt seinen Tennis-TraumWie Hazem Naw in Köln vom Kriegsflüchtling zum Profi wurde

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Hazem Naw wurde in Aleppo geboren, floh als Jugendlicher vor dem Krieg nach Köln. Nun lebt er seinen Tennis-Traum.

Gründe, seine Tenniskarriere an den Nagel zu hängen, gab es für Hazem Naw genug. Vor allem der Krieg in Syrien und die Flucht aus seinem Heimatland hätten das Talent von seinem Weg abbringen können. Doch er hielt fest an seiner Leidenschaft. Und wurde belohnt. Denn der 23 Jahre alte Wahl-Kölner hat es erstmals ins Hauptfeld eines Challenger-Turniers geschafft und sich in Koblenz sensationell ins Halbfinale vorgespielt.

Gut zwölf Jahre vor seinem größten Triumph sah es für den jungen Mann aus Aleppo aber ganz anders aus: Von Kindesbeinen an hatte Hazem in seiner Heimatstadt mit Schläger und gelben Filzbällen gespielt. Auch als der Bürgerkrieg ausbrach und Trainingseinheiten nach Beschüssen abrupt enden mussten, ließen sich sein älterer Bruder Amer und er nicht beirren.

Wenige Kilometer von der Front entfernt stand das Al-Hamadaniah Tenniscenter, in dem Vater Naw als Trainer tätig war: „Eines Morgens bin ich wach geworden und habe meinen Bruder und meinen Vater über Bomben auf unsere Tenniscourts sprechen hören“, erinnerte sich Hazem jüngst für das Portal „ATPtour.com“ an die lebensgefährlichen Situationen.

Auch sein Umzug in die Hauptstadt Damaskus änderte nichts an der Tatsache, dass es für Hazem weniger um Vorhand-Techniken, Aufschlag-Winkel oder Netzangriffe ging. „Als der Krieg anfing, war unser Hauptziel, das Ganze zu überleben“, denkt Hazem an die schlimmste Zeit seines Lebens zurück.

Als der Krieg anfing, war unser Hauptziel, das Ganze zu überleben
Hazem Naw

Als Teenager konnte er mithilfe des syrischen Tennis-Verbandes an ITF-Junior-Turnieren teilnehmen, ehe es ihn 2017 nach Deutschland verschlug. „Er war damals noch unter 18 und musste als Flüchtling jeden Abend zurück in seine Unterkunft“, erinnert sich Sussan Karimi an Naws komplizierte Anfänge.

Die Sportwartin des Kölner THC Stadion RW begleitete die Entwicklung des jungen Mannes mit dem eisernen Willen seit knapp sechs Jahren und freut sich sehr über den Fakt, dass dieser als erster Syrer überhaupt Challenger-Matches gewinnen konnte. „Das war sein Durchbruch“, sagt sie und berichtet vom Weg dorthin: Mit Turnierteilnahmen auf der Future-Tour im Iran (um möglichst nah bei der Familie im Mittleren Osten sein zu können), dem Bundesliga-Debüt in der RW Herrenmannschaft, Verletzungen und Nicht-Nominierungen.

„Amer steht ihm zur Seite und macht aktuell seinen A-Trainerschein“, erklärt Karimi das besondere Verhältnis der Naw-Brüder, „zudem arbeitet Hazem im Herrentraining mit Peter Born und unserem Athletikcoach Martin Liebertz. Auch die Akademie von Marc-Kevin Goellner hat er länger besucht“.

Hazem Naw belegt ATP-Rang 369

Damit aus dem syrischen Kriegsflüchtling ein Top-400-Tennisspieler werden konnte (aktueller ATP-Rang 369), mussten in dessen Umfeld also einige Hebel in Bewegung gesetzt werden. Vor allem treibt Hazem Naw, der durch den Krieg sicher zwei bis drei Tennisjahre verloren hat, die Verbundenheit zu seiner Heimat an,

Nachdem er sich in Koblenz durch zwei Qualifikations-Matches gespielt hatte und auch den Briten Billy Harris im ersten Hauptrunden-Match mit 7:5, 7:5 geschlagen hatte, kam es in der Runde der besten 16 zum „kölschen Duell“ mit Oscar Otte.

Syrischer Sieger im kölschen Duell mit Oscar Otte

„Das war für uns Rot-Weißen natürlich ein besonders Match“, ordnete die Sportwartin Naws Wiedersehen mit dem ehemaligen Müngersdorfer und aktuellen Bredeneyer Otte ein.

Obwohl dieser schon auf Grand-Slam-Ebene für Furore gesorgt und auch auf dem Hartplatz in der Koblenzer CGM Arena eine 6:2, 5:3 und 30:0-Führung innehatte, zog der Syrer dem deutschen Davis-Cup-Spieler a.D. den Zahn und gewann 2:6, 7:6, 6:4.

Auch den Tschechen Zdenek Kolar räumte Naw im Viertelfinale mit 6:2, 6:4 aus dem Weg, um das Finale gegen den Wimbledon-Achtelfinalisten von 2022, Brandon Nakashima nur knapp mit 3:6, 5:7 zu verpassen. Nachdem die erste Enttäuschung verflogen war, überwog bei Hazem Naw der Stolz.

Persönlich befindet er sich auf dem richtigen Weg. Zudem kann er mit seiner besonderen Geschichte und der Art, wie er Menschen auf und um den Tennisplatz herum in seinen Bann zieht, als Vorbild für die Jugend in seiner Heimat sein. „Das war ein wirklich besonderer Moment für mich“, kommentierte der 23-Jährige den größten Erfolg seiner noch jungen Laufbahn und schloss mit den Worten: „Ich hoffe, dass ich einige Kids in Syrien inspirieren kann, damit sie auch mit Tennis vorankommen können“.

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