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Viktoria-Torwarttrainer Kevin Rauhut„Ich sehe den Fußball mit anderen Augen“

6 min
18.10.2025, xydrx, Fußball, 3.Liga, Rot-Weiss Essen - FC Viktoria Köln, Saison 2025 2026, Stadion an der Hafenstraße: Kevin Rauhut Torwart Trainer FC Viktoria Köln gestkulierend DFB regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi-video. Nordrhein-Westfahlen Deutschland *** 18 10 2025, xydrx, Fußball, 3 Liga, Rot Weiss Essen FC Viktoria Köln, Saison 2025 2026, Stadion an der Hafenstraße Kevin Rauhut Torwart Trainer FC Viktoria Köln gestkulierend DFB regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi video Nordrhein Westfahlen Germany

Kevin Rauhut, Torwarttrainer und Standardcoach des FC Viktoria Köln.

Der 35-Jährige spricht im Interview über seine Arbeit als Torwarttrainer und seinen zusätzlichen Job als Coach für Standardsituationen beim Höhenberger Drittligisten.

Herr Rauhut, Arne Schulz befürchtet, dass Sie wegen Ihrer umfassenden Analysen von Standardsituationen Weihnachten verpassen könnten.

Das werde ich hoffentlich nicht (lacht). Zu dem Zeitpunkt bin ich mit meiner Familie im Urlaub, ein bisschen Sonne tanken. Wenn es nach meiner Frau geht, werde ich den Laptop sicherlich nicht dabeihaben, da werde ich nochmal mit ihr drüber sprechen (lacht). Aber es stimmt schon, wir im Trainerteam nehmen uns für eine ganze Bandbreite an Themen viel Zeit, dazu gehört auch der Standard-Matchplan.

Sie sind Torwarttrainer von Viktoria Köln, wie haben Sie den Job als Standard-Coach bekommen?

Als ich im letzten Jahr die Möglichkeit bekommen habe, als Torwarttrainer meine Laufbahn im Fußball fortsetzen zu können, haben mich Olaf Janßen und Marian Wilhelm davon überzeugt, ein Teil der damals gegründeten „Task Force Standards“ zu werden. Zusammen mit Christoph Greger, Lars Dietz und Dudu haben wir Prinzipien erarbeitet, die uns in Stresssituationen die Entscheidungsfindung auf dem Platz erleichtern sollen. Vor allem der wöchentliche Austausch in dieser Gruppe war sehr befruchtend und hat, vor allem mir, den Blick auf Standardsituationen aus verschiedenen Blickwinkeln nahegebracht. Diese Meetings waren für unsere Spieler ein zusätzlicher Zeitaufwand, den wir mit Beginn dieser Saison so nicht mehr durchführen. Als Marian zum Cheftrainer aufgestiegen ist, hat er mir die Aufgabe des Standard-Trainers übergeben. Jetzt gibt es einmal wöchentlich ein Meeting mit dem Trainerteam zu Standards, bevor ich vor die Mannschaft trete und unseren Matchplan vorstelle.

Kevin Rauhut (links) mit Viktoria-Keeper Dudu.

Es funktioniert, zumindest in der Offensive, sehr gut. Die Viktoria hat in dieser Saison 14 Treffer nach Standardsituationen erzielt, das ist Liga-Spitze.

Das ist der Lohn für die harte Arbeit des ganzen Teams, und ganz sicher nicht mein alleiniger Verdienst. Ich bin nur ein Rad an dem Wagen und profitiere von der Expertise meiner Kollegen im Trainerteam und vor allem den Jungs, die sehr viel Geduld mit mir haben. Am Ende benötigt der beste Matchplan Spieler, die die Qualität haben, diesen umzusetzen. Du benötigst einen Servicegeber, der den Zielspielern jederzeit das Gefühl gibt, dass wir mit dem nächsten Standard ein Tor erzielen. Du brauchst auch Jungs, die die Box in Bewegung bringen. Ebenso gibt es Spieler mit wichtigen Zusatzaufgaben und final benötigst du noch diejenigen, die den Service verwerten können.

Das 3:0 in Aachen gelang dank Toren nach Eckbällen. Waren die einstudiert?

Natürlich haben wir uns Aachen im Voraus genau angeschaut und versucht, Schwachstellen auszumachen. Die Zielräume, die getroffen wurden, waren in der jeweiligen offensiven Aufstellung markiert. Umso schöner, dass wir uns belohnt haben, das schafft natürlich Überzeugung und Vertrauen, in das, was wir vorgeben.

Für Tim Kloss war es bereits das fünfte Saisontor, vier davon hat er per Kopf erzielt. Ist er der vielleicht beste Kopfballspieler der Liga?

Tim gehört sicherlich zu den besten Zielspielern der Liga. Gerade sein offensiver Kopfball ist herausragend, dazu bringt er natürlich Größe mit. Zusätzlich hat er ein gutes Gefühl für den Raum und schafft es häufig in die Flugbahn des Balls. Um diese Qualität aufblitzen zu lassen, ist teilweise auch immer noch ein zusätzlicher Spieler von hoher Bedeutung, der für Außenstehende nicht immer erkennbar ist. Jemand, der den Weg freiblockt. Unter anderem. Spieler mit einer Zusatzaufgabe haben bei uns intern einen hohen Stellenwert, denn ohne diese Spieler kommt man nur selten frei zum Abschluss.

Sie sind von Haus aus Torwart, hatten also mit eigenen Offensiv-Standards eher wenig zu tun.

Das stimmt, da habe ich eher defensiv einen größeren Erfahrungsschatz. In all meinen Stationen wurde das Thema Standards auch nicht annähernd so detailliert ausgearbeitet wie hier bei der Viktoria.

Ich habe links und rechts um mich herum so viel Fachwissen. Ich verlasse jeden Tag das Büro und habe was Neues gelernt
Kevin Rauhut über seine Arbeit bei Viktoria Köln

Es ist Ihnen also eher zugefallen und Sie haben sich in die Thematik reingearbeitet.

Das Thema Standards fasziniert mich ungemein und ich trage die Verantwortung mit großer Freude und voller Stolz. Da ich Perfektionist bin, gebe ich mich nur selten mit Dingen zufrieden und habe permanent das Gefühl, mich weiterentwickeln zu wollen, so auch in diesem Thema. Das bedarf Zeit, die mir an manchen Tagen fehlt. Dann geht der Laptop häufiger auch abends auf der Couch nochmal an, wenn meine Frau eingeschlafen ist (lacht). Allgemein sehe ich den Fußball seit Beginn meiner Trainerlaufbahn mit anderen Augen. Ich habe links und rechts um mich herum so viel Fachwissen. Ich verlasse jeden Tag das Büro und habe was Neues gelernt.

Gibt es Grenzen für Kreativität bei Standards? Oder ist alles erlaubt? Im WM- Achtelfinale 2014 gab es von Thomas Müller eine inzwischen berühmte Stolper-Freistoß-Variante.

Grundsätzlich würde ich den Jungs nichts verbieten, wenn sie überzeugt davon sind, dass es uns weiterbringen kann. Ich werde auch immer mal wieder bei Instagram von den Jungs verlinkt, wenn Content Creators irgendwelche Standards zerpflücken. Die Mannschaft gibt mir das Gefühl, dass sie Spaß an diesem Thema hat. Einige nehmen sich auch nach dem Training häufig noch einen Ball, um einander herauszufordern.

Wer sind die besten Schützen im Team?

Leonhard Münst hat sich zu unserem Servicegeber entwickelt. Er hat die notwendige Spielzeit und nachweislich die vorhandene Qualität, welche uns schon im Scouting positiv aufgefallen ist. Für direkte Freistöße wären es David Otto oder Tobias Eisenhuth, die haben im Training eine hervorragende Quote. Geheimtipp ist Dudu, wie damals José Luis Chilavert für Paraguay (lacht). Leider haben die Jungs bislang kaum Freistöße in aussichtsreicher Position gezogen. Ich glaube, dass wir da richtig Potenzial hätten.

Welche Vorbereitung ist schwieriger: die für offensive oder die für defensive Standards?

Die Vorbereitung auf defensive Standards ist komplizierter, weil der Gegner im Vorteil ist. Er entscheidet über Zielräume und Laufwege. Wir können unsere Spieler nur darauf vorbereiten, wenn eine Mannschaft viel mit Blocks arbeitet oder zum Beispiel viel kurz spielt, also auf Muster hinweisen. Das ist allerdings hypothetisch, da auch der Gegner immer wieder an neuen Varianten feilt. Offensiv-Standards können teilweise eins zu eins im Training nachgestellt werden, da hast du es in der Hand. Der Gedankenvorteil ist auf deiner Seite.

Worauf kommt es beim Verteidigen solcher Situationen an?

Vor allem muss die jeweilige Aufgabe klar sein. Bei uns ist es so, dass sich unsere Spieler an unsere Prinzipien halten. Die verändern sich nicht und dienen zur vereinfachten Aufgabenerfüllung, vor allem unter Stress. Attribute wie Überzeugung, Aufmerksamkeit, Geduld und Körperlichkeit haben ebenfalls einen hohen Stellenwert.

Im Hauptamt sind Sie Viktorias Torwarttrainer. In Aachen ist Dudu kurzfristig wegen einer Schulterblessur ausgefallen, ob er am Sonntag im Heimspiel gegen den MSV Duisburg (19.30 Uhr/Sportpark Höhenberg) auflaufen kann, ist noch unklar. Arne Schulz ist für ihn ins Team gerückt – und hat in seinem zweiten Liga-Einsatz zum zweiten Mal eine weiße Weste bewahrt.

Dieses Resultat hat er sich schon viel, viel früher erarbeitet. Darum hat es mich nicht überrascht. Was er Tag für Tag im Training einbringt, ist fantastisch. Er sät und sät und sät. So ein Spiel in Aachen ist die Ernte, die er einfährt. Arne war total unaufgeregt und hat sich an seinen Plan gehalten. Und die Jungs vor ihm wissen das, weshalb der notwendige Wechsel vor Anpfiff kein Thema war.

Was erwarten Sie von Duisburg?

Erst einmal erwarte ich einen rappelvollen Sportpark, ein echtes Highlight-Spiel für uns. In Duisburg wurde nach dem Aufstieg eine unfassbare Euphorie entfacht, sie sind eine Top-Mannschaft mit viel Wucht und Klarheit im Spiel.

Und die Standards des MSV?

Sie haben eine gute Servicequalität und im Strafraum aufgrund ihrer Körperlichkeit viel Wucht. Es geht darum, die Duelle mit den großen Jungs zu gewinnen. Ich gehe davon aus, dass unsere Mannschaft am Samstag, wenn wir mit der Gegnervorbereitung durch sind, wissen, was sie erwartet. Damit sie defensiv stabil steht und offensiv wieder für Gefahr sorgt. 


Kevin Rauhut (35), geboren in Oberhausen, steht seit Anfang 2022 bei Viktoria Köln unter Vertrag. Zunächst als Ersatztorhüter, inzwischen als Torwart- und Standard-Trainer. Als Spieler war er unter anderem für Wuppertal, Aachen, Siegen, Cottbus und Fortuna Köln aktiv.