KommentarDeutschland nutzt die Gunst der Stunde

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Unglaublich: Marcel Noebels verwandelt seinen Penalty einhändig.

Köln – Wahrscheinlich wird der Berliner Eishockey-Profi Marcel Noebels eines Tages seinen Enkeln von seinem Forsberg-Penalty berichten. Von seinem Schuss bei der Weltmeisterschaft in Riga zum 3:2  im Penaltyschießen gegen die Schweiz, vom Einzug ins Halbfinale. Noebels täuschte links auf der Vorhandseite an, irritierte den gegnerischen Goalie – und schob den Puck dann auf der rechten Seite einhändig an ihm vorbei. Ähnlich wie es der   Schwede Peter Forsberg 1994 in Lillehammer tat, als er im Olympia-Finale gegen Kanada den entscheidenden Penalty zum schwedischen Sieg verwandelte.

Die deutschen Spieler dürfen nun ihrerseits bei der WM 2021 von großen Taten träumen, zumal sie im Halbfinale am Samstag auf Finnland treffen. Ein Team, gegen das sie in der Gruppenphase zwar mit 1:2 verloren, dem Gegner aber auf Augenhöhe begegneten. Überhaupt ist das eingetreten, was viele Beobachter vor der WM vermutet hatten: Da bei dem Turnier in der lettischen Hauptstadt, das unter strengen Pandemie-Regeln stattfindet, die großen Stars aus Nordamerika fehlen, ist das Niveau ausgeglichener als in anderen Jahren. Eine Mannschaft aus dem gehobenen internationalen Mittelfeld wie die deutsche könnte tatsächlich die Gunst der Stunde nutzen und einen Coup landen.

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Wie auch immer es ausgeht, die DEB-Auswahl hat in Riga wieder ihre außerordentlichen Fähigkeiten gezeigt. Seit ihrer olympischen Silbermedaille von 2018 werden die Eishockey-Nationalspieler zurecht  als „Mentalmonster“ tituliert. Es sind zwar nur sechs Profis von Pyeongchang dabei, der Teamgeist von damals hat aber überlebt. Die Vokabel „aufgeben“ kennen die Nationalspieler nicht.

Nach dem 3:1 gegen Kanada im dritten Gruppenspiel hatte die Mannschaft in Riga ein Zwischentief – verständlicherweise: Die Profis waren emotional ein wenig ausgelaugt. Es folgten Niederlagen gegen Kasachstan, Finnland und die USA – die deutsche Mannschaft spielte jeweils nicht schlecht, es fehlte ihr in den engen Partien aber Glück.

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Beim 2:1 gegen Lettland zwang sie es wieder auf ihre Seite und zog in die K.o.-Runde ein. Gegen die Schweiz holte sie einen 0:2-Rückstand auf und entschied das Spiel im insgesamt zehnten Penalty.

Kapitän Moritz Müller wies nach dem Erfolg gegen die Schweiz darauf hin, dass eine WM immer eine Gelegenheit sei, in der Heimat Werbung für den Sport zu machen, der im Schatten des Fußballs steht. Diese Chance haben Müller und seine Teamkollegen bereits genutzt: Die Spiele der Nationalmannschaft  taugen perfekt als TV-Events, bieten beste Unterhaltung. Aber es geht noch mehr. Ein deutsches Eishockey-Wunder im Juni – das gab es noch nie.

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