Trauer um Galopp-LegendeHein Bollow im Alter von 99 Jahren gestorben

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Hein Bollow vor dem Trophäenschrank in seiner Wohnung

Köln – Der Galoppsport war Hein Bollows Lebenselixier, Pferde musste der frühere Jockey und Trainer jeden Tag sehen. Praktischerweise lebte er seit 2011 nur etwa 1500 Meter von der Galopprennbahn in Weidenpesch entfernt – in der 50-qm-Wohnung  einer Senioren-Residenz. Bis Mitte März besuchte Bollow täglich den Stall Asterblüte des Trainers Peter Schiergen. Manchmal machte Bollow, ausgestattet mit Spazierstock und Schiebermütze, den Weg zu Fuß. Oder es sprang ein Jockey als Fahrer für ihn ein. Schiergen und dessen Frau Gisela waren eine Ersatzfamilie für den alten Herrn, der im vergangenen Dezember 99 Jahre alt geworden war. „Wenn Hein nicht vorbeikam, haben wir angerufen, um zu erfahren, ob es ihm gut geht“, sagt Schiergen.

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Als im März die Kontaktsperre wegen des Coronavirus verhängt wurde, änderte sich jedoch alles. Bollow durfte die Senioren-Residenz nur noch für wichtige Einkäufe und Apothekengänge verlassen, seine geliebten Ausflüge auf die Rennbahn fielen aus.

So saß er täglich viele Stunden in seiner Wohnung, einem kleinen Galoppsport-Museum. Alles hat der gebürtige Hamburger, der als Jockey 1033 und als Trainer 1661 Rennen gewann, akkurat archiviert und aufbewahrt. Fotos, Pokale, Pferde-Statuen, Hefte, Bücher. Prunkstück der Sammlung ist ein großes Buch, in dem handschriftlich Bollows Triumphe als Jockey verzeichnet sind. Einer nach dem anderen. Mit Datum, Ort und dem Namen des Pferdes.

Drei Jahre in Kriegsgefangenschaft

Die Aufzeichnungen beginnen im Jahr 1938, es gibt eine Lücke zwischen 1943 und 1946. Denn da war Bollow in französischer Kriegsgefangenschaft. 1943, vor seinem Front-Einsatz, heiratete er in Berlin seine Margot, deren Vater der Galopptrainer Hans Thalheim war. Ein schwarz-weißes Hochzeitsfoto hatte einen prominenten Platz auf einer geschnitzten Eichenkommode in Bollows Wohnzimmer. Die Möbel kauften er und seine Frau, die 1999 starb, nach dem Krieg bei einem Kunsthändler.

Seine Ausbildung als Rennreiter absolvierte Bollow in Berlin, er war 15 Jahre alt, als er in die Hauptstadt kam. Auch die Ereignisse der Anfangsjahre seiner Karriere hat er detailliert in einer Kladde dokumentiert: Seinen Lohn, Ausgaben – alles ist handschriftlich erfasst.

Vier Derbysiege als Jockey, einer als Trainer

Bollows Tochter Gelia kam 1944 zur Welt. Sie sah den Vater zum ersten Mal, als er aus der Gefangenschaft zurückkehrte und sie schon fast zwei Jahre alt war. Nach dem Krieg nahm Bollows Karriere einen rasanten Verlauf. Im September 1946 feierte er gleich wieder einen Sieg. 1947 kam er nach Köln, das zu seiner Wahlheimat wurde. Er ritt für das Gestüt Röttgen, für Schlenderhan und den Stall Asta. Sieg Nummer 500 folgte im Jahr 1954, der 1000. Erfolg neun Jahre später. Das Derby in Hamburg gewann Bollow als Jockey viermal – und als Trainer, der er 1963 wurde, einmal. 1988 endete Bollows Laufbahn. Die Rennbahnen besuchte er noch häufig – und täglich den Stall Asterblüte. Bis zum März.

Katja Minarik, Frau des Jockeys Filip Minarik, und Gisela Schiergen schauten zuletzt täglich nach Bollow. Er bekam viel Post, denn Philipp Hein, der Geschäftsführer des Kölner Rennvereins, hatte den Aufruf gestartet, dem einsamen Senioren Briefe zu schreiben. Bollow habe das sehr gefreut, sagt Peter Schiergen: „Er hat jeden Tag ein paar Stunden gelesen.“ Ende letzter Woche erlitt Bollow einen Schlaganfall und wurde ins Krankenhaus gebracht. Am Montag schlief er friedlich ein, wie Schiergen berichtet: „Ohne zu leiden. So, wie es sich Hein Bollow immer gewünscht hat.“

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