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Diaby verletztDas Genie von Florian Wirtz genügt Bayer 04 nicht

Lesezeit 4 Minuten
Florian Wirtz und Robert Andrich (sitzend) sind nach dem 2:3 gegen Monaco enttäuscht.

Florian Wirtz und Robert Andrich (sitzend) sind nach dem 2:3 gegen Monaco enttäuscht.

Ein Traumtor des Nationalspielers genügt Bayer 04 Leverkusen nicht, jetzt droht das aus in der Europa League.

Als nach fast 100 Minuten Kampf innerhalb fußballerischen Regeln auf dem Rasen die große Rangelei begann, war Xabi Alonso schon auf dem Weg in die Kabine. „Ich habe davon nichts bekommen“, meinte der Spanier zur einigermaßen spektakulären Rudelbildung nach der 2:3-Niederlage von Bayer 04 gegen die AS Monaco am Donnerstagabend. Was er zuvor gesehen hatte, genügte völlig, um ihm die Laune zu verderben.

Seine Mannschaft hatte ein gedreht und gewonnen geglaubtes Spiel noch verloren, das Weiterkommen ins Achtelfinale der Europa League gefährdet und zudem ihren aktuellen Top-Scorer Moussa Diaby (kleine muskuläre Verletzung im Oberschenkel) verloren. Wie schmerzhaft die Niederlage war, auch für ihn persönlich, dokumentierte Torhüter Lukas Hradecky nach dem Spiel mit Vorwürfen in Richtung des Gegners: „Heutzutage kann sich keiner mehr verhalten, einfach alles Kinder“.

Alexander Nübel hat Mitgefühl mit Lukas Hradecky

Der Finne sah sich offenbar als mehrfaches Opfer des Spiels, denn dem 0:1 – Eigentor Hradecky – war in der neunten Minute seiner Meinung nach ein Vergehen des ihn bedrängenden Schweizers Breel Embolo vorausgegangen. „Das war ganz klar ein Foul, eine Fehlentscheidung“, polterte der Leverkusener. Diese Meinung konnte auch sein deutscher Kollege Alexander Nübel („Tor für uns war eine harte Entscheidung für Hradecky“) nachvollziehen. Aber es steht außer Frage, dass der Finne das Entstehen dieser Situation nach einem schlampigen Rückpass von Jonathan Tah selbst heraufbeschworen hatte.

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Dass Embolo wie ein Güterzug herangerauscht kam, nahmen alle im Stadion außer Hradecky selbst wahr. Sonst hätte er den Ball in der neunten Minute einfach weggeschlagen und ihn sich nicht leichtsinnig vorgelegt. Noch erschreckender als dieses Gegentor war die Art, wie die Werkself darauf reagierte. Bis in die Nachspielzeit der ersten Halbzeit hinein schaffte sie es nicht, eine Torchance zu erspielen.

Die taktischen Unklarheiten auf dem Feld mochten dabei eine Rolle gespielt haben. Nadiem Amiri funktionierte im rechten Mittelfeld ebenso wenig wie Moussa Diaby auf der linken Seite. Erst ein Tausch der Positionen ordnete die Dinge, aber wieder fehlte ein richtiger Mittelstürmer. Florian Wirtz legte ohne zentrale Anspielstation vor sich riesige Wege zurück, um sich selbst ins Spiel zu bringen, aber das gelang erst in der zweiten Halbzeit. Der 19-Jährige machte sich dann auf, zum Hauptdarsteller dieses Spieles zu werden. Mit einem famosen Dribbling und einem perfekten Pass in den Lauf des Sprinters Jeremie Frimpong leitete er kurz nach der Halbzeit den Ausgleich ein. Der Niederländer fand mit dem letzten Pass einmal sein Ziel in Person von Moussa Diaby. Und der Franzose zeigte seine ganze Klasse mit einem Dribbling und einem Schuss durch die Beine von Alexander Nübel auf engstem Raum.

Es stand 1:1, Bayer 04 dominierte plötzlich das Geschehen. Schließlich setzte Jung-Nationalspieler Wirtz zu seinem großen Solo an. Narrte einen Monegassen, dann einen zweiten und schlenzte nach knapp einer Stunde den Ball vorbei an einem dritten unerreichbar für Nübel ins Tor. Das Stadion jubelte, und so merkte auch niemand, dass kurz zuvor etwas Schlimmes passiert war: Moussa Diaby hatte sich mit Schmerzen in der Leiste aus dem Spiel verabschiedet. Ausfallzeit laut Klub sieben bis zehn Tage. Damit ist sein Mitwirken im Rückspiel in Monaco ungewiss. 

Wir brauchen in Monaco einen Sieg, egal welchen
Xabi Alonso

Das muss er auch, denn Diaby ist einer der wenigen Akteure, die Spiele für Bayer 04 gewinnen können. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der französische Klassespieler kommenden Donnerstag in Monaco fehlen, wenn Bayer 04 gewinnen muss, um zumindest die Verlängerung zu erreichen. Da die Auswärtstorregel im Europapokal abgeschafft wurde, würde sogar ein 1:0 genügen. „Wir brauchen einen Sieg, egal welchen“, sagte Trainer Alonso, „aber dann müssen wir die Konzentration und Mentalität bis zur letzten Sekunde hochhalten. Heute haben wir sie nach dem 2:1 verloren. Vielleicht haben einige Spieler gedacht, sie hätten schon gewonnen.“

Diese Form der Nachlässigkeit war zuletzt häufig zu beobachten und hatte vermeintlich entschiedene Spiele, wie zuletzt in Hoffenheim, selbst nach deutlichen Führungen wieder ins Wanken gebracht. Es fällt in den zentralen Aufgabenbereich eines Cheftrainers, einer Mannschaft diese unangenehmen Eigenschaften auszutreiben und zu ergründen, warum vor allem die Abwehrspieler unerklärliche Leistungsschwankungen an den Tag legen. Die beiden späten Tore für die Gäste durch Schüsse außerhalb des Strafraums waren nur möglich, weil die Defensive kollektiv den Zugriff auf laufende Angriffe der Monegassen verweigerte.

Patrik Schicks Mini-Comeback geht im Trubel unter

So war der Frust groß. Und das Mini-Comeback des lange verletzten Torjägers Patrik Schick ging im Trubel unter. In der 88. Minute durfte der Mittelstürmer das Spielfeld betreten und da noch geschlagene zehn Minuten in der Hitze der Nachspielzeit verbringen, bevor der Tumult los brach. Ohne den Torgaranten Moussa Diaby wird ihn Bayer 04 am Sonntag gegen den FSV Mainz (19.30 Uhr, Bay-Arena) und am Donnerstag in Monaco (21 Uhr) länger benötigen, um die Ziele nicht noch weiter aus den Augen zu verlieren.

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