Viktoria Köln in der KriseRettigs Pläne kollidieren mit der harten Wirklichkeit

Lesezeit 4 Minuten
18C6F6E7-DEE6-45BC-8227-AE892C5CE2E6

Viktoria-Manager Andreas Rettig

Köln – Spätestens Anfang Mai hatte sich so etwas wie Aufbruch-Stimmung breit gemacht rund um den Sportpark Höhenberg: Soeben hatte der FC Viktoria Köln den Klassenerhalt in der Dritten Liga perfekt gemacht und durfte sich zurecht damit rühmen, ein weiteres Jahr im Profifußball vertreten zu sein. Und dann kam auch noch eine Personalie ans Licht, die zunächst beinahe unwirklich, im Nachgang aber durchaus charmant anmutete: Die Viktoria präsentierte Andreas Rettig als neuen starken Mann und gleichsam als Speerspitze der ambitionierten Rechtsrheinischen, der 58-jährige Leverkusener wurde als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung vorgestellt.

Viktoria Köln will Abhängigkeit von Mäzen Wernze abbauen

Natürlich verfügt der einstige Manager des 1. FC Köln und Ex-DFL-Geschäftsführer nicht nur über einen schillernden Namen, zumal im Fußball, sondern auch über ein umspannendes Netzwerk und: Visionen. Die ein oder andere Journaille titelte gar: „Der neue Star ist der Manager.“ Was mit derlei Vorschusslorbeeren gemeint war, lässt sich unschwer entschlüsseln. Rettig war mit dem Ideal angetreten, die familiär geführte Viktoria auf ein neues und professionelleres Level zu hieven. Zugleich sollte der erfahrene Manager die langjährige finanzielle Abhängigkeit von Kölns Mäzen Franz-Josef Wernze Schritt für Schritt abbauen. Der Vorstand der weltweit operierenden Steuerberatungsgesellschaft ETL zeichnete mit seinen üppigen Zuwendungen maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Höhenberger in den letzten elf Jahren zwei Mal aufstiegen; im Sommer 2020 zog sich Wernze auch aus gesundheitlichen Gründen aus der Öffentlichkeit zurück, erwarb  jüngst als Privatperson aber 9,95 Prozent der Anteile an der für das Drittliga-Team zuständigen Spielbetriebs-GmbH – gleichsam eine emotionale Rendite, die der 73-Jährige an seinem Herzensklub erwarb.

Das könnte Sie auch interessieren:

erspektivisch und vor allem wirtschaftlich möchte Viktorias neuer Geschäftsführer die Rechtsrheinischen allmählich emanzipieren; ein ehrgeiziges Projekt, das sich auch an der Spanne des Vertrags ablesen lässt, den der Rheinländer im Frühjahr beim FC Viktoria unterzeichnete: Rettig unterschrieb gleich für vier Jahre, es ist sein erstes Engagement in Liga drei. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit am 1. Juni, teilweise auch schon in den Wochen zuvor, legte der erfahrene Manager, der von 1986 bis 1988 selbst Spieler der Viktoria war, ein derart atemberaubendes Tempo vor, dass dem ein oder anderen auf der  Geschäftsstelle Hören und Sehen vergangen sein muss. Gerade Themen wie Nachhaltigkeit, soziales Engagement und Bodenständigkeit waren für den ihn elementare Bausteine auf dem Weg zu einer neuen, vom Image her volksnahen und sympathischen Viktoria mit hohem Wiedererkennungswert. „Klar wollen wir den sportlichen Erfolg“, bemerkte Andreas Rettig unlängst. „Wichtig ist aber nicht nur ein 1:0, sondern der gesellschaftliche Auftrag.“

Samstag gegen den MSV Duisburg

Gerade im Sportlichen knirscht es augenblicklich aber gewaltig im Rechtsrheinischen: Die von Trainer Olaf Janßen trainierte Mannschaft ist nach neun Spieltagen auf dem vorletzten Tabellenplatz eingetrudelt, befindet sich aktuell im Sinkflug und hat den Saisonstart komplett in den Sand gesetzt. Ein aus dem emotionalen Umfeld sehnlich herbei gesehnter Husarenritt durch die Liga mit der Perspektive Zweite Liga ist bereits Makulatur. Wobei Rettig eine derart rasche Performance auch nie prophezeit hat. Dass es trotz eines gewaltigen Personal-Umbruchs und 14 Abgängen, darunter der von Vereins-Ikone und Ausnahmespieler Mike Wunderlich, derart rumpelt, hatte wohl niemand in Höhenberg erwartet, auch der Coach nicht, der aufgrund vieler erst auf den letzten Drücker verpflichteten Fußballer und großem Verletzungspech nie dieselbe Mannschaft auf das Feld schicken konnte.

„Solche Täler gehören im Fußball dazu“, beschwichtigt Janßen die erhitzten Gemüter. „Die Tabelle ist eine Momentaufnahme, fühlt sich aber nicht gut an. Jetzt müssen noch mehr Jungs die Köpfe rausstrecken.“ Die nächste Gelegenheit, wieder in die Spur zu gelangen, ergibt sich für den FC Viktoria bereits am Samstag (14 Uhr, Sportpark Höhenberg) gegen den MSV Duisburg. „Der Druck wächst, aber wir können mit unserer Mannschaft daraus kommen“, glaubt der Trainer. Es wäre ein Jammer, sollten die nicht zuletzt von Andreas Rettig angestoßenen Ziele für die Zukunft von den sportlichen Sorgen der Gegenwart eingeholt und womöglich pulverisiert werden.

KStA abonnieren