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Abschiedsinterview Kreissparkassenchef„Ab Januar sind wir eine Großbank“

7 min
Abschiedsinterview mit Alexander Wüerst, dem scheidenden Vorsitzenden des Vorstandes der Kreissparkasse Köln.

Foto: Michael Bause

Abschiedsinterview mit Alexander Wüerst, dem scheidenden Vorsitzenden des Vorstandes der Kreissparkasse Köln. Foto: Michael Bause

Alexander Wüerst spricht über Autoschalter in den 80ern, längst vergessene Scheckhefte und die größte Neuerung für die Bank: Apple Pay. 

Herr Wüerst, Sie waren 44 Jahre in der Kreissparkasse tätig, vom Lehrling in der Filiale in Wahn bis zum Vorstandsvorsitz. Was hat sich in dieser Zeit in der Bank grundlegend verändert?

Alexander Wüerst: Das Markanteste ist sicher die Technisierung und Digitalisierung. Wenn ich an 1981 zurückdenke, als ich bei der Sparkasse anfing, da war die Welt noch eine vollkommen andere. Damals kamen die ersten Kontoauszugsdrucker zum Einsatz. Die meisten Menschen wollten ihre Auszüge aber nicht aus dem Drucker haben. Sie gingen lieber zu einem Schalter, um sich die Kontoauszüge dort aushändigen zu lassen. Diese mussten wir zuvor regelmäßig morgens in großen Trögen mit grünen Trennkarten einsortieren – übrigens eine sehr beliebte Aufgabe für Auszubildende (lacht). Geldautomaten gab es auch noch kaum. Dafür hatte die Hauptstelle am Neumarkt 50 Kassen – heute werden im Normalfall nur noch drei benötigt.

Was ist in der Bank noch verschwunden?

Fast verschwunden sind die Scheckvordrucke. Früher zählte es zu den typischen Tätigkeiten am Serviceschalter, den Kundinnen und Kunden Scheckvordrucke auszuhändigen. Heutzutage spielt diese Zahlungsmethode im Alltag der Menschen praktisch keine Rolle mehr. Laut Bundesbank machen Schecktransaktionen nur noch 0,01 Prozent der bargeldlosen Zahlungsvorgänge aus. Deshalb haben sich die Bundesbank und die Deutsche Kreditwirtschaft auch darauf verständigt, das Einzugsverfahren für inländische Schecks Ende 2027 einzustellen.


Alexander Wüerst begann seine berufliche Laufbahn 1981 als Auszubildender bei der Kreissparkasse Köln. Er war bis Ende 1988 als Firmenkundenbetreuer tätig. 1990 wechselte er in den Bereich Individual- und institutionelle Kunden, dessen Leitung er 1991 übernahm. Der Ernennung zum Direktor (1996) mit Zuständigkeit für das gesamte Privatkundengeschäft, die institutionellen Kunden und die Eigenanlagen (Treasury) der Sparkasse folgte mit der Bestellung zum ordentlichen Vorstandsmitglied 2002 der nächste Karriereschritt. Zum 1. Februar 2006 wurde Alexander Wüerst zum Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Köln berufen. Die Kreissparkasse Köln ist mit einer Bilanzsumme von fast 30 Milliarden Euro die zweitgrößte Sparkasse Deutschlands.


Gab es zu Ihrer Lehrzeit auch Autoschalter, die damals in Mode waren?

Wir hatten lange zwei personen-besetzte Autoschalter hier in Köln an der Wolfsstraße, an der Rückseite unserer Zentrale am Neumarkt. Man konnte im Auto sitzend Geld abheben oder auch andere Bankgeschäfte tätigen. Später wurden diese Schalter durch Geldautomaten ersetzt. Der Autoschalter war damals wirklich etwas Revolutionäres.

Was war der bewegendste Moment in 44 Jahren Kreissparkasse?

In vertrieblicher Hinsicht denke ich da an den Start von Apple Pay mit der Girocard. Das war eine der erfolgreichsten Produkteinführungen. In Spitzenzeiten wurde alle sieben Sekunden eine Karte neu digital registriert. Mit dem Start von Apple Pay waren die Sparkassen Ende 2019 die ersten, die allen Kundinnen und Kunden unabhängig vom Endgerät das mobile Bezahlen ermöglichten. Ein bewegender Moment ganz anderer Art war hingegen die Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal und in Teilen unseres Geschäftsgebiets, an Erft, Wupper, Sülz und dem Orbach in der Voreifel. Viele unserer Mitarbeitenden haben vor Ort geholfen, wir sind mit unserer mobilen Küche in überflutete Gebiete gefahren, um Betroffene und Helfer mit Essen und Getränken zu versorgen. So erschütternd die Bilder der Zerstörung waren, so sehr hat mich die Solidarität beeindruckt, die in dieser Ausnahmesituation zwischen den Menschen zu erleben war.

03.11.2025, Köln: Abschiedsinterview mit Alexander Wüerst, dem scheidenden Vorsitzenden des Vorstandes der Kreissparkasse Köln.

Foto: Michael Bause

Alexander Wüerst, scheidender Vorsitzender des Vorstandes der Kreissparkasse Köln, in der Schalterhalle der Zentrale am Neumarkt.

Was war die schwierigste Entscheidung in Ihrer Zeit als Vorstand?

Viele schwierige Entscheidungen waren sicherlich im Zusammenhang mit der Abwicklung der WestLB zu treffen. Am meisten gegen meine innere Überzeugung waren jedoch verschiedene erforderliche Entscheidungen in der langen Niedrigzinsphase. Nach der Einführung der Negativzinsen durch die EZB haben wir noch längere Zeit davon abgesehen, diese auch im Kundengeschäft einzuführen. Sein Geld einem Kreditinstitut zu geben und dafür bezahlen zu müssen, das fand ich falsch. Diese Phase hat uns wirtschaftlich allerdings sehr unter Druck gesetzt. Die am langen Ende nötige Entscheidung, bei größeren Geldanlagen doch auch einen Negativzins zu berechnen, ist mir nicht leichtgefallen.

Wie viele Filialschließungen gab es in Ihrer Zeit?

Wenn Sie mir 2006 gesagt hätten: „Herr Wüerst, in Ihrer Amtszeit werden mehr als 100 Geschäftsstellen wegfallen“, hätte ich gesagt: „Nie und nimmer, so etwas werde ich nicht mehr erleben.“ Tatsächlich gab es infolge des veränderten Kundenverhaltens drei Wellen von Zusammenlegungen. Aufgrund der komfortablen digitalen Angebote nehmen Kundinnen und Kunden einfache Servicegeschäfte immer stärker selbst vor – und suchen entsprechend seltener die Filialen auf. Ich muss aber sagen: Auch wenn das für die Menschen vor Ort im ersten Moment natürlich keine schöne Entscheidung ist, haben wir letztlich doch viel Akzeptanz erfahren. Hierbei hat sicherlich auch geholfen, dass wir als Alternative die sechs fahrbaren Filialen mit über 60 Halteplätzen in unserer Region haben.

Die es ja 1981 in Ihrer Lehre schon mal gab…

Richtig, damals war es aber anders herum: Mit den damaligen fahrbaren Filialen haben wir zunächst den Markt sondiert, um dann zu entscheiden, ob wir eine Filiale vor Ort eröffnen. Heute versorgen wir auf diese Weise Ortschaften, in denen keine stationäre Filiale mehr ist. Wir haben damit heute übrigens insgesamt genau dieselbe Anzahl von Präsenzen, also Filialen, Automaten und Haltestellen der Busse, wie vor den ersten Zusammenlegungen – nämlich 231. Wir sind also nicht einfach weg.

Bankgeschäft auf dem Land funktioniert anders als in einer Großstadt wie Köln
Alexander Wüerst

Warum gehen Banken nicht den Schritt, dass sie sich andere Akteure in ihre Filialen reinholen, um diese zu retten – einen Bäcker etwa und ein Stehcafé?

Mir ist kein Beispiel bekannt, bei dem dies letztlich geglückt wäre. Es sind sehr viele Sicherheitsfragen zu klären. Zudem sind Bankangelegenheiten etwas sehr Persönliches. Wir hatten ja auch schon kleinere Filialen in Einkaufszentren. Das hat sich allerdings nicht bewährt. Bank neben Bäcker, Metzger oder Apotheke, das hat sich als nicht vertraulich genug herausgestellt.

Wie viele Fusionen fallen in Ihre Amtszeit als Vorstandsvorsitzender?

Das waren drei, nämlich mit den Sparkassen Hennef, Bad Honnef und Radevormwald-Hückeswagen.

Das ist eigentlich wenig…

Wir sind in unseren vier Trägerkreisen nun mal schon sehr gut verbreitet. Im Rhein-Erft-Kreis sind wir bereits seit mehreren Jahrzehnten die einzige Sparkasse, im Rhein-Sieg-Kreis seit der Fusion mit Bad Honnef 2019 ebenfalls. Im Rheinisch-Bergischen gibt es noch die Stadtsparkasse Wermelskirchen, der es wirtschaftlich sehr gut geht. Im Oberbergischen Kreis hat sich die Sparkasse Gummersbach durch eine Fusion erst vor wenigen Jahren deutlich vergrößert.

Es gibt mit der Kreissparkasse und der Sparkasse Köln-Bonn noch zwei Kölner Sparkassen.Was spricht für oder gegen eine Fusion?

Grundsätzlich ist Größe in einem Markt mit viel Wettbewerb schon ein gewisser Vorteil, weil sich Kosten skalieren lassen. Nun gibt es aber zwischen den beiden Kölner Sparkassen nahezu keine Überschneidungen der Geschäftsgebiete. Wir betreiben im Grunde nirgendwo Filialen nebeneinander, wenn man von den drei Standorten absieht, die wir aus historischen Gründen noch auf Kölner Stadtgebiet unterhalten. Darüber hinaus sind wir sehr unterschiedlich aufgestellt: Wir decken in den vier Kreisen unseres Geschäftsgebiets viel ländlichen Raum ab. Bankgeschäft dort funktioniert anders als in einer Großstadt wie Köln.

Sie sind seit Jahren kurz vor Erreichen der Großbankengrenze von 30 Milliarden Euro Bilanzsumme. Wann ist es soweit?

Es läuft derzeit darauf hinaus, dass wir zum 31. Dezember dieses Jahres wohl die Marke überspringen werden. Wir werden dann zukünftig durch die EZB beaufsichtigt und sind darauf gut vorbereitet.

Wie wird die Bank der Zukunft aussehen?

Durch die Digitalisierung werden neue Bankmodelle Einzug halten. Heute ist es aufgrund der Erreichbarkeit über PC, Tablet oder Smartphone für Kunden nicht mehr so entscheidend, wo sich der Sitz einer Bank befindet. Auch werden weitere Non- oder Nearbanks in den Markt eintreten und einzelne Finanzdienstleistungen extrem kostengünstig anbieten. Die gerade für Start-ups doch sehr aufwändige Regulierung hat diese Entwicklung bislang noch gebremst. Aktuell nehmen wir aber erste Tendenzen wahr, die auf etwas De-Regulierung hindeuten. Künstliche Intelligenz wird möglicherweise noch mehr in Anlage- oder Kreditentscheidungen eingebunden. Vielleicht werden Avatare Beratung übernehmen. Die Bedeutung der klassischen Filiale, so wie wir sie heute kennen, wird sich möglicherweise noch stärker wandeln.

Kann es sein, dass die Filiale ganz verschwindet?

Nein, das glaube ich nicht. Ich gehe davon aus, dass wir in jeder Gemeinde unseres Trägergebiets – das sind aktuell 45 – mit mindestens einer Geschäftsstelle vertreten bleiben. Aber die Filiale wird sich weiter verändern. Dort dürfte vermehrt auch digitale Beratung per Video angeboten werden, das ist ein Trend. Gleichwohl: Bei einer regionalen Bank Kunde zu sein, dass wird für viele Menschen weiter wichtig sein.

Immer wieder sind die Bezüge von Sparkassenvorständen medial ein Thema. Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Gehalt veröffentlicht wird?

An die Veröffentlichung meines Gehaltes habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Was mich aber an dieser Debatte nach wie vor stört, ist dass sie unvollständig geführt wird. Die Betrachtung ist sehr zugespitzt auf die Sparkassen und insbesondere diejenigen aus Nordrhein-Westfalen. Besonders erklären müssen sich also vor allem diejenigen, die ohnehin schon transparent sind, während diejenigen, die schweigen, in der Betrachtung außen vor bleiben. Das ist nicht in Ordnung.

Was machen Sie im Ruhestand?

Ich bin stolzer Großvater von fünf Enkeln und freue mich zuallererst darauf, mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können. Zudem möchte ich mehr Sport treiben, sei es im Schwimmbecken oder auf dem Stepper. Darüber hinaus bin und bleibe ich Mitglied in den Kuratorien mehrerer Stiftungen, und auch mein Amt bei den Roten Funken als Sprecher der Funkenförderer werde ich fortführen.