BerufspendlerImmer mehr Ostdeutsche fahren zur Arbeit in den Westen

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Pendler

Immer mehr Ostdeutsche pendeln zur Arbeit in den Westen.

Pendeln ist heute weiß Gott kein Einzelschicksal mehr, sondern ein Schicksal von Millionen. Und es ist eines, das zunimmt. Erst kürzlich informierte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung darüber, dass die Zahl der Pendler von 53 Prozent im Jahr 2000 auf 60 Prozent im Jahr 2017 gestiegen sei. Pendeln bedeutet in diesem Fall, dass Menschen in einem anderen Ort arbeiten als sie leben.

Auch die Zahl der Fernpendler mit einem täglichen Arbeitsweg von mehr als 150 Kilometern ist seither gewachsen – von einer Million auf 1,3 Millionen. Die unter anderen gesundheitsschädigenden Konsequenzen für die Betroffenen sind bekannt.

Sonderfall Ost-West-Pendler

Ein Sonderfall sind die Ost-West-Pendler. Ihre Existenz gilt auch als Indiz für die wirtschaftlichen Verhältnisse im Land – sprich: das ökonomische Gefälle. Und nimmt man die aktuelle Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Jan Korte zum Maßstab, dann steht es damit nicht zum Besten. Denn auch die Zahl die Ost-West-Pendler steigt. Waren es im Juni 2016 der Antwort zufolge noch zirka 404.000, so waren es im Juni 2017 rund 410.000. Das sind 6,6 Prozent aller Ostdeutschen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Korte kommentiert die Entwicklung entsprechend.

„Es ist schlichtweg politisches Versagen, dass fast zehn Prozent der Berufstätigen aus den Ost-Bundesländern, die an den wirtschaftsstarken Westen grenzen, ihren Feierabend auf der Autobahn oder in der Bahn verbringen müssen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer seiner Fraktion dieser Zeitung und benannte die Gründe aus seiner Sicht: „Solange die Ost-Löhne in einigen Branchen nur bei 60 Prozent des West-Niveaus liegen, haben viele keine andere Wahl.“ Korte beklagte zudem, dass die innerdeutsche Lohnungleichheit im Sondierungspapier „der westdeutsch dominierten GroKo-Parteien“ keine Rolle spiele. „Die Angleichung zwischen Ost und West muss endlich Chefsache werden, wenn Ostdeutschland nicht großflächig zur Arme-Leute-Region werden soll.“

Bilanz ist unterm Strich ambivalent

Das Ausmaß des Pendelns ist sehr unterschiedlich. Es ist tatsächlich besonders in den Ost-Ländern ausgeprägt, die eine gemeinsame Grenze mit West-Ländern haben. Thüringen liegt deshalb mit 10,4 Prozent klar vorn, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 9,0 und Sachsen-Anhalt mit 8,7 Prozent. In Sachsen beträgt der Anteil hingegen lediglich 4,4 Prozent. Schlusslicht im guten Sinne ist Brandenburg mit 4,2 Prozent. Allerdings sind all jene, die von Brandenburg gen Berlin und zurück unterwegs sind, offenbar nicht erfasst. Berlin wird nämlich – egal ob Ost oder West – auch in den meisten anderen Statistiken pauschal dem Osten zugeschlagen.

So ist die Bilanz unter dem Strich ambivalent. Einerseits pendeln Millionen Arbeitnehmer morgens zu ihren Jobs und abends wieder heim – deutschlandweit. Andererseits weisen die Ost-Zahlen auf den wirtschaftlichen Abstand zum Westen hin, der unverändert existiert. Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Arbeitslosen in den neuen Bundesländern vielerorts doppelt so hoch ist wie in den alten. Vermutlich würden noch deutlich mehr Ostdeutsche gen Westen unterwegs sein – wenn denn die Gelegenheit dazu bestünde.

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