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Interview

Ausbau des Weltraumzentrums
„An keinem Ort kommt man dem Mond so nah wie in Köln“

4 min
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und die ESA (Europäisches Astronautenzentrum) bauen  in Köln in der LUNA-Facility die Mondoberfläche nach, auf der zukünftige Astronautinnen ausgebildet werden können. Foto: Michael Bause

In Köln üben Astronauten in der Mondsimulationsanlage Luna Missionen auf dem Mond.

Das Weltraumzentrum Spacehub Cologne soll massiv ausgebaut werden. Weltraumexperte Enrico Fels lobt die Entscheidung und das Engagement der Landesregierung.

NRW baut mit der Erweiterung des sogenannten Spacehub Cologne den Raumfahrtstandort Köln weiter aus. Auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Porz wird der Standort der Europäischen Weltraumorganisation Esa erweitert. Am Donnerstag, 20. November, werden das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne), die Esa und das DLR eine Absichtserklärung zum Ausbau des Spacehub Cologne unterzeichnen. Konkret soll ein Esa-Direktorium vom niederländischen Noordwijk nach Köln verlegt werden. Wir sprachen dazu mit Weltraumexperte Enrico Fels, Geschäftsführer des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (Cassis) der Uni Bonn.

Der Spacehub Cologne wird ausgebaut. Was macht ausgerechnet Köln zum Weltraumzentrum?

Die schwarz-grüne Landesregierung hat im April zur Eröffnung der ersten nordrhein-westfälischen Raumfahrtkonferenz Space-Tech-NRW korrekt festgestellt, dass Europas Weg in den Weltraum über NRW führt. Es gibt im Land starke, von der Landesregierung geförderte Zentren der Esa und des DLR, die Forschung, Entwicklung und Transfer vorantreiben, international vernetzt sind und europa- sowie weltweit Standards setzen. Der Sitz von Vorstand und Hauptverwaltung des DLR befindet sich in Köln, die Deutsche Raumfahrtagentur wiederum sitzt in Bonn, wo sich auch der erste Dienstsitz des Raumfahrtministeriums sowie UN-Spider, eine Plattform für raumfahrtgestützte Technologien im Bereich Katastrophenmanagement, befinden. Die Esa hat drei Standorte in Deutschland — einer davon in Köln am Spacehub Cologne, wo sich unter anderem das europäische Astronautenzentrum der Esa, das Zentrum für Weltraummedizin oder die Luna-Mondanlage befindet.

Enrico Fels, Geschäftsführer des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Welche Bedeutung hat Köln für eine mögliche Mondmission?

Wenn die Menschheit in den kommenden Jahren zum „Siebten Kontinent“ zurückkehrt, werden Rover, Robotersysteme und hoch spezialisierte Technik unverzichtbare Helfer sein. In Köln üben Astronauten daher in der dortigen Mondsimulationsanlage den routinierten Umgang mit dieser Ausrüstung unter besonderen, möglichst authentischen Bedingungen. Zugespitzt lässt sich also sagen, dass man an keinem anderen Ort Europas dem Mond so nahe kommt wie in Köln.

Welche Weltraum-relevanten Standorte gibt es noch in der Region?

Ingenieurswissenschaftliche Exzellenz wird an der RWTH Aachen vorangetrieben. In NRW sind damit bereits jetzt zahlreiche Unternehmen, Hochschulinstitute, Forschungseinrichtungen mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten und Administrationen in der Raumfahrt etabliert. Und: Auch die am Mittwoch veröffentlichte Weltraumsicherheitsstrategie der Bundesregierung wird großen Einfluss auf unser Bundesland haben. Die Bundeswehr hat ihr Weltraumkommando in Uedem am Niederrhein. Dieses wird anteilig mit den 35 Milliarden Euro, die allein das Verteidigungsministerium bis 2030 in die Stärkung deutscher Weltraumsicherheit investiert, in den kommenden Jahren umfangreich ausgebaut und weiter befähigt werden.

Wie stark wächst die Weltraumwirtschaft, insbesondere in NRW?

Die Raumfahrtindustrie wächst global seit vielen Jahren mit durchschnittlich neun Prozent pro Jahr und wird sich gemäß mehrerer Studien bis 2035 im Umfang verdreifachen auf etwa 1800 Milliarden Dollar. NRW ist bundesweit im Bereich der Wertschöpfung für den Raumfahrtbereich bereits unter den Top 5 — ein sehr guter Wert vor dem Hintergrund, dass dieses Zukunftsfeld durch die Landespolitik lange eher stiefmütterlich behandelt wurde.

Wie viele NRW-Unternehmen gibt es in dem Bereich?

Die Raumfahrtlandschaft unseres Landes umfasst rund 80 gelistete Unternehmen sowie mehr als 20 Forschungseinrichtungen. Hinzu kommt eine wachsende Anzahl von Start-ups mit Anwendungen in den Bereichen Erdbeobachtung, Navigation, Quantenkommunikation und Sensortechnologien. Zudem ist die Transformation klassischer Industrien – zum Beispiel Maschinenbau, Automotive, IT und Chemie – in Richtung Raumfahrtanwendungen ein wachsender globaler Trend, der auch Chancen für die hiesigen Unternehmen bildet. Das Beispiel des Joint Ventures von Rheinmetall und Iceye für die Massenproduktion von Satelliten am Standort Neuss symbolisiert die zukunftsträchtigen Chancen solcher industrieller Rekonfigurationen.

Junge Unternehmen in NRW entwickeln Lösungen auf Basis von Satellitendaten, KI-gestützter Erdbeobachtung, Materialforschung und nachhaltigen Antriebssystemen. Kombiniert mit der hervorragenden Logistik, der bestehenden Infrastruktur, den gut angebundenen Flughäfen und der ausgeprägten internationalen Vernetzung wird deutlich, dass NRW tatsächlich zu den wohl am besten aufgestellten Regionen Europas für die weitere Raumfahrtindustrialisierung zählt. Nur wenige Regionen in Europa verbinden die zivilen, militärischen und kommerziellen Dimensionen der Weltraumnutzung so wirkungsvoll wie NRW. Damit bietet das Land ein ideales Ökosystem für Dual-Use-Innovationen und europäische Zusammenarbeit. Neben der Industrie bilden Esa, DLR und die Bundeswehr ein „strategisches Dreieck“, das für das Land genutzt werden kann.

Wie bewerten Sie diesbezüglich die Arbeit der schwarz-grünen Landesregierung?

Die schwarz-grüne Landesregierung hat die Bedeutsamkeit des Zukunftsthemas Raumfahrt erkannt und möchte erkennbar die bereits bestehende Raumfahrstrukturen nicht nur sichtbarer machen, sondern ganz grundsätzlich stärken. Die zurückliegenden Aktivitäten – Stichwort Satellitenprojekt Govsatcom – zeigen, dass dabei tatkräftig vorgegangen und nicht nur geredet wird. NRW ist Raumfahrtland. Aus gutem Grund hat die schwarz-grüne Landesregierung daher im Frühjahr einen Raumfahrtbotschafter für NRW ernannt — den ehemaligen Esa-Astronauten Reinhold Ewald. Die Landesregierung arbeitet zudem an einem „Raumfahrt-Chancenpapier“, das als Dokument strategische Orientierung insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Schwerpunkte zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung, aber auch hinsichtlich der Stärkung von Bildung und Forschung sowohl in den technischen wie den nicht-technischen Fächern geben soll. Nach allem, was man hört, ist die Zielsetzung, nordrhein-westfälische Unternehmen – zugespitzt – dabei zu unterstützen, den Schritt von der Erde ins All zu machen.