Staatsfonds kauft ESL GamingSaudi-Arabien investiert groß in Köln-Mülheim

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ESL Köln 2018

ESL Cologne

Köln, Riad – Von Schweden nach Saudi-Arabien: Für knapp eine Milliarde US-Dollar, also fast 900 Millionen Euro, wandert der Kölner E-Sports-Anbieter ESL Gaming aus den Händen der schwedischen Modern Times Group (MTG) in die der Savvy Gaming Group (SGG). Mit der Public Investment Fund (PIF) steckt hinter Savvy der Staatsfonds von Saudi-Arabien.

Dabei ist der PIF ein gigantisches Gebilde. Schon 1971 wurde er – durch nichts geringeres als ein königliches Dekret – gegründet. Eigentlich um Leuchtturmprojekte von strategischer Bedeutung für die Volkswirtschaft Saudi Arabiens zu finanzieren. Mit den Jahren aber wurde dem Ölförderland klar: Entweder ist das Öl irgendwann aus, oder die Klimapolitik macht es einfach nur wertlos. Daher soll der PIF heute Investitionen tätigen, die den Saudis aus das wirtschaftliche Überleben in einer Post-Öl-Ära ermöglichen.

Künstliche Metropolen

Und an Kreativität lassen es die arabischen Großanleger nicht mangeln. 2019 etwa wurde der Bau einer neuen Millionen-Stadt namens Neum angestoßen, durch eine neue Aktiengesellschaft, die dem PIF gehört. In der nordwestlichen Ecke des Landes soll die Metropole auf einer Fläche so groß wie Mecklenburg-Vorpommern entstehen. Und wenn sie fertig ist, soll sie klimaneutral sein. Oberhalb einer fast 170 Kilometer langen Hochtempo-U-Bahn sollen eine Million Menschen leben. Dass die dort heimischen Beduinen das Projekt nicht gut heißen, spielt im autoritären Königsstaat keine Rolle.

Saudi-Arabische Wirtschaft

Für Aufsehen sorgte der saudische Königs-Fonds PIF 2019, als der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco an die Börse gebracht wurde. Das brachte PIF mehr als 23 Milliarden Euro an Einnahmen und war nicht weniger als der größte Börsengang der Weltgeschichte.

Saudi Arabien hat die Staatsform der absoluten Monarchie. Es gibt keine Trennung von Staat und Religion. Das Land ist die größte Volkswirtschaft Arabiens. Es versucht zudem, ausländische Investoren anzulocken und plant dafür Hürden für sie abzubauen.

Bereits 2005 wurde der Grundstein für die King Abdullah Economic City gelegt, die am Roten Meer liegt und später einmal zwei Millionen Einwohner haben soll. Chef von PIF ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

Investments in analogen und digitalen Sport

Erst kürzlich hat PIF mit der Übernahme des britischen Fußballclubs Newcastle United von sich reden gemacht – dass aber nun ausgerechnet ein Kölner Unternehmen, und vor allem einer aus dem Bereich E-Sports, übernommen wird, das überrascht.  

ESL sitzt im Schanzenviertel in Köln-Mülheim und ist eines der weltweit größten E-Sports-Unternehmen. Im Jahr 2000 hat unter anderem Ralf Reichert ESL unter dem Namen Turtle Entertainment gegründet. Nach der erst vergangenes Jahr vollzogenen Fusion mit den schwedischen Mitbewerbern von Dreamhack kommt es nun im Rahmen der Übernahme zu einer weiteren Fusion: Savvy hat sich zeitgleich den britischen E-Sports-Anbieter Faceit für 500 Millionen Dollar gesichert.

Köln bleibt als Standort erhalten

Mit eigenständigen Marken unter dem Dach ESL Faceit könnte einer der stärksten E-Sports-Anbieter der Welt entstehen. ESL-Gründer und zuletzt Co-Chef Reichert verkaufte im Rahmen der Übernahme seine verbliebenen acht Prozent Anteile am Unternehmen und wechselt in den Posten des „Executive Chairman“, wie eine Unternehmenssprecherin erklärt. Er werde an der strategischen Entwicklung des Unternehmens arbeiten. „Köln wird ein weiterhin ein wichtiger Standort in Deutschland bleiben“, erklärt sie zudem. Auch Mitarbeiter sollen keine entlassen werden.

Anbieter wie ESL veranstalten Computerspiel-Wettkämpfe. Sie mieten Arenen und stellen Infrastruktur für tausende Zuschauer bereit, die hochprofessionalisierten Computerspielern zuschauen, wie sie mitten in den Arenen an mit Computern oder Spielekonsolen ausgestatteten Schreibtischen gegen andere Spieler antreten. Zudem werden die Veranstaltungen im Internet übertragen.

Millionensummen für Sieger

Eine der bekanntesten Veranstaltungen der ESL ist die Intel Extreme Masters in Köln, die laut der Unternehmenssprecherin erhalten bleiben wird. Dementsprechend wird auch diesen Juli der dreitägige Wettkampf in der Lanxess-Arena stattfinden, in dem 24 Teams aus der ganzen Welt nach Köln kommen, um das Computerspiel „Counter Strike“ zu spielen. Ziel des Spiels ist es je nach Spielmodus, das gegnerische Team mit Waffen auszuschalten oder Geiseln aus den Klauen des Feindes zu befreien.

Wie groß die Branche mittlerweile ist, zeigt sich exemplarisch am Preisgeld für das erstplatzierte Team: 400.000 Dollar erhalten die Sieger, selbst die nachfolgenden beiden Plätze werden mit 180.000 bzw. 80.000 Dollar vergütet. Im internationalen Vergleich sind die Beiträge fast gering – auf dem „Fortnite World Cup Champion“ gewann im Jahr 2019 ein 16-jähriger Spieler den bis heute höchsten Gewinn einer E-Sport-Veranstaltung mit rund drei Millionen Dollar.

Saturn und Ikea springen auf den Zug auf

Aus der einst kleinen Computerspielbranche ist eine Mega-Industrie entstanden. Übernahmen werden immer spektakulärer, wie jüngst die Ankündigung des Computerherstellers Microsoft zeigte, den als Branchengröße bekannten Spieleentwickler Activision Blizzard für 70 Milliarden Dollar kaufen zu wollen. Auch andere Unternehmen spüren, dass mit Computerspielen Geld zu verdienen ist. Der Elektronikhändler Saturn schloss im Jahr 2020 seine Filiale im Hansahochhaus am Kölner Hansaring, die für ihre riesige CD- und DVD-Auswahl bekannt war. Ein halbes Jahr später wurde daraus das Xperion, ein auf Computerspieler ausgerichtetes Erlebniszentrum, bei dem der Spielekauf schon Nebensache ist.

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Zig Schreibtische mit hochleistungsfähigen PCs befinden sich dort, an denen Spieler neue Software testen oder gegen Geld dauerhaft daran spielen können. Selbst Getränke und Nahrung, die für die Bedürfnisse von Computerspielern, wie schnelle Reaktionsfähigkeit, gemacht wurden, sind dort erhältlich. Ebenso wie ergonomische Schreibtischstühle – selbst Ikea führt heute eine Kollektion an auf Gamer zugeschnittenen Möbel.

Dass ausgerechnet ein saudischer Staatsfonds nun ESL übernimmt, sieht das Unternehmen unkritisch. „Wir glauben fest daran, dass Gaming eine globale und wirklich integrative Gemeinschaft ist, die allen Menschen auf der ganzen Welt offen steht“, so die Sprecherin. „Daher sind wir in politischen Fragen unparteiisch.“

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