Flughafen Köln/BonnSo will der Airport das Chaos in den Griff bekommen

Lesezeit 5 Minuten
Lange Warteschlangen und Chaos am Flughafen Köln/Bonn in den Sommerferien.

Lange Warteschlangen und Chaos am Flughafen Köln/Bonn in den Sommerferien.

Köln – Nach den chaotischen Zuständen am Wochenende wegen nicht ausreichend besetzter Sicherheitskontrollen hat sich die Lage am Flughafen Köln/Bonn nach Angaben eines Sprechers entspannt.

Wartezeiten bis zu zehn Stunden am Kölner Flughafen

Am Wochenende hatten am zweitgrößten Flughafen von NRW Hunderte Reisende wegen langer Wartezeiten von bis zu zehn Stunden ihren Flug verpasst, außerdem kam es zu erheblichen Verspätungen. Um die aufgeheizte Lage mit entnervten Fluggästen, die zeitweise in Schlangen von mehreren hundert Metern warteten, zu beruhigen, war zusätzlich Polizei zum Flughafen gerufen worden. In einer Mitteilung hatte der Airport von unzumutbaren Wartezeiten gesprochen. Zeitweise seien weniger als die Hälfte der planmäßig notwendigen Spuren an der Sicherheitskontrolle geöffnet gewesen.

Die Ursachen sind hinreichend bekannt: Die massiven Probleme sind vor allem bedingt durch fehlendes Personal – sowohl bei den privaten Sicherheits- und Abfertigungsfirmen wie auch bei den Airlines. Denn in Folge der Pandemie sind Mitarbeiter entlassen worden oder in andere Branchen abgewandert, die nun überall fehlen und kurzfristig nicht ersetzbar sind. Zudem kommt es auch coronabedingt immer wieder zu zahlreichen Krankmeldungen. Das führt nicht nur in Köln/Bonn, sondern mehreren deutschen Airports zu Verwerfungen.

Alles zum Thema Flughafen Köln/Bonn

Ist die Lage kurzfristig noch in den Griff zu bekommen? Lassen sich Abläufe besser organisieren? Und wo läuft es besser und warum? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Die Ausgangslage

Die Sicherheitskontrollen bilden eines der größten Probleme an den Flughäfen. Verantwortlich ist an allen großen deutschen Airports die Bundespolizei, die wiederum private Sicherheitsfirmen beauftragt. Anhand von Flugplänen sowie Angaben über verkaufte Tickets wird das Passagieraufkommen von den Behörden prognostiziert. Das funktioniert derzeit offensichtlich überhaupt nicht. Denn die Sicherheitsdienste haben eklatanten Personalmangel. In Köln/Bonn ist die zuständige Sicherheitsfirma Securitas.

Woran liegt das?

Gewerkschaften wie Verdi oder die Gewerkschaft der Bundespolizei kritisieren seit langem Arbeitszeiten und -bedingungen der privaten Sicherheitskräfte. „Die Unternehmen besetzen die Positionen zu Stoßzeiten“, sagt Heiko Teggatz, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft. So würde ein Mitarbeiter etwa morgens, mittags und abends drei Stunden eingesetzt, den Rest der Zeit hat er frei. Für viele lohne es sich nicht nach Hause zu fahren. Viele seien mittlerweile im Zuge der Pandemie in andere Branchen abgewandert oder wurden entlassen.

Was sagt Securitas zu dem Chaos?

Am Wochenende und auch schon zuvor waren deutlich weniger Kontrollspuren an der Sicherheitskontrolle geöffnet als planmäßig benötigt. Von Securitas gab es bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine Stellungnahme zu den Vorgängen. Brancheninsider berichten aber, dass die Zahl der Krankmeldung von Mitarbeitern an den Wochenenden oftmals höher sei als unter der Woche.

Flug weg – Das sind Ihre Rechte

Was ist, wenn es an Check-in und Sicherheitskontrolle so lange dauert, dass der Flieger ohne den Reisenden abhebt?

Wer am Flughafen in der Warteschlange festhängt, sollte die Situation vor Ort dokumentieren, etwa Fotos von den langen Schlangen aufnehmen und Quittungen von Einkäufen am Airport aufheben. „Vielleicht auch mit Mitreisenden vernetzen und Kontaktdaten austauschen, um später Zeugen zu haben“, schlägt Jan Philipp Stupnanek von der Verbraucherzentrale NRW vor. Sorgen Probleme beim Einchecken – etwa zu wenig Schalter – für den verpassten Flug, wäre die Airline zuständig. Dann greift laut dem Fluggastrechte-Portal Fairplane die Fluggastrechteverordnung.

Verpasst man einen Flug wegen Verzögerungen an der Sicherheitskontrolle, ist es nicht so leicht, Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen – die Fluggastrechteverordnung nennt diesen Fall nicht. Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW fällt das in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei.

Mögliche Ansprüche könnten dann nur gegenüber dem Staat geltend gemacht werden. Dass das Erfolg haben kann, zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main (Az.: 1 U 220/20). Voraussetzung ist, dass man die Probleme vor Ort dokumentiert hat und belegen kann, dass man rechtzeitig an der Sicherheitskontrolle eingetroffen ist. Nicht „rechtzeitig“ waren in einem Fall, den auch das OLG in Frankfurt zu entscheiden hatte, etwa 55 Minuten vor Abflugzeit (Az.: 1 U 139/15).

Falls Pauschalurlauber trotz rechtzeitiger Ankunft am Flughafen hängen bleiben und deshalb den Flieger verpassen oder zu verpassen drohen, sollten sie ihren Veranstalter kontaktieren. (dpa)

Kann die Bundespolizei die von ihr beauftragten Sicherheitsunternehmen bei schlechten Leistungen auch sanktionieren?

„Nein“, sagt Gewerkschaftschef Heiko Teggatz. Denn die Verträge mit den Firmen schließt das Beschaffungsamt im Bundesinnenministerium ab. Hier sei man mit Vertragsstrafen noch sehr zurückhaltend.

Warum können Bundespolizisten die privaten Sicherheitsfirmen nicht kurzfristig unterstützen?

Das sei nicht so einfach möglich, sagt Teggatz. Denn die Schulung, gefährliche Gegenstände im Handgepäck oder an Personen zu erkennen, dauere rund drei Monate und müsse zertifiziert werden. „Die Sicherheitsstandards werden weiterhin hochgehalten“, so Teggatz. Auch, wenn das zu Lasten der Passagiere gehe.

Was tut der Airport?

Als Reaktion will der Airport die Flugpläne reduzieren. Welche Flüge möglicherweise ausfallen, ist derzeit noch offen. „Die Gespräche mit den Airlines laufen seit Sonntag und dauern noch an“, sagt Flughafensprecher Lukas Weinberger. Bereits im Oktober 2021 sei die Zahl der maximal möglichen Flüge pro Stunde für den aktuellen Sommerflugplan um 20 Prozent reduziert worden, sagt Weinberger. Flughafenchef Thilo Schmid kündigte an: „Auch wir werden weitere Maßnahmen ergreifen und den Personaleinsatz im Terminal nochmal erhöhen.“ Allerdings erwarte man auch von der Bundespolizei und Securitas konstruktive Vorschläge, wie die Probleme an der Sicherheitskontrolle schnellstmöglich gelöst werden könnten.

Kann man die Passagiere nicht entsprechend der Abflugzeit priorisieren?

Auch dazu ist Köln/Bonn in Gesprächen. Denkbar wäre, dass man nur noch die Passagiere in die Sicherheitskontrolle lässt, deren Flüge zeitnah, also in den nächsten zwei bis drei Stunden stattfinden. Die Umsetzung dürfte aber schwierig werden – auch weil Passagiere jetzt sehr viel früher anreisen.

An welchen deutschen Airports läuft es besser und warum?

Vor allem mit Blick auf die Sicherheitskontrolle läuft es bei den beiden bayerischen Flughäfen München und Nürnberg besser. Hier sind landeseigene Gesellschaften für die Kontrollen zuständig. Die gesamte Steuerungsverantwortung liegt bei einer speziell hierfür zuständigen Landesbehörde. „Wir fordern schon lange, die Sicherheitskontrollen wieder unter staatliche Hoheit zu stellen“, sagt Gewerkschaftschef Teggatz. Die Beschäftigten hätten „sichere und dauerhafte Stellen“ und würden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Dies führe zu einer hohe Zufriedenheit und Motivation sowie geringerer Fluktuation“, sagt Teggatz. Allerdings berichten Brancheninsider, dass die Mitarbeiter im Privatsektor einen teils deutlich besseren Stundenlohn bekommen als nach Tarifvertrag – für einen Job, für den sie weder einen Schulabschluss noch eine umfassende Berufsausbildung brauchen.

Wie realistisch ist eine Verstaatlichung?

In die Debatte über eine Neuorganisation der Luftsicherheitsaufgaben ist erstmals Bewegung gekommen. Nachdem die SPD gefordert hatte, die Sicherheitskontrollen wieder unter staatliche Hoheit zu stellen, schaltet sich nun das Bundesinnenministerium ein. Eine Entscheidung werde es aber frühestens nach dem Sommerferien geben.

KStA abonnieren