Frühe ÜbersetzungenSo beeinflusst die Nachfrage von englischen Büchern Kölner Verlage

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf die Abteilung für englische Bücher in der Mayersche-Buchhandlung am Neumarkt in der Kölner Innenstadt. Im Vordergrund liegen einige Ausgaben von Colleen Hoovers Taschenbuch „It starts with us“. Hinten sind vier große Wandregale mit der Überschrift "English Books". Davor ist ein weiteres Regal sowie mehrere Thementische, auf denen sich die Bücher stapeln.

Die „English Books“-Abteilung in der Mayersche-Buchhandlung am Kölner Neumarkt umfasst mittlerweile vier große Regale und mehrere Thementische davor.

Der Marktanteil von englischen Büchern in Deutschland steigt seit einigen Jahren. Kölner Verlage kalkulieren das bei ihrer Planung mit ein.

Die Abteilung „English Books“ ist in den meisten Buchhandlungen keine Neuheit. Doch war sie noch vor fünf Jahren meistens lediglich ein einzelner Gang, ist sie mittlerweile häufig eine ganze Ecke mit zusätzlichen Thementischen davor. Grund dafür ist die steigende Nachfrage nach englischen Originalausgaben im deutschen Buchmarkt.

Der Umsatzanteil dieser ist laut dem Marktforschungsunternehmen Media Control in den letzten drei Jahren (2020-2022) von 3,1 Prozent auf 4,5 Prozent gestiegen. Das nehmen auch Kölner Verlage, vor allem bei bestimmten Genres und Zielgruppen wahr.

Getrieben von TikTok: Jüngere Leute lesen mehr auf Englisch

Gerade bei jüngeren Leserinnen und Lesern steige das Interesse an englischen Titeln. „Bei uns ist es zum Beispiel Florence Given („Girl Crush“), die von jungen Frauen auf Englisch gelesen wird“, berichtet Helga Frese-Resch, Editorial Director Fiction bei Kiepenheuer & Witsch (KiWi). „Sobald es aber literarischer wird oder eine nicht ganz so junge weibliche Leserschaft angesprochen wird, spielen die Originalausgaben keine große Rolle mehr“, erklärt sie weiter. 

Alles zum Thema Neumarkt

Auch bei DuMont und Bastei Lübbe nimmt man die Nachfrage vor allem bei jüngeren Menschen wahr – gerade in Unterhaltungsliteratur wie Romance, Fantasy und Young Adult. Das bestätigen auch Media Control Zahlen. Demnach hat sich der Marktanteil von englischsprachigen Büchern in der Belletristik von 2,5 Prozent auf knapp 5 Prozent fast verdoppelt.

BookTok schafft überhaupt Markterfolge und da sind wir auch erstmal dankbar für.
Simon Decot, Bastei Lübbe-Vorstand Programm

Mitgrund dafür ist die enorme Wirkkraft von BookTok, denkt Simon Decot, Vorstand Programm bei Bastei Lübbe. BookTok ist eine Bewegung im sozialen Netzwerk TikTok, bei der Nutzerinnen und Nutzer sich über Bücher austauschen. Der Buchmarkt wird dadurch seit Jahren stark angetrieben, so Decot. Die meisten populären Bücher von Colleen Hoover („Nur noch ein einziges Mal“), Taylor Jenkins Read („Die sieben Männer der Evelyn Hugo“) und Co. sind angloamerikanisch. Mitglieder werden so sprachlich geprägt – auch dadurch, dass die meisten Inhalte auf TikTok englisch sind.

Der Marktanteil von englischer Belletristik hat sich in drei Jahren verdoppelt

Hinzu kommt, dass jüngere Menschen im Alltag immer mehr mit Englisch konfrontiert werden, ihre Kompetenz immer höher wird. Sie lernen nicht nur spätestens ab der ersten Klasse die Sprache, sondern schauen beispielsweise auch Serien im Original. 

Dass die Popularität von englischen Originalausgaben also gerade bei jüngeren Leserinnen und Lesern steigt, ist nicht überraschend. So berichtet Buchhändlerin Doris Grass, dass sie in ihrem zweisprachigen Laden „The Art of Books“ in Bonn eben das englische Segment von Jugend- sowie Young und New Adult-Literatur aufgestockt hat. „Ich würde sagen, da haben wir jetzt fast fifty-fifty deutsch und englisch“, so Grass.

Bei älteren Kundinnen und Kunden habe sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren, seitdem es „The Art of Books“ gibt, hingegen nicht viel geändert. „Gerade Menschen, die 40 plus sind und vielleicht sogar Englisch als Muttersprache sprechen, waren von Anfang an da“, erklärt Grass. Bei allgemeiner Belletristik habe sie eine deutsch/englisch-Aufteilung von circa 65 zu 35 im Sortiment. Bei Sachbüchern hingegen eher 80 zu 20. Bei Kinderbüchern sind nur circa fünf bis 10 Prozent in ihrer Buchhandlung auf Englisch. 

Übersetzungen müssen schneller auf den Markt kommen

Der Wandel im Markt, getrieben von einer jungen Zielgruppe, macht sich auch bei Verlagen bemerkbar. DuMont gibt zwar deutsche Originalausgaben, aber auch viele Übersetzungen aus anderen Sprachen heraus, deshalb werde es für den Kölner Verlag „immer wichtiger, besonders bei prominenten Autorinnen und Autoren, die Übersetzung möglichst zeitgleich mit dem Original zu publizieren“, erklärt Verlegerin Sabine Cramer.

„Das Verständnis der Rechtegeber aus den englischsprachigen Ländern, das organisatorisch möglich zu machen, wird zum Glück immer größer“. Trotzdem: „Für uns als Verlag bewährt sich einmal mehr ein breit gefächertes Programm mit originellen literarischen Stimmen aus der ganzen Welt“, schlussfolgert Cramer.

Für uns wird es immer wichtiger, besonders bei prominenten Autorinnen und Autoren, die Übersetzung möglichst zeitgleich mit dem Original zu publizieren.
Sabine Cramer, DuMont Velegerin

Übersetzungen sind kostspielig. Zusätzlich unterliegen sie der Preisbindung, was bei englischen Importen nicht der Fall ist. Diese können also günstiger verkauft werden. „Das ist eine Umgehung der sinnvollen Preisbindung, die den Buchhandel in Deutschland schützt“, so Frese-Resch, KiWi. Gerade kleinere Buchhandlungen wie „The Art of Books“ trifft diese Entwicklung. „Da können wir dann einfach mit den Marktgrößen nicht mithalten und kommen in Erklärungsnot“, erklärt Grass.

Geringe wirtschaftliche Einbuße wegen der englischen Originale gäbe es auch bei den Kölner Verlagen, aber die Entwicklung beeinflusse vor allem die Planung. „Wir überlegen uns sehr genau, wann wir die Übersetzungen auf den Markt bringen“, berichtet Helga Frese-Resch von KiWi. „Wir sehen bei bestimmten Büchern, dass wir ein Stück vom Kuchen abgeben müssen. Das kalkulieren wir vorher mit ein. Gleichzeitig ist diese Leserschaft wichtig für uns.“

TikTok-Trends können auch den deutschen Markt beflügeln

Simon Decot von Bastei Lübbe sieht auch einen positiven Anschub durch BookTok: „Ich freue mich wahnsinnig darüber, dass da solche Impulse für unseren Markt gesetzt werden, unsere Erfolge überhaupt entstehen“. BookTok beeinflusse nicht nur den Markt von englischen Büchern, sondern schaffe auch Trends und Themen für den deutschen Markt.

Wir sehen bei bestimmten Büchern, dass wir ein Stück vom Kuchen abgeben müssen. Das kalkulieren wir vorher mit ein.
Helga Frese-Resch, Editorial Director Fiction bei Kiepenheuer & Witsch

So nutze der Verlag, gerade bei dem Romance-Imprint Lyx, die Entwicklung auch für ihr Marketing: „Wir hatten im letzten Jahr einen enormen Erfolg mit Sarah Sprinz mit der ‚Dumbridge Academy‘“, berichtet er. Die Autorin aus Tettnang ist mit ihrer Reihe mehrfach auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste gegangen. „Wir hatten von Anfang an eine TikTok-Kampagne mit #darkacademia und einzelnen Videos, die auch viral gegangen sind. Das lief alles sehr stark.“

KStA abonnieren