Gewerkschaft kritisiert Bayers PläneWo im Konzern jetzt Stellenstreichungen drohen

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Bayer Kreuz

Bayer-Kreuz in Leverkusen

  • 1,5 Milliarden Euro jährlich sollen durch neue Maßnahmen beim Leverkusener Dax-Konzern eingespart werden.
  • Auch ein Abbau von Arbeitsplätzen wird in Betracht gezogen, die Pläne dazu werden gerade ausgearbeitet. Erst 2018 wurde beschlossen, 4500 Jobs in Deutschland zu streichen.
  • In einem Telefonat mit Investoren teilte Bayer-Chef Baumann bereits erste Überlegungen, wo im Unternehmen gespart werden könnte.

Köln/Leverkusen – Bayer will in den kommenden Jahren zusätzlich zu bestehenden Kostensenkungen weitere Milliarden einsparen und prüft auch den Abbau von Arbeitsplätzen. Welche Jobs den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen könnten und wann Besserung in Sicht ist – eine Analyse der schwierigen Lage beim Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern.

Warum verschärft Bayer seinen Sparkurs?

Zu Beginn der Krise profitierte der Dax-Konzern noch von den Auswirkungen der Corona-Krise. Weil global Unsicherheiten herrschten, legten Unternehmen und Verbraucher Vorräte an, die Nachfrage stieg stark: Vor allem rezeptfreie Medikamente, aber auch die Divisionen Pharma und Agrarchemie legten deutlich zu.

Dann aber drehte der Wind: Weil nicht unbedingt notwendige Behandlungen und Operationen oft nicht mehr durchgeführt wurden, brach der Absatz vieler Pharma-Produkte ein. Noch schlechter sieht es jedoch in der Agrarsparte aus: Niedrige Preise bei wichtigen Nutzpflanzen, intensiver Wettbewerb bei Soja und ein geringer Biokraftstoffverbrauch sorgen für pessimistische Wachstumserwartungen.

Nur die Consumer-Health-Sparte mit rezeptfreien Medikamenten hat sich stark entwickelt und soll in den kommenden Jahren sogar schneller wachsen als bei vergleichbaren Wettbewerbern. Das kleinste Bayer-Segment ist mit einem Umsatz von 5,46 Milliarden Euro im Jahr 2019 jedoch für nur gut 12,5 Prozent der Erlöse verantwortlich.

Das Ergebnis: Bayer erwartet, dass der Konzernumsatz im kommenden Jahr stagniert. Also wollen die Leverkusener mit zusätzlichen Sparmaßnahmen dafür sorgen, dass dennoch Geld für Investitionen in Innovationen, Zukäufe und den Schuldenabbau vorhanden ist. Der Konzern müsse die Kostenstrukturen an veränderte Marktbedingungen anpassen, sagte Bayer-Chef Werner Baumann. Ab 2024 sollen die Einsparungen jährlich einen Ergebnisbeitrag in Höhe von mehr als 1,5 Milliarden Euro bringen. Bayer prüft zudem, sich „von nicht-strategischen Geschäften oder Marken unterhalb der Divisionsebene zu trennen.“

Ist Besserung in Sicht?

Im Geschäft mit der Landwirtschaft werde sich in nächster Zeit nichts an der schlechten Lage ändern, heißt es von Bayer. Die Leverkusener gehen daher sogar von einer Sonderabschreibung auf Vermögenswerte des Agrargeschäfts im mittleren bis oberen einstelligen Milliarden-Euro-Bereich aus.

Das Pharma-Geschäft werde voraussichtlich 2021 wieder wachsen, heißt es von Bayer. Der Konzern will stärker in das Segment investieren, vor allem in die Produkt-Entwicklung. Zukäufe seien hier eben so geplant wie in der aktuell einzig gesunden Bayer-Sparte Consumer Health.

Welche Jobs sind in Gefahr?

Das ist bislang noch nicht sicher. So kündigte der Konzern am Mittwochabend in einer ad-hoc-Meldung lediglich an, dass die Sparmaßnahmen „zu einem möglichen weiteren Arbeitsplatzabbau führen könnten“. Die Pläne befänden sich in einem frühen Stadium.

In einem Telefonat mit Investoren sprach Bayer-Chef Baumann allerdings bereits von möglichen Bereichen, in denen gespart werden könnte. Ersten Überlegungen zufolge könnte die Consumer-Health-Sparte dabei erst einmal ausgeklammert werden. Stattdessen könnten sogenannte Querschnittsfunktionen bei Pharma und Agrarchemie betroffen sein. Dabei handelt es sich Verwaltungsbereiche, unter die auch Steuer- und Finanzabteilungen, IT-Services und die Konzernkommunikation fallen. Bayer teilte mit, der Konzern werde wie vereinbart auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2025 verzichten.

Wie reagieren Arbeitnehmervertreter?

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie, zeigte sich überrascht vom weiteren Sparkonzept: „Noch fehlen ausreichend Informationen, um beurteilen zu können, ob die Corona-Pandemie als Begründung dafür wirklich trägt“, sagte der Gewerkschaftschef: „Einfach nur auf die Kosten zu drücken, verlagert die Last einseitig auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Konzerns.“ Das könne für Bayer kein Konzept zur Bewältigung des Konzernumbaus sein. „Wir werden die Konzernspitze an ihrer Ankündigung messen, sich an die mit uns vereinbarte Zukunftssicherung zu halten, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2025 ausschließt.“

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Der Bayer-Betriebsrat reagierte nicht auf eine Anfrage dieser Zeitung. Wie ist der Fortschritt beim 2018 angekündigten Abbau von Stellen? Die Leverkusener hatten vor zwei Jahren beschlossen, weltweit 12 000 Stellen zu streichen, davon 4500 in Deutschland. Dem Jobabbau fielen auch etliche Stellen in der Leverkusener Zentrale zum Opfer, auch die Pharmaforschung war stark betroffen. Bayer äußert sich nicht dazu, wie sich die Streichungen im Konzern genau verteilen.

Bis Ende 2021 soll der Abbau der Arbeitsplätze in Deutschland abgeschlossen sein, überwiegend durch freiwillige Aufhebungsverträge, sagte ein Bayer-Sprecher auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Wie reagieren Anleger auf Bayers Prognosen?

Die außerordentlich pessimistische Prognose schreckte Anleger am Donnerstag ab. Die Aktie war der ganz große Verlierer im Dax, büßte mehr als 13 Prozent ein und war am Ende des Tages mit nur noch 46,34 Euro so wenig wert wie zuletzt im Dezember 2011. Selbst in Zeiten größter Last durch verlorene Glyphosat-Prozesse mit hohen Schadenersatzurteilen gegen Bayer wurde das Papier höher bewertet.

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