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Konzern plant Veränderung von TiergenenBayer will Insekt an Fortpflanzung hindern

Lesezeit 4 Minuten
Herbst-Heerwurm

Ein Herbst-Heerwurm auf einem Maisblatt

  • Die Leverkusener forschen an der Manipulation von Genen des Herbst-Heerwurms, der seit 2016 in Afrika für verheerende Ernteausfälle verantwortlich ist.
  • Die Geschichte der Ausbreitung des Schädlings ist erschreckend. Der Forscher, der ihn als einer der ersten in Afrika nachgewiesen hat, erzählt, warum es so schwierig ist, der Plage Herr zu werden.
  • Aber ist die Veränderung tierischer Gene ethisch fragwürdig? Und wie erfolgsversprechend ist die Technologie?

Köln/Leverkusen. – Im Kampf gegen Ernteverluste afrikanischer Bauern plant der Bayer-Konzern den Einsatz von Gentechnik an Tieren. So forscht der weltgrößte Agrarchemiekonzern mit dem britischen Unternehmen Oxitec daran, den sogenannten Herbst-Heerwurm, der für verheerende Schäden in der Landwirtschaft verantwortlich ist, zumindest zeitweise mit Hilfe eines Gens an der Fortpflanzung zu hindern und damit dessen Ausbreitung einzudämmen.

Bayers Cheflobbyist Matthias Berninger, der bei den Leverkusenern auch für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich ist, stellte die Pläne für die „selbstlimitierende Insektentechnologie“ Ende dieser Woche in einem Beitrag auf Linkedin vor. Die Gene im Labor gezüchteter Falter werden demnach so manipuliert, das ihr weiblicher Nachwuchs nicht lange genug überlebt, um sich zu vermehren.

„Weniger Raupen, weniger Schäden, weniger Schädlinge“

„Dies bedeutet, dass es in der nächsten Generation weniger Raupen, weniger Ernteschäden und weniger Schädlinge gibt“, schrieb Berninger. Das selbstlimitierende Gen verschwinde innerhalb weniger Generationen und schade nicht der Umwelt.

In Brasilien führen die beiden Unternehmen bereits Versuche durch, dort haben sie Berninger zufolge „die vollständige Genehmigung der brasilianischen Regulierungsbehörden“. Zum finanziellen Umfang der Forschungsinvestition macht Bayer keine Angaben, der „Tagesspiegel“ berichtet von einem zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. Das Ausmaß der Plage weist bereits auf gewaltige Einnahmemöglichkeiten hin.

„2016 haben wir durch den Herbst-Heerwurm bis zu 80 Prozent der Maisernte verloren“, sagt Georg Goergen. „Der Mais war völlig zerfressen“, beschreibt der Insektenforscher des Internationalen Instituts für Tropische Landwirtschaft in Benin im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Schaden, den die Raupe des nachtaktiven Eulenfalters mit dem lateinischen Namen Spodoptera frugiperda anrichtet.

Vor 150 Jahren entdeckt

Je nach Stamm fressen sich die Raupen durch Felder, auf denen Mais, Sorghum und Baumwolle wächst, oder sie befallen Weidegräser, Hirse und Reis. „Sie besitzen ein Wirtsspektrum von über 350 Pflanzen“, sagt Goergen, der die Insekten als einer der ersten in Afrika nachwies. Eigentlich ist das Tier in Amerika beheimatet, wandert dort jährlich aus den tropischen und subtropischen Regionen Richtung Norden, durchquert die USA und landet im Herbst an der Grenze Kanadas. Weil sie dort vor rund 150 Jahren erstmals als Schädling erkannt wurde, bekam die Raupe ihren Jahreszeitennamen.

2016 tauchte der Schädling dann erstmals in Westafrika auf und breitet sich seitdem auf dem gesamten afrikanischen Kontinent aus. Nach Madagaskar und Indien wurde er schließlich in Südostasien entdeckt, Anfang dieses Jahres tauchte er in Australien auf. Neuerdings, sagt Insektenforscher Goergen, richte er auch in Papua-Neuguinea Schäden an.

Kleinbauern nicht vorbereitet

Die afrikanischen Kleinbauern, so Goergen, seien nicht vorbereitet gewesen. Einige Regierungen stellten ihnen Insektizide zur Bekämpfung der Plage zur Verfügung, in Sambia sollte gar das Militär Hilfe leisten. Doch entgegen aller Bemühungen verbreitete sich das schädliche Insekt weiter. Weil es nachtaktiv ist und sich ab einem bestimmten Entwicklungsstadium in den Stengel der Pflanzen bohrt und somit nicht mehr für Insektizide erreichbar ist, ist der Kampf gegen die Tiere bislang völlig erfolglos.

Genmodifizierte Pflanzen, die ein für die Raupen tödliches Bakterium erzeugen und in Amerika genutzt werden, sind nicht einmal in einer Handvoll afrikanischer Länder erlaubt. Außerdem entwickeln die Tiere Goergen zufolge nach drei Jahren Resistenzen. „Das ist nicht nachhaltig“, sagt der Wissenschaftler.

„Invasiv und unerwünscht“

Dass der Herbst-Heerwurm nun mit Hilfe von Gentechnik bekämpft werden soll, ist für Goergen kein Problem, sagt er. „Das Tier ist invasiv und unerwünscht. Ich habe keine ethischen Bedenken.“ Ein Bayer-Sprecher teilt auf Anfrage mit, das Unternehmen berücksichtige bei jedem Forschungsprojekt ethische Fragen grundsätzlich mit: „Auch den Einsatz dieser Technologie haben wir selbstverständlich aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, sehen derzeit aber keinen Grund, nicht in die Erforschung zu investieren. Der Vorteil der Technologie ist, dass sie sicher, ungiftig und artspezifisch ist.“ Gerade in ärmeren Ländern könne sie dazu beitragen, die Lebensmittelversorgung sicherzustellen.

Ob sie auch funktioniert, ist unklar: „Es ist nicht sichergestellt, dass ein Weibchen nur mit einem Partner kopuliert“, sagt Goergen. Paare es sich mit mehreren Männchen, wäre der Einsatz der Gentechnik erfolglos. Auch müsse erst erwiesen werden, ob genmodifizierte Falter die gleiche Fitness haben wie natürliche Tiere.

50 Kilometer pro Nacht

Goergen führt auch das Migrationspotenzial der Schädlinge als Problem an: Ein Weibchen könne bis zu 50 Kilometer pro Nacht zurücklegen und lege im Laufe seines Lebens bis zu 2000 Eier. Um zum Erfolg zu führen, müssten Populationen also flächendeckend bekämpft werden. Das sei am Ende so kostspielig, dass sich das eigentlich nur Regierungen leisten könnten.

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Oxitec habe die Technologie bereits eingesetzt, um Mücken zu bekämpfen, die Krankheiten übertragen hätten, schrieb indes Berninger. Goergen kennt diese Projekte und meint, es habe dabei auch Misserfolge gegeben, Populationen seien nicht zurückgegangen.

Das größte Problem bei der Bekämpfung des Herbst-Heerwurms bestehe darin, dass es in neuen Gebieten keine natürlichen Fressfeinde gebe, meint der Forscher. Die vier wichtigsten Gegenspieler führt er nun aus Südamerika ein – Parasiten, die je nach Art Larven, Eier oder Raupen befallen. „Wir greifen die Tiere in jedem Entwicklungszyklus an“, sagt Goergen.

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