Neue Kölner IHK-Präsidentin Grünewald„Wir werden uns in den Wahlkampf einmischen“

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Nicole Grünewald ist die erste Präsidentin in der mehr als zweihundertigen Geschichte der IHK Köln.

  • Nicole Grünewald ist die erste Präsidentin in der 222-jährigen Geschichte der IHK Köln.
  • Im Interview äußert sie sich über die Konflikte in der Kammer, ihre Wahlversprechen und den Umzug der Kammer nach Mülheim.
  • Grünewald erzählt außerdem, wie die neue Zusammenarbeit in der IHK läuft und welchen Führungsstil sie dort etablieren möchte.

Köln – Ihre Wahl zur ersten Präsidentin der IHK kam für viele überraschend. Wie überrascht waren Sie?

Grünewald: Das Ergebnis war ja denkbar knapp. Damit rechnen konnte man natürlich nicht, aber man konnte ja hoffen. Wenn ich es nicht wirklich gewollt hätte und keine Chance gesehen hätte, wäre ich nicht angetreten.

In der Vollversammlung gibt es viele Kritiker und mittlerweile auch eine tiefe Spaltung. Wie wollen Sie die Gräben überwinden?

Wir haben eine neue Vollversammlung mit vielen neuen Mitgliedern. Unsere Wahlinitiative New Kammer hat 26 von 91 Sitzen gewonnen, gewählt haben mich schließlich 45. Wir konnten also einige Mitglieder bereits überzeugen. Ich werde gemeinsam mit dem gesamten Präsidium motiviert auf alle zu gehen, um sie ebenfalls zu gewinnen. Das wollen wir mit viel Energie angehen und deutlich machen, dass der Weg, den wir für die Kammer einschlagen, ein guter ist.

Fürchten Sie eine Frontbildung?

Es liegt in der Natur der Sache, dass Menschen, die in der Vollversammlung sitzen, unterschiedliche Meinungen vertreten und unterschiedliche Interessen haben. Das Plenum muss ein Platz sein, wo man sich äußern kann. Diese Diskussionskultur wollen wir jetzt stärker leben. Und ich freue mich über die spürbar zunehmende Bereitschaft, sich darauf einzulassen.

Welche Bedeutung hat das Thema, nach 222 Jahren die erste Frau an der Spitze zu sein?

Vor zehn Jahren war ich bereits die erste Frau im Präsidium, das war ein großes Thema, was mich damals schon erstaunt hat. Mir wurde deutlich, dass es viel zu wenige Frauen in den Kammergremien gab. Deshalb haben wir den Frauen Business Tag gegründet, um die Frauen sichtbarer zu machen und besser zu vernetzen. Da wird man dann auch schnell in eine feministische Ecke gedrängt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Männer und Frauen gleich gut führen können. In vielen anderen Kammern sind ja bereits Präsidentinnen aktiv und treten dort den Beweis dafür an.

Wie erleben Sie die Reaktionen, die es für fraglich halten, dass nach vielen Wirtschaftsgrößen erstmals vor allem kleine und mittelständische Unternehmer das Präsidium stellen?

Der bundesdeutsche Trend, dass große Unternehmen oftmals nicht mehr in den Vollversammlungen vertreten sind, hat sich auch in Köln bestätigt. Vor diesem Hintergrund repräsentiert das Präsidium nicht nur die neuen Verhältnisse, sondern auch die Struktur der Unternehmen im gesamten Kammerbezirk.

Es gibt mit der Kooptation die Möglichkeit, Unternehmen nachträglich von der Vollversammlung dazu wählen zu lassen, damit die ganze Bandbreite der Wirtschaft abgedeckt ist. Wollen Sie davon Gebrauch machen?

Viele Kammern sind aus Demokratiegesichtspunkten dagegen. Ich habe mich dafür ausgesprochen, weil eine demokratische Wahl so oder so ausgehen kann und es gut ist, wenn man ein solches Instrument hat, um einen ausgewogenen Branchenmix in der Vollversammlung herzustellen. Aber mehrere Gerichtsurteile haben den Gebrauch deutlich begrenzt. Im Rahmen dessen wollen wir das Instrument aber nutzen. Darüber hinaus ist die Vollversammlung grundsätzlich kein geschlossener Zirkel. Jedes IHK-Mitglied ist eingeladen und hat ein Rederecht. 

Was macht das Amt eigentlich für Sie persönlich attraktiv?

Schon als ich mich vor vielen Jahren für die Wirtschaftsjunioren engagiert habe, wollte ich mich für die Region einsetzen und Dinge verbessern. Ich habe in den vergangenen zehn Jahren meiner IHK-Arbeit festgestellt, dass man das am besten kann, wenn man Präsidentin ist.

Was war Ihre erste Amtshandlung?

Wir haben uns mit dem gesamten Präsidiumsteam erstmal den Mitarbeitern der Kammer vorgestellt. Das gab es vorher noch nie. Uns sind flache Hierarchien und Kommunikation auf Augenhöhe wichtig. Bei dem Treffen gab es anfangs einige Befürchtungen und vielleicht auch etwas Sorge vor einer ganz neuen Mannschaft. Am Ende der Gespräche haben wir aber gespürt, dass es zwar eine große Erwartungshaltung gibt, aber auch einen Vertrauensvorschuss. Das war ein ganz tolles Erlebnis.

Sie haben im Wahlkampf versprochen, dass die Kammer wieder eine starke Stimme der Unternehmen der Region werden soll. Was wurde hier bislang versäumt, und was wollen Sie ändern?

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Mitgliedsunternehmen wissen, was die Kammer für sie tun kann. Dazu muss man die Mitglieder gezielt ansprechen. Gespräche mit Verwaltung und Politik müssen natürlich vertraulich geführt werden. Aber wir wollen stärker auch in der Öffentlichkeit die Stimme erheben und die Interessen der Unternehmen vertreten. Etwa bei Themen wie dem Breitbandausbau, der Gewerbesteuer, der Infrastruktur und dem Thema Verkehr.

Was heißt das für den anstehenden Kommunalwahlkampf?

Wir wollen uns einmischen. In den kommenden Monaten wollen wir hier Wahlprüfsteine entsprechend den Bedürfnissen der Unternehmen erarbeiten. Und wir werden uns die Wahlprogramme anschauen und unsere Interessen in den Wahlkampf und dann später hoffentlich auch in die Politikarbeit einbringen. Aber es gibt natürlich auch das Neutralitätsgebot, daher werden wir als IHK keine expliziten Wahlempfehlungen für Kandidaten oder Parteien aussprechen.

Welche Bedeutung hat das Thema Metropolregion für Sie?

Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit den anderen Städten und Kommunen. Ich bin Kölnerin aus vollem Herzen. Aber alleine kommen wir nicht weiter. Wir müssen die Region als Ganzes auch in der Kammerarbeit stärker in den Blick nehmen. Und dabei werden wir uns auch stärker für „Greater Cologne“, wie es hier heißt (lacht), einsetzen. Wir sind da mittlerweile auch in Zugzwang, andere Regionen sind schon stärker aufgestellt.

Aber ist das nicht besonders schwierig, weil die Region mit Köln und Düsseldorf bipolar ist?

Überhaupt nicht. Ich habe ja sogar mal in Düsseldorf gewohnt. Außerdem: Im Kölner Stadtvorstand sind ja mit Frau Blome und Herrn Keller zwei kompetente Kräfte aus Düsseldorf und die IHK Düsseldorf hat mit Herrn Berghausen sogar einen Kölner Hauptgeschäftsführer.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Digitalisierung der Kammerarbeit. Wo wollen Sie da ansetzen?

Unser Dachverband DIHK hat die Digitalisierung zu einem seiner Hauptthemen erklärt. Es wird ein übergreifendes System entwickelt, das braucht Zeit. Ich bin erst seit acht Tagen im Amt und habe deshalb noch keinen genauen Überblick, wo sich Köln als eine der größten Kammern in diesen Prozess einbringen kann. Aber ein zentrales Thema ist die vollständige Erfassung von möglichst vielen E-Mail-Adressen der Mitglieder. Damit kann man künftig erhebliche Einsparungen bei den Porto-Kosten in Höhe von 900.000 Euro erzielen, denn diese sind in Köln im Vergleich zu anderen IHKs sehr hoch.

Womit wir beim nächsten Wahlversprechen sind – der Senkung der Beiträge...

Wir wissen, dass wir uns daran messen lassen müssen. Wir werden uns alle Positionen anschauen und sehen, wo man ansetzen kann. Die Kammer hat immerhin ein Budget von 40 Millionen Euro. Die Leistungen dürfen allerdings nicht eingeschränkt werden.

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Sie haben sich vehement gegen den Umzug der Kammer nach Mülheim ausgesprochen, der dann allerdings von der Vollversammlung beschlossen wurde und den Sie jetzt als Präsidentin mit umsetzen müssen.

Ich habe eine tiefe Verbundenheit mit dem Kammergebäude. Aber es gibt einen gültigen Beschluss. Wir müssen uns aber auch erstmal einen umfassenden Überblick über alle Unterlagen zu dem Thema verschaffen.

Ihr Verhältnis zu Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt gilt als angespannt. Wie soll eine gute gemeinsame Führung gelingen?

Wir sind da gerade in Gesprächen.

Wo soll die Kammer am Ende Ihrer Amtszeit stehen?

In Köln (lacht). Mein Wunsch ist, dass die IHK im Konzert mit den anderen Playern wie dem Handwerk und den anderen Verbänden wie etwa den Familienunternehmern aber auch der Wirtschaftsförderung die Interessen der Wirtschaft gut wahrnehmbar vertritt und die Politik unsere Wünsche und die Bedürfnisse der Wirtschaft in der Region kennt und erfüllt. Das ist meines Erachtens derzeit nicht der Fall.  

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