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Studie zu WagniskapitalJungen, innovativen NRW-Firmen fehlt es an Geld – Wie lässt sich das ändern?

5 min
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Um mit ihren Geschäftsmodellen richtig durchstarten zu können, fehlt es vielen Start-ups im Land an Geld.

Das Institut der deutschen Wirtschaft zeigt auf, was sich ändern muss, um innovative Unternehmen in NRW besser zu unterstützen.

Wenn junge, innovative Unternehmen der Motor für die digitale und nachhaltige Transformation der Wirtschaft in NRW sind, dann ist Wagniskapital das Benzin, das diesen erst ins Laufen bringt. Bei Wagniskapital handelt es sich um Geld, das Investoren in Start-ups im Tausch gegen Unternehmensanteile einbringen, um ihr Wachstum zu ermöglichen und zu beschleunigen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat in einer neuen Studie im Auftrag des Landes jetzt analysiert, wie es um die Verfügbarkeit von Wagniskapital in NRW bestellt ist – und was sich noch verbessern muss, damit hier mehr Geld fließt. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegen die Ergebnisse exklusiv vor.

„Für die Transformation der Unternehmen in NRW brauchen wir kluge Ideen“, sagt der Finanzmarkt-Experte und IW-Ökonom Michael Voigtländer, der die Studie durchgeführt hat. „Kleinere und mittlere Unternehmen haben in der Regel keine eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, die neue Technologien und Prozesse entwickeln. Junge und innovative Unternehmen können diese Rolle übernehmen, aber um mit ihren Ideen zu wachsen, brauchen sie Investoren, die bereit sind, ein Wagnis einzugehen.“

Voigtländer kommt in seiner Untersuchung zu dem Schluss, dass NRW sich zwar auf einem guten Weg befindet, sich als Standort für Wagniskapital für Frühphasen-Finanzierungen zu platzieren – das Land aber zum einen gegenüber anderen Regionen Deutschlands deutlich abfällt und es zum anderen einen anderen Fokus der Investoren und eine bessere Vernetzung braucht.

Bayern stand 2024 bei der Summe des investierten Wagniskapitals deutschlandweit an der Spitze: 2,33 Milliarden Euro flossen an junge Unternehmen. Knapp dahinter landete Berlin mit 2,18 Milliarden Euro. NRW erreichte dahinter zwar Rang drei, kam aber nicht annähernd an diese Summen heran: 951 Millionen Euro Wagniskapital wurden im vergangenen Jahr in NRW investiert. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt der Wert für NRW bei 0,11 Prozent und damit unter dem Durchschnitt für Deutschland insgesamt, Bayern erreicht einen Wert von 0,31 Prozent und Berlin 1,2 Prozent des BIP.

„Wir machen die Unternehmen groß, und die Amerikaner fahren die Ernte ein“

Bundesweit ist auffällig, dass das Wagniskapital nicht einmal zu einem Drittel von deutschen Investoren stammt. Mit 29 Prozent nehmen Geldgeber aus den USA eine ebenso wichtige Rolle ein. „Der US-Markt ist viel kompetitiver, es gibt mehr Konkurrenz um Ideen, es fließt viel mehr Geld an Start-ups“, sagt Michael Voigtländer. „Deutsche Start-ups sind da vergleichsweise preiswert für Investoren aus den USA. Sie haben mehr Geld zur Verfügung als europäische Kapitalgeber, die bei vielen Wachstumsfinanzierungen nicht mehr mitgehen können.“ Bei einem Gespräch zur Studie habe ihm ein Kölner Investor gesagt: „Wir machen die Unternehmen groß, und die Amerikaner fahren die Ernte ein.“

In Deutschland und NRW fehlt es Voigtländer zufolge an zwei Gruppen von Investoren, die in den USA viel Geld in den Markt geben. Zum einen ermangeln große institutionelle Investoren wie Investmentfonds oder Versicherungen. In Deutschland sei die Altersvorsorge hingegen sehr sicherheitsorientiert und nicht so kapitalmarktintensiv. „Bei uns fließt das Geld in Anleihen oder andere sichere Anlagen. Da ist kein Raum für riskante Investitionen. Amerikaner gestalten damit hingegen einen Großteil ihrer Alterssparpläne.“

Millionäre und Milliardäre fehlen in Deutschland als Investoren

Die zweite Gruppe, die in Deutschland fehle: Millionäre und Milliardäre, die bereit dinf, ihre Vermögen in großem Stil zu reinvestieren. Prototypen aus den USA seien Tesla-Eigentümer Elon Musk und Peter Thiel (Paypal, Palantir). „Reiche Deutsche investieren eher in Immobilien und sind nicht so risikofreudig. Selbst die, die es könnten, geben eher kleine Summen“, sagt der IW-Experte.

Investmentfonds und gebefreudige Superreiche lassen sich nicht einfach herbeiwünschen. Was kann NRW also tun? Michael Voigtländer hat dafür mit mehreren Wagniskapitalinvestoren Interviews geführt, darunter die Gateway Factory, an der unter anderem die Kölner Universität beteiligt ist, und der Kölner Investmentfonds Xdeck. Ein Ergebnis: Die NRW-Bank als wichtiger Treiber des Gründungsgeschehens im Land sollte ihren Förderfokus schärfen. So ist der Eindruck entstanden, dass die Förderungen zu breit sind „und mitunter jedes Start-up gefördert wird“, schreibt Voigtländer in der Studie. Es wird vorgeschlagen, dass sich die NRW-Bank nicht auf die Anschubfinanzierung in einer frühen Start-up-Phase konzentriert, sondern im Sinne einer Elitenförderung auf eine zielgerichtete Finanzierung bei Scale-up-Investitionen. Denn genau hier gibt es laut Voigtländer eine Marktlücke. Bei Scale-ups handelt es sich um noch junge innovative Unternehmen, die aber bereits erste Erfolge verzeichnet und ein funktionierendes Geschäftsmodell haben und jetzt Kapital zum Wachsen benötigen.

Warum Scale-up-Investitionen geboten sind

Ein weiteres Ergebnis der IW-Untersuchung: Eine stärkere Vernetzung von Investoren mit Hochschulen, Gründerzentren, Unternehmen und vermögenden Einzelpersonen ist eine der wichtigsten Aufgaben. Voigtländer zitiert Studien mit dem Ergebnis, dass Netzwerke bei Wagniskapital-Investitionen in den USA eine überragende Bedeutung gespielt haben: Haben Gründer und Investor die gleiche Universität besucht oder kennen sich aus Alumni- und anderen Netzwerken, wird häufiger und mehr investiert. „Wenn es der Politik besser gelingt, die Gruppen zusammenzuführen, könnte der Wagniskapitalstandort einen nächsten Schritt machen.“

Auch Empfehlungen eines Start-ups von einer Person aus dem Netzwerk spielen für Wagniskapitalgeber eine ungemein wichtige Rolle, schreibt Ökonom Voigtländer. „Gründer sollten daher unbedingt in ihre Netzwerke investieren.“

Positiv wird die außergewöhnlich hohe Zahl an großen und forschungsstarken Hochschulen in NRW bewertet – gleichzeitig könnte die dezentrale Struktur des Landes größeren Erfolgen im Weg stehen. Vor allem mit Blick auf die notwendigen Netzwerke wäre es einfacher, sich auf einen zentralen Standort zu konzentrieren. Der Vorschlag der Experten, mit denen Voigtländer gesprochen hat: Die regionalen Zentren sollen sich auf unterschiedliche Schwerpunkte konzentrieren, um bei diesen sehr leistungsfähig sein zu können. Als Beispiele werden die Themen Logistik, Versicherungen oder Finanztechnologie genannt.